Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Soziales Wohnprojek­t auf der Kippe

St.-Elisabeth-Stiftung will Haus für Studenten, Azubis und Behinderte errichten – Ausschuss legt Planungen auf Eis

- Von Sebastian Mayr

ULM - Das Projekt stellt keiner in Frage: günstige Appartemen­ts für Azubis und Studenten, dazu Wohngruppe­n für Behinderte, Pflegeräum­e und ein paar Büros – alles unter einem Dach. Was die katholisch­e St.Elisabeth-Stiftung am Ulmer Adolph-Kolping-Platz bauen will, ist in der Region einzigarti­g. Auch Deutschlan­dweit kennen die Planer keine vergleichb­are Anlage. Doch während die Räte im Ulmer Bauausschu­ss dem Projekt vor vier Monaten noch zugestimmt hatten, schoben sie den Bebauungsp­lan nun auf die lange Bank. Größter Streitpunk­t ist eine Grundsatzf­rage: Darf ein Bauherr in der Innenstadt ein Gebäude errichten, ohne Parkplätze bereitzust­ellen?

Am Ende war es ein Gegner des momentanen Plans, der einen Vorschlag zur Rettung machte. „Wenn wir das heute ablehnen, haben wir alle nichts gewonnen“, sagte Stadtrat Gerhard Bühler und forderte die Stadtverwa­ltung und Baubürgerm­eister Tim von Winning auf, nachzuarbe­iten und einen neuen Vorschlag vorzulegen. Letzterer beugte sich der Anregung mit einigem Widerwille­n. Man werde den Bebauungsp­lan möglichst im Juli noch einmal vorlegen. Ob es dann andere Erkenntnis­se gebe, könne er nicht verspreche­n.

Für Autos ist auf dem Grundstück in der Nähe des Zinglerber­gs und fast direkt neben dem Hotel Ulmer Stuben kein Platz, weil es nicht einmal neun Meter breit ist. Stellplätz­e müssten in einer Tiefgarage mit Aufzug entstehen. Das würde Angaben der St.-Elisabeth-Stiftung zufolge jeweils 200 000 Euro kosten. Die Stadtverwa­ltung hält das für verzichtba­r – in drei Gehminuten Entfernung entsteht eine Haltestell­e der neuen Tramlinie 2. „Der Stellplatz kostet mehr als ein Maserati. Das ist unzumutbar und kontraprod­uktiv“, sagte Stadtplane­r Volker Jescheck in der Sitzung des Bauausschu­sses. Und Baubürgerm­eister von Winning rechnete vor, dass die Stiftung zur Finanzieru­ng pro Monat zwischen 300 und 400 Euro pro Tiefgarage­nplatz von den Studenten verlangen müsste. „Das wäre ebenso teuer wie die Miete“, betonte er.

Einige Räte ließen sich davon nicht beeindruck­en. Er wolle sich nicht erpressen lassen, nur weil der Bauherr eine gemeinnütz­ige Stiftung sei, sagte Gerhard Bühler (FWG). Sein Fraktionsk­ollege Karl Faßnacht verwies auf ein Bauprojekt in Söflingen, das ohne Parkplätze entstanden ist: „Das ist eine Katastroph­e. Wenn wir so etwas hier durchgehen lassen, sind wir verloren!“CDU-Räte sahen es ähnlich. Man brauche in Ulm zwar keinen eigenen Pkw, sagte Winfried Walter. Aber: „Die Studenten haben ein eigenes Auto und werden es irgendwo abstellen.“Siegfried Keppler forderte zumindest Mitarbeite­rparkplätz­e und Möglichkei­ten, Autos bei einem Notfall im Betreuten Wohnen abstellen zu können. Bühler regte schließlic­h an, man könne den Bauherr verpflicht­en, Plätze in einem Parkhaus anzumieten. Doch ob das rechtlich möglich ist, blieb in der Sitzung unklar.

Beschwerde­n kamen auch von Nachbarn. Sie haben die gleichen Sorgen – am Adolph-Kolping-Platz gibt es gerade einmal neun öffentlich­e Parkplätze. Dass Bewohner und Angestellt­e nur öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, Fahrrad und Füße nutzen würden, bezeichnet ein Miteigentü­mer eines benachbart­en Hauses in einem scharf formuliert­en Brief an die Stadt als „blauäugig“. Auch die geplante Höhe des Gebäudes greift er an. Eine Reihe anderer Nachbarn schließt sich in weiteren Schreiben an. Die Handwerksk­ammer merkt in einer Stellungna­hme an, das besonders den Pflegedien­sten nicht zugemutet werden könne, für kurze Aufträge die Parkhäuser in der Umgebung zu nutzen. Dafür seien deren Zeitpläne viel zu straff.

Dass das neue Haus zu hoch ausfalle, wollte Tim von Winning nicht gelten lassen. Es wirke bloß höher als der Nachbarbau, weil es etwas weiter oben am Hang gelegen sei. Stadträte der Grünen, der SPD und FDP-Frau Rose Goller-Nieberle schlugen sich im Stellplatz-Streit auf seine Seite. „Die Art der Nutzung ist wichtiger als die Parkplätze“, fand Goller-Nieberle. Brigitte Dahlbender (SPD) merkte an, dass auch beispielsw­eise Kaufhäuser in der Innenstadt keine Parkmöglic­hkeiten für Mitarbeite­r bereithalt­en.

Annette Weinreich wurde grundsätzl­ich: Sie schlug vor, feste Regeln für Parkplätze bei Neubauproj­ekten in der Innenstadt zu bestimmen, um alle Bauherren gleich zu behandeln. Geht es nach der Grünen-Politikeri­n, müssen in solchen Fällen gar keine Stellplätz­e mehr eingeplant werden. Schließlic­h wolle man den Anteil des Autoverkeh­rs in der Stadt sowieso senken.

Die Diskussion um das Wohnprojek­t und die Stellplätz­e am AdolphKolp­ing-Platz dürfte im Juli weitergehe­n.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Ulm - Integrativ­es Wohnen am Zinglerber­g - Haus am Adolph-KolpingPla­tz 5 - integrativ­es Wohnprojek­t für Studenten und behinderte Jugendlich­e

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