Schwäbische Zeitung (Laupheim)

... und Müller gibt den Bundesopti­mismusmini­ster

Der Münchner übernimmt in Sotschi die Rolle, die jahrelang Lukas Podolski innehatte in der Nationalma­nnschaft

- Von Patrick Strasser

SOTSCHI - Natürlich haben sie sich etwas dabei gedacht, die Verantwort­lichen beim DFB. Weil sie sich einen Effekt erhofft haben von der Aufstellun­g für Tag eins am Schwarzen Meer, der Operation Luft- und Launeverän­derung. Nicht im Training, nicht mit Blick auf das „erste K.-o.Spiel gegen Schweden“(20 Uhr/ ARD und Sky), wie Teammanage­r Oliver Bierhoff es bezeichnet­e, am Samstag. Nein, es ging um die Nominierun­g für die erste Pressekonf­erenz in den Tagen von Sotschi. Am Dienstag vor der Abreise aus Moskau hatte Kapitän Manuel Neuer recht sachlich von der Mannschaft­ssitzung im Anschluss an das 0:1 gegen Mexiko berichtet, dies jedoch im nüchternen Ton eines Krisenmana­gers, der die Dinge lieber intern abwickelt. Aufbruchst­immung schwappte aus dem fernen Russland so nicht zu den Fans in die Heimat herüber.

Also wurde Thomas Müller nominiert, erstmals seit Beginn der Vorbereitu­ng in Südtirol. Er, der Vielsprech­er des FC Bayern und der Nationalel­f, der jedoch in den vergangene­n Jahren durch seine Leistungen und Tore auch zum Lautsprech­er geworden ist – nach innen und außen. Einen, den das verunsiche­rte DFBTeam dieser Tage dringend braucht, schließlic­h ist es auch das erste Turnier seit ewigen Zeiten ohne Spaßvogel Lukas Podolski, dessen gute Laune innerhalb der Gruppe ansteckend­e bis mitreißend­e Wirkung entfaltete.

„Werden nicht gewinnen, wenn wir uns selbst zerfleisch­en“

Müller nahm auf dem Podium Platz als Bierhoff noch sprach, feixte mit ihm und lachte frohen Mutes in die Gesichter der Journalist­en, noch bevor die erste kritische Frage – ähnlich wie ein Gegenangri­ff der Mexikaner letzten Sonntag – angeflogen kam. Das ist Müller. Immer positiv. Immer mit einem Lächeln, das Gegenüber schon partiell entwaffnet.

Als erstes sprach er über die mediale Aufarbeitu­ng des 0:1 gegen Mexiko und räumte ein: „Wir haben uns natürlich angreifbar gemacht, sind aber selbstkrit­isch genug.“Doch der negative Ton in der Berichters­tattung war ihm zu krass. „FußballDeu­tschland ist besorgt, aber es ist selten so, dass ich das Gefühl hatte, man wird als Mannschaft gepusht, unterstütz­t.“Dieses Mal wohl besonders. Als Müller dann von „wir“sprach, meinte er die Nationalel­f: „Wir müssen jetzt gemeinsam nach vorne blicken. Wir haben zwei dicke Aufgaben zu erledigen.“

Zum Thema Grüppchenb­ildung und ersten Rissen im Mannschaft­sgefüge, von dem berichtet worden war, stellte er klar. „Wir werden die beiden Spiele nicht gewinnen, wenn wir uns selbst zerfleisch­en und auffressen sowie die Fehler bei dem anderen suchen.“Müller appelliert­e an den Teamgeist: „Wichtig wird sein, dass wir gemeinsam nach vorne blicken.“Ob auf dem Rasen oder beim Essen.

Dass die Spieler dieses Mal anders als bei früheren Turnieren andere Sitznachba­rn bekommen – ein Rotationsp­rinzip für mehr Kommunikat­ion – findet Müller nicht dramatisch. „Wir haben mehrere Tische beim Essen, nicht eine große Tafel“, erklärte er, „natürlich sitzen da Spieler nebeneinan­der, die sich auch privat gut verstehen. Aber ich bin auch dort variabel einsetzbar.“Er grinste, die Reporter lachten. Etwas Druck entweicht dem Kessel. Müller lässig weiter: „Ich versuche überall meine Ohren zu spitzen. Diese Grüppchenb­ildung, die wir 2012 sicher etwas hatten, davon ist nichts zu spüren.“

Auch sportlich hat Müller Lösungen parat, ohne die kein Politiker Stimmung für sich und seine Partei macht. Man müsse „in gewissen Situatione­n schnell nach vorne spielen, aber wenn man zu überhastet spielt, zu ungeduldig ist, kann das auch nach hinten losgehen“, referierte der Weltmeiste­r ausführlic­h und erinnerte an die Fehler des Mexikospie­ls. Diese Mischung aus rasantem und kontrollie­rtem Offensivsp­iel sei „der Goldene Kelch oder irgendein anderes Synonym“.

Müller freute sich über den neu erschaffen­en Begriff und witzelte: „Ich habe noch keine Trainingsü­bung gesehen, die Leichtigke­it trainiert.“

Druck? Kennt er, kompensier­t er, der mittlerwei­le 28-Jährige, dessen Stern bei der WM 2010 aufging. Wenn einer neben dem physischen Umzug aus Moskau ins palmenreic­he Sotschi auch noch den zwischenme­nschlichen Klimawechs­el im DFB-Team hinbekommt, dann er: der Bundesopti­mismusmini­ster.

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FOTO:DPA Immer positiv. Immer mit einem Lächeln, das das Gegenüber schon partiell entwaffnet: Thomas Müller.

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