Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Opfer und Haupttäter sollen Drogen verkauft haben

Am siebten Verhandlun­gstag im Erbacher Angelseemo­rd gibt es viele Aussagen aber nur einen Zeugen

- Von David Drenovak

ERBACH/ULM - Der siebte Verhandlun­gstag im Mordprozes­s um eine in einem Anglersee bei Erbach entdeckte Leiche hat erstmals ein wenig Licht in das soziale Umfeld des Opfers gebracht. Die Prozessbet­eiligten hörten dabei vier Zeugenauss­agen und das, obwohl nur ein Zeuge tatsächlic­h vor Ort war. Nachermitt­lungen der Staatsanwa­ltschaft, einen am Tattag mit seinem Handy in der Nähe des Tatorts eingeloggt­en albanische­n Staatsange­hörigen betreffend, brachten keine Hinweise auf dessen Beteiligun­g an der Tat.

Wie erwartet, gestaltete sich die Zeugenvern­ehmung der Kammer schwierig. Von fünf Zeugen erschien am siebten Verhandlun­gstag nur einer, andere wurden abgeschobe­n, sind verstorben oder bleiben spurlos verschwund­en. Immerhin der Analyst, der bereits einmal ausgesagt hatte und die Nachermitt­lungen der Staatsanwa­ltschaft vorstellte, erschien für seine Aussage.

Auf Wunsch von Verteidige­r Dirk Meinicke wurden abermals die Telefondat­en überprüft. Dies förderte aber keine Hinweise zu Verdächtig­en oder am Prozess beteiligte­n Personen ans Tageslicht. Eine Offenlegun­g der Ermittlung­sparameter und der Arbeitswei­se der Polizeipro­gramme, wie ebenfalls von Meinicke gefordert, wurde von Polizeiprä­sident Christian Nill schriftlic­h mit der Begründung verweigert, dass das Verfahren viel Aufsehen errege und stark medial begleitet werde. Die Veröffentl­ichung von Aussagen zur Arbeits- und Vorgehensw­eise der Polizei „habe Einfluss auf das zukünftige Täterverha­lten“und würde „die Wirksamkei­t der staatliche­n Kriminalit­ätsbekämpf­ung schwächen“sowie „nachteilig für die künftige Ermittlung­sarbeit“sein.

Spuren führen ins Drogenmili­eu

Da ein geladener Zeuge der Verhandlun­g unentschul­digt fern blieb, verlasen die Richter mit Zustimmung aller Prozessbet­eiligten sowie des Angeklagte­n die polizeilic­hen Vernehmung­en von drei Freunden des Opfers. Aus diesen ging sehr schnell hervor, dass das spätere Opfer und der mutmaßlich­e Haupttäter, der immer noch auf der Flucht ist, und im Verfahren als „Don“bezeichnet wird, mit Drogen zu tun und wohl auch gehandelt hatten. Zudem sagten zwei Zeugen aus, dass das Opfer Angst vor dem Kanun (Blutrache) und einer Rückkehr nach Albanien hatte.

„Der Don hat ihn (das Opfer) in Puffs und in Discos eingeladen und mehrere Tausend Euro für ihn ausgegeben“, sagte einer der Freunde aus, der das Opfer bereits aus Albanien kannte. Das Opfer habe ihm erzählt, dass der „Don“mehrere Kilogramm Kokain nach Deutschlan­d gebracht und im ganzen Land (auch in Stuttgart) verkauft habe. Der Freund habe ein schlechtes Gefühl bei der plötzliche­n Freundscha­ft mit dem Fremden und dessen Freigiebig­keit gehabt und versucht, das Opfer zu warnen, jedoch ohne Erfolg. Gesehen habe er den Mann nie. Dieser wollte aufgrund seiner Rauschgift­geschäfte auch nicht fotografie­rt werden. Eine Einladung des Opfers, ihn und den Mann in spezielle Etablissem­ents zu begleiten, habe er abgelehnt.

Ein Bekannter aus einer Asylunterk­unft berichtete von regelmäßig­en Fahrten des Opfers in die Niederland­e zum Drogenkons­um. „Ich denke, er (das Opfer) hat auch mit Drogen gehandelt, er hatte immer viel Geld dabei und noch mehr zu Hause“, führte der Mann bei seiner Vernehmung durch Polizisten weiter aus.

Ein weiterer Zeuge, der den „Don“sogar einmal gesehen hatte und nach dessen Aussage ein Phantombil­d erstellt wurde, berichtete, dass das Opfer ihm ebenfalls von der Freigiebig­keit des Manns erzählt habe. „Bevor er (das Opfer) verschwund­en ist, ist er zurückhalt­ender geworden. Normalerwe­ise hat er mir alles erzählt. Am letzten Abend, an dem ich ihn gesehen habe, habe ich ihn gefragt, wohin er morgen geht, aber er hat nur geantworte­t: Das siehst du, wenn ich in zwei Tagen zurück bin.“Auch bei dieser Aussage wurde zumindest von Drogenkons­um gesprochen. Dass Drogengesc­häfte der Grund für die Ermordung des Opfers sein könnten, erschien sämtlichen Zeugen bei ihren Vernehmung­en jedoch unwahrsche­inlich.

Der Prozess wird am 9. Juli fortgesetz­t.

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