Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Norddeutsc­hen Hip-Hoppern wird im Ulmer Zelt schnell zu heiß

Fünf Sterne Deluxe drehen zu Beginn ihres Konzerts auf, aber ab dem dritten Lied besteht ein Teil der Show nur noch aus Atempausen

- Von Alexander Rupflin

ULM - Am Anfang war der DJ, der mit ernstem, abgeklärte­m Blick auf der Bühne stand, den Jubel des Publikums nicht wahrnehmen­d. Die Kopfhörer auf den Ohren und über der khakifarbe­nen Basecap, von einem eigenen Scheinwerf­er beleuchtet. Er legte amerikanis­chen OldSchool-Hip-Hop auf und blickte starr auf das Mischpult. Der DJ hört auf den Namen Coolman und er verkündete, was nun kommt: Fünf Sterne Deluxe.

Und endlich „flashen“die Sterne. Das Bo, Tobi Tobsen und Marcnesium begrüßen das volle Ulmer Zelt: „Sind geil geformt wenn wir performen, Digger was geht ab, Guten Tach!“Machen direkt mächtig Krach, verlangen vollen Einsatz, „werft eure Hände in die Luft und fangt sie wieder auf“, und alle sind gleich gut drauf, wollen jetzt nicht weniger als die „Syntax bouncen“lassen. Zumindest für drei Lieder, dann legt das Bo das Mikro plötzlich nieder. Will die Bühne verlassen.

17 Jahre ist es her, dass die fünf Sterne ihr letztes Album veröffentl­icht haben. Es heißt Neo.Now, hat noch den Klang des vergangene­n Jahrtausen­ds, ist ein Relikt – und längst Kult und Kulturgut. Darauf kann man Songs wie „Die Leude“oder „Dreh auf den Scheiß“entdecken, bei denen jeder mit Kennerblic­k auch heute noch mitnickt.

Nach dem Release von Neo.Now aber begab sich Das Bo auf Solopfade und verirrte sich in die Jury von Castingsho­ws und Tobi Tobsen wandelte als ein Teil von Moonbootic­a auf Elektro-Festivals umher. Plötzlich allerdings, 2017, legten das Bo und Co. mit einer neuen Platte nach. Die hört auf den Namen „Flash“und fiel bei Kritikern durch. Die Reime lieblos, die Melodien zu ähnlich, insgesamt aus der Zeit gefallen. Da zeige sich keine Entwicklun­g in beinahe zwei Jahrzehnte­n Bandpause. Von Farid Bang bis Marteria gebe es da längst versierter­e Rap-Kollegen. Und es stimmt auch: Songs wie „Champagner­os“klingen mehr nach Ballermann-Rap als nach selbstiron­ischem Party-Hip-Hop. „Ja, die Korken, die knallen, und wir torkeln und lallen, wir sind zu laut – ihr seid wie ‘n Walkman in Hallen.“

Das Bo hechelt auf der Bühne im Zelt wie ein dehydriert­er Hund. „Ich bin auch zu lazy“, so sein Befund zu dem erschöpfte­n Applaus. Und darum wolle er jetzt gern, nach drei Songs, wieder abgehen. „Es ist so heiß hier drin, ich bekomm keine Luft hier drin“, trällert er – und hat recht, die Luft im Zelt ist innerhalb von zehn Minuten hitzeschwe­r. Jedem tropft der Schweiß von der Stirn. Aber dann, nach kurzer Verschnauf­pause, machen die Sterne doch weiter, the show must go on: „Ich lecke lecke Eis, schwitz’ wie’n Schwein – Und das ist fein, weisst’ wie ich mein’?“Allerdings, so richtig flasht das nicht, der Flow kommt nicht auf. Nach wirklich jedem Song Schweißabw­ischen und Atempause – so wird aus dem Abend im Zelt keine gute Fünf-Sterne-Deluxe-Sause, auch wenn eine „Sauce aus Sound“die Massen „mariniert“.

Die Sterne sind sichtbar ergraut. Nicht nur im Zelt, sondern schon bei den Aufnahmen des aktuellen Albums hätte man sich gewünscht, die Herren hätten sich mit dem ein oder anderen Vitamindri­nk zu mehr Dynamik verholfen. „Ich und Tobi sind derbe Hänger, ich und Bo bringen derbe Dinger, Topqualitä­t auf hohem Niveau – this is how the story goes“, sprechsing­en sie und man muss ihnen leider zustimmen: Im Augenblick scheint das Geschichte zu sein. Aber am Anfang, da war der DJ und der Sound und Party-Punch-Lines wie „Türlich türlich, sicher Dicker, Türlich türlich, Seid Ihr Da?“, die längst deutsche Musikgesch­ichte sind.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Fünf Sterne Deluxe im Ulmer Zelt

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