Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Leise Töne und leidenschaftlicher Rausch
Kammermusik auf höchstem Niveau bei der Schubertiade in Schwarzenberg
SCHWARZENBERG - Noch bis Ende der Woche ist Schwarzenberg wieder das Zentrum hochkarätiger Kammermusik und exzellenten Liedgesangs.
Schuberts Oktett D 803 und das benachbarte Quartett a-Moll D 804 „Rosamunde“sind Fixsterne bei der Schubertiade. Bei letzterem überzeugte das Mandelring Quartett mit den drei Geschwistern Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt und dem Bratscher Andreas Willwohl mit ungemein kultiviertem Spiel. Es pflegte die leisen Töne, ohne die durchaus zupackenden Akzente und Kontraste zu vernachlässigen.
Nach der Pause erweiterte sich der Kreis um den sehr präsent agierenden Kontrabassisten Nabil Shehata, die spanische Klarinettistin Laura Ruiz Ferreres, die schwedische Hornistin Sibylle Mahni und den ungarischen Fagottisten Bence Bogányi. Alle vier haben führende Orchesterpositionen in Deutschland inne. Die Liebe zur Kammermusik, zum gemeinsamen Gestalten vereint sie mit dem so dicht verwobenen Streichquartett. So erlebte man das großartige Oktett in seinem musikantischen Geist, mit Schwung und dynamischer Zugkraft, weit geschwungenen Melodien und herzhaften Tanzsätzen.
Seit seinem Einspringen vor sechs Jahren ist der Schweizer Tenor Mau- ro Peter ein Liebling der Schubertiade. Seine Natürlichkeit, seine Textdeutlichkeit, die klar fokussierten Vokale, die Kunst, Geschichten zu erzählen, sind herzerfrischend. Helmut Deutsch, sein souveräner Klavierpartner, trägt den Sänger in einer Reihe schönster Schubertlieder. Bei Liedern von Liszt kann Helmut Deutsch seinen Farbensinn ausleben. Und bei Mauro Peter hört man, wie sich die Stimme hin zum Heldischeren entwickeln mag, wie Kraft und Glanz sich gut geerdet verbinden. Ende Juli darf er bei den Salzburger Festspielen den Tamino singen – ein Traum für jeden Tenor!
Anja Harteros ist eine der großen Sängerinnen unserer Zeit. Das zeigt sie auch in der kleineren Form des Lieds. An der Seite von Wolfram Rieger gestaltete sie ein kurzes, aber intensives Programm mit Liedern von Schubert und Brahms. Statt die Elsa wie demnächst in Bayreuth erweckte die deutsch-griechische Sopranistin also Suleika und andere Liebende zum Leben. Denn natürlich geht es oft um die großen Gefühle im romantischen Lied, seien sie sehnend, hoffnungsvoll, vergeblich, überschwänglich oder erloschen. Mit ihrer intensiven Bühnenpräsenz bei ganz zurückgenommener Gestik und dem wandlungsfähigen Reichtum ihrer Stimme zeichnet sie die Lieder als Seelenzustände. Bei aller Größe der Stimme berührt jedoch die Pianokultur von Anja Harteros am meisten, etwa wenn sie in „Der Jüngling an der Quelle“den sehnenden Ruf „Luise!“in den Raum schickt oder wenn sie in „Der Jüngling und der Tod“eine unendliche Linie, kühl wie Marmor spannt. Wolfram Rieger kann als Partner dieser Sängerin aus dem Vollen schöpfen, er streichelt die Tasten, zeichnet Silberfäden und Lerchentriller nach und hat doch auch eine ungeheure Bandbreite in der Dynamik.
All das verstärkt sich im zweiten Teil mit der Brahms-Gruppe noch, wird schwergewichtig, flammend leidenschaftlich, verdichtet sich im Klaviersatz und ist berauschend in seiner Fülle. Vom Rausch ist auch in den Gedichten oft die Rede – Anja Harteros und Wolfram Rieger lassen sich auf Brahms’ Wogen davontragen und schenken dem Publikum nach knapp 90 Minuten Konzertdauer noch eine Zugabe.