Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Maler Thomas Becker zeigt menschenleere Landschaften
„Weite Felder“im Landkreismuseum Neu-Ulm Kontrast bieten Keller und Kabinett
OBERFAHLHEIM - Mit dem Auto ist es von Söflingen nach Oberfahlheim keine halbe Stunde. Thomas Becker braucht aber 90 Minuten: Der Künstler hat kein Auto, er fährt praktisch jede Strecke mit dem Fahrrad. Weil er es mag. Die Wahl des Fortbewegungsmittels hat großen Einfluss auf die Kunst des 57-Jährigen, die vor allem um ein Thema kreist: die Landschaft. Egal ob Ur-, Kultur oder Stadtlandschaft, Bergpanorama oder Seestück. Eine Auswahl seiner Arbeiten ist nun im Museum für Bildende Kunst in Oberfahlheim zu sehen.
Der gebürtige Hannoveraner Becker kommt eigentlich von der Fotografie, doch die ist in seinen Augen „ein zu technisches Medium geworden“. Er suchte das Gegenteil, ging in der Kunstgeschichte immer weiter zurück, bis er bei den niederländischen Landschaftsmalern des 17. Jahrhunderts landete. Seine Herangehensweise ist freilich eine andere: Becker erwandert oder erradelt das Land, fotografiert und verdichtet die so entstandenen Bilder im Atelier zu meist großformatigen Gemälden, die er selbst lieber Weltbilder als Landschaftsbilder nennt: Jeden Kitschverdacht will er vermeiden. Deswegen heißt die Ausstellung auch nicht etwa „Sehnsucht“, sondern „Sehsucht“.
Dabei muss Becker den Kitschvorwurf gar nicht befürchten, zu abstrakt-reduziert sind seine „realen und idealen Landschaften“, die eine Welt zeigen, wie sie nach dem Untergang der Menschheit aussehen könnte: wüst und leer, aber auch bereit für einen Neuanfang. Manchmal stehen auch konkrete Ereignisse hinter den Bildern: Die Titel verweisen auf Schlachtorte des Ersten Weltkriegs in den Dolomiten oder auf Naturkatastrophen wie den Orkan „Kyrill“. Die Landschaften erscheinen immer unendlich, unbegreiflich. Und doch spürt man ein Anliegen: Becker will vor der Zerstörung der Natur warnen.
Der Söflinger, der seine künstlerische Ausbildung an der FolkwangHochschule Essen erhielt, nennt sich selbst einen Traditionalisten. Was allerdings nur teilweise stimmt. Denn wenn er eine Pause von der Landschaft braucht, macht er ganz andere Dinge. So betrieb er bis vor kurzem im Internet ein virtuelles Museum („ein Kunstspaß“). Von 1993 bis 2005 verfolgte er ein besonderes, sehr ernstes Projekt: Er gestaltete 35 Unikatbücher zu Gedichten Paul Celans. Sechs davon können im schummrigen Keller von den Besuchern erblättert werden. Statt Landschaften gibt es abstrakte, chiffrenhafte Formen und Texturen. Für diese teils großformatigen Bilderbücher hat sich Becker nach eigenen Aussagen von „Celans Genialität anschubsen lassen“.
Die Präsentation im Kellergewölbe ist ein Kontrast zu den Weltbildern im Erdgeschoss. Doch nichts im Vergleich zum Kabinett im ersten Stock: Dort sind parallel zu Beckers Schau „Schwäbische Heimatbilder“von Christina Schneider aus Kleinkötz zu sehen. Manches davon darf man kitschig finden, manches, etwa eine typische Postkartenansicht von Ulm, auch unoriginell. Aber (Landschafts)malerei ist eben ein weites Feld.
Die beiden Ausstellungen laufen bis zum 2. September. Eintritt frei. In der Ausstellung erhältlich ist Beckers neuer Band „Reale und ideale Landschaften“, der viele der Bilder enthält (35 Euro).