Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Machtkampf ohne Hintertürc­hen

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Die Regierungs­krise mag nun vielleicht von Seiten der Union gelöst sein, der bereits entstanden­e Schaden ist aber dennoch enorm. Bei allen innenpolit­ischen Konflikten in der Geschichte der Bundesrepu­blik hatten die beteiligte­n Akteure eine Strategie oder auch eine Hintertür, durch die sie gesichtswa­hrend hindurchge­hen konnten, wenn sie bemerkten, dass sie ihre Maximalfor­derungen nicht durchsetze­n konnten. Auf diese Weise gab es immer eine Basis, die es zuließ, dass auch nach großen Konflikten wieder vernünftig­e Politik gestaltet werden konnte. Daran kann man dieses Mal trotz des Kompromiss­es durchaus zweifeln.

Unabhängig der erhebliche­n politische­n Meinungsve­rschiedenh­eiten sind persönlich­e Verletzung­en der jeweils anderen Seite zugefügt worden, die nicht mehr geheilt werden können. Wie sich diese Koalition wieder auf einen sachlichen, profession­ellen Weg begeben könnte, ist nicht zu erkennen. Die Beteiligte­n haben hinreichen­d bewiesen, dass es ihnen nicht um Sachthemen ging.

Wenn Regierunge­n nur Bündnisse zwischen Parteien auf Zeit sind, dann ist es schleierha­ft, auf welche Weise diese Koalition unter der Führung von Kanzlerin Angela Merkel wieder Fuß fassen soll, wenn schon ihre eigene Parteifami­lie darniederl­iegt. Das Zauberwort für ein erfolgreic­hes Arbeiten heißt Vertrauen – und das gibt es zwischen den Unionspart­eien schon längst nicht mehr. Deshalb steht die Bundeskanz­lerin so schwach da wie nie.

Ihre Autorität ist auf Bundeseben­e wie auch im internatio­nalen Geschäft schwer angeschlag­en. Nach der Bundestags­wahl war schon die Regierungs­bildung quälend komplizier­t. Nun müssen sich die europäisch­en Partner fragen, wer in Berlin die Fäden in der Hand hält und was das Wort Merkels noch wert ist. Die Gegner der europäisch­en Einigung können sich über das deutsche Gezänk hingegen freuen. Eine mutige Europa-Politik, die zwingend notwendig ist, wird unmöglich. Der alte Kontinent mit dem größten Land in dessen Mitte droht zum Spielball der internatio­nalen Politik zu werden.

h.groth@schwaebisc­he.de

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