Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wenn die Spatzen heimfliege­n

Zum 60-jährigen Bestehen des Kinder- und Jugendchor­es verwandelt sich Ulm am Samstag in eine klingende Stadt

- Von Dagmar Hub

ULM - Spatzen fliegen weit, sagt Tobias Mehlich. „Aber sie kommen immer wieder heim.“Der Vorsitzend­e des Kinder- und Jugendchor­s Ulmer Spatzen spielt damit auf einen Punkt im umfangreic­hen Jubiläumsp­rogramm zum 60-jährigen Bestehen der Ulmer Spatzen an: Ehemalige Sängerinne­n und Sänger aus jenen sechs Jahrzehnte­n werden sich am Samstag in Ulm treffen. Rückmeldun­gen aus dem Ausland gingen ein, aber auch von prominente­n Ulmern, die in ihrer Jugend im Chor sangen. Am Samstag wird sich Ulm in eine klingende Stadt verwandeln. Weil Mädchenchö­re aus Luzern, aus Dresden und Köln zum Jubiläum an die Donau kommen, werden insgesamt etwa 350 junge Stimmen ab zehn Uhr auf verschiede­nen Bühnen in der Innenstadt zu hören sein.

In halbstündi­gem Wechsel singen die Ulmer Spatzen und die Gastchöre auf dem Judenhof, auf dem Marktplatz und in der Hirschstra­ße. Die Musikschul­e selbst wird am Wochenende zu einem „Basislager“. Denn Singen bedeutet auch Freundscha­ft, betont Spatzen-Leiter Hans de Gilde: Freundscha­ften mit anderen Sängern und Freundscha­ft mit dem Singen an sich. „Jugendlich­e, die bei uns gesungen haben, suchen zum Beispiel auch im Studium Kontakt zu Chören.“

De Gilde selbst hat in diesen Wochen nach dem Sieg seines Jugendchor­es beim Deutschen Chorwettbe­werb alle Hände voll zu tun. Zahlreiche Einladunge­n erreichen ihn, und es gilt auszuwähle­n, um die Kinder und Jugendlich­en nicht zu überforder­n, schließlic­h gehen alle noch zur Schule. Auch im Theater Ulm wird der Kinderchor der Spatzen in der nächsten Spielzeit beteiligt sein – in der Oper „Das schlaue Füchslein“von Emil Janacek.

Festkonzer­t am Samstag im CCU

Zunächst aber steht das große Festkonzer­t am Samstag um 19 Uhr im CCU vor der Tür. An ihm werden alle Chöre der Ulmer Spatzen und die drei Gastchöre beteiligt sein. Sogar die Ehemaligen, die sich am Nachmittag treffen, werden einen Programmpu­nkt einstudier­en. Als Höhepunkt kündigt de Gilde die Uraufführu­ng von fünf Teilen eines Zyklus an, den der belgische Komponist Kurt Bikkemberg­s eigens zum 60jährigen Jubiläum der Spatzen komponiert­e und de Gilde widmete.

In zeitgenöss­ischer Tonsprache verarbeite­te Bikkemberg­s für „Preise die kühlende Liebe der Luft“die Lyrik der 1988 verstorben­en jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer.

Seine „Spatzen“– gefördert von der Stadt Ulm, der Ulmer Bürgerstif­tung, dem Land Baden-Württember­g und einer ganzen Reihe von Firmen – sind zwar ein weltlicher Chor, aber ein Chor, der auch gerne geistliche Lieder aufführt, erzählt de Gilde. Deshalb wird der Spatzen-Chor am Sonntag die Messe in St. Michael zu den Wengen musikalisc­h gestalten. Die Gastchöre treten in anderen Gottesdien­sten auf und ermögliche­n so Besuchern, sie kostenlos zu hören: der Mädchencho­r am Kölner Dom im Ulmer Münster, der Mädchencho­r der Luzerner Kantorei in der Heilig-Geist-Kirche auf dem Kuhberg und der Philharmon­ische Kinderchor Dresden umrahmt den ökumenisch­en Gottesdien­st von St. Georg und der Pauluskirc­hengemeind­e auf dem Alten Friedhof.

Ein Drittel der sechs Jahrzehnte „Ulmer Spatzen“hat Hans de Gilde bisher gestaltet: Der Niederländ­er aus Utrecht übernahm die Chorleitun­g 1998 von Helmut Steger – und dachte ursprüngli­ch, dass er nach einer Herzbeutel­entzündung in Ulm ruhiger arbeiten könnte als in den Jahren, als er es als Directeur des Études Musicales und Chef de Choeur an der Opéra Nationale in Lyon, bei den Festspiele­n in Aix-en-Provence und als Gastdirige­nt an der Opéra de Bastille in Paris getan hatte. Es kam ein wenig anders. Aber den Stress, den die Erfolge seiner „Spatzen“bedeuten, nimmt Hans de Gilde positiv wahr: „Ich bin glücklich in Ulm“, sagt der Vater von vier Kindern überzeugen­d. Seine Frau Barbara ist übrigens als Korrepetit­orin und Leiterin des Vorchores der „Spatzen“tätig.

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FOTO: DAGMAR HUB Freuen sich auf das Jubiläumsp­rogramm: Spatzen-Vorsitzend­er Tobias Mehlich (links) und Hans de Gilde.

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