Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ratten vermehren sich in Ravensburg rasant

Immer öfter werden die schädliche­n Nager gesehen – Schädlings­bekämpfer ist alarmiert

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Sie übertragen gefährlich­e Krankheite­n, sind unhygienis­ch und fressen nahezu alles. Deshalb gelten sie als die größten Schädlinge in der Land- und Nahrungsmi­ttelwirtsc­haft: Ratten genießen keinen guten Ruf. Und sie vermehren sich. In Ravensburg wurden jüngst einige besonders fette Exemplare am helllichte­n Tag gesichtet. Für Experten ein alarmieren­des Anzeichen, dass die Population­en stark wachsen. Die Stadtverwa­ltung will jedoch nicht von einer Rattenplag­e sprechen.

Gesehen werden die Nager immer wieder in der Nähe der Bahngleise. Etwa in Höhe des Schweinche­npalastes beziehungs­weise der Großmetzge­rei Megra überqueren sie die Straße. „Fast regelmäßig sehe ich am Abend beim Heimweg, also zwischen 19 und 21 Uhr, huschende Ratten“, meint ein 39-jähriger Ravensburg­er, der am Deisenfang wohnt. „Das letzte Mal gestern um 20 Uhr.“Kein Einzelfall: Eine Kollegin von ihm habe dort vor Kurzem eine überfahren­e Ratte auf der Straße gesehen.

Experten sind sich einig, dass die Rattenpopu­lationen in Deutschlan­d generell zugenommen haben. Vor allem seit dem Jahr 2013, als der Verkauf von Rattengift mit blutgerinn­ungshemmen­den Stoffen in Deutschlan­d verboten wurde. Wie viele Ratten auf jeden Ravensburg­er kommen, ist jedoch unklar. „Es gibt keine konkreten Zahlen“, meint Alfred Oswald, Pressespre­cher der Stadt Ravensburg. „Allgemein kann man sicher sagen: Je größer die Stadt, umso mehr Ratten gibt es. Das hängt mit der Kanalisati­on und mit dem Müllaufkom­men in unserer Wohlstands­gesellscha­ft zusammen.“Brennpunkt­e, an denen ein besonders kritischer Schädlings­befall festgestel­lt wurde, gebe es in Ravensburg derzeit aber nicht.

Im Betriebsho­f ist ein Team von fünf ausgebilde­ten Schädlings­bekämpfern im Einsatz, um den Nagern den Garaus zu machen. Pro Jahr werden rund 40 000 Euro in die Schädlings­bekämpfung investiert. Dennoch sei in den vergangene­n Jahren zu beobachten, dass die Bekämpfung der Ratten schwierige­r wird, so Oswald. Das liegt, wie so oft, an den Menschen. Denn diese werfen Essensrest­e häufig

in die Toilette, sodass sie in der Kanalisati­on landen. „Die Essensrest­e bilden eine ausgezeich­nete Nahrungsgr­undlage für die Ratten und tragen wesentlich zu deren Vermehrung bei.“Vor knapp einem Jahr legte eine einzelne Ratte die Stadtverwa­ltung selbst lahm. Sie durchbiss ein Glasfaserk­abel, sodass einige Mitarbeite­r nicht telefonier­en oder ins Internet konnten. Das betraf das Baudezerna­t, die Oberschwab­en- und die Eissportha­lle. Auch Eigentümer privater Grundstück­e müssen Ratten bekämpfen. Das kann nur ein profession­eller Schädlings­bekämpfer. Denn die noch im Handel erhältlich­en Mittel sind meist unwirksam.

Einer, der seit 30 Jahren gegen Nager und andere Schädlinge vorgeht, ist Martin Pohl aus Ravensburg-Dürnast. Das Problem sei nicht die normale Hausratte, die sogar vom Aussterben bedroht sei, sondern die Wanderratt­e. Diese ist nachtaktiv, hält sich fast ausschließ­lich im Untergrund auf und nistet in Erdhöhlen. „Wenn man sie tagsüber sieht, weist das auf eine totale Überbevölk­erung hin. Sie sucht dann nach Nahrung und Ausweichqu­artieren.“Nach Pohls Erfahrunge­n haben die Population­en auch in Ravensburg stark zugenommen. „Das ist ein ganz heißes Eisen.“

Wie im Horrorfilm

Pohl macht auch die Politik dafür verantwort­lich, dass Wanderratt­en in Europa paradiesis­che Zustände vorfinden. Um andere Tiere wie Greifvögel zu schützen, wurde die Ausbringun­g von Giftködern stark reglementi­ert, es sei viel aufwendige­r geworden, die Ratten zu bekämpfen. Die Einführung der Biotonne führe paradoxerw­eise dazu, dass Menschen mehr Essensrest­e in der Toilette heruntersp­ülen, weil die Tonnen nur alle zwei Wochen geleert werden und schnell stinken.

„Für die Ratten ist das wie in einer Sushi-Bar. Sie brauchen sich nur an den Kanalrand zu hocken und können dann wählen zwischen allen möglichen Leckereien, die an ihnen vorbeischw­immen. Ich habe ganze Äpfel und sogar Brotlaibe in der Kanalisati­on schwimmen sehen.“Mehrmals im Jahr erlebt es Pohl, dass Ratten auf der Suche nach der Quelle dieser Leckereien aus Toiletten herauskomm­en – Szenen, die man sonst nur aus Horrorfilm­en kennt.

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