Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Norddeutschen Hip-Hoppern wird im Ulmer Zelt schnell zu heiß
Fünf Sterne Deluxe drehen zu Beginn ihres Konzerts auf, aber ab dem dritten Lied besteht ein Teil der Show nur noch aus Atempausen
ULM - Am Anfang war der DJ, der mit ernstem, abgeklärtem Blick auf der Bühne stand, den Jubel des Publikums nicht wahrnehmend. Die Kopfhörer auf den Ohren und über der khakifarbenen Basecap, von einem eigenen Scheinwerfer beleuchtet. Er legte amerikanischen OldSchool-Hip-Hop auf und blickte starr auf das Mischpult. Der DJ hört auf den Namen Coolman und er verkündete, was nun kommt: Fünf Sterne Deluxe.
Und endlich „flashen“die Sterne. Das Bo, Tobi Tobsen und Marcnesium begrüßen das volle Ulmer Zelt: „Sind geil geformt wenn wir performen, Digger was geht ab, Guten Tach!“Machen direkt mächtig Krach, verlangen vollen Einsatz, „werft eure Hände in die Luft und fangt sie wieder auf“, und alle sind gleich gut drauf, wollen jetzt nicht weniger als die „Syntax bouncen“lassen. Zumindest für drei Lieder, dann legt das Bo das Mikro plötzlich nieder. Will die Bühne verlassen.
17 Jahre ist es her, dass die fünf Sterne ihr letztes Album veröffentlicht haben. Es heißt Neo.Now, hat noch den Klang des vergangenen Jahrtausends, ist ein Relikt – und längst Kult und Kulturgut. Darauf kann man Songs wie „Die Leude“oder „Dreh auf den Scheiß“entdecken, bei denen jeder mit Kennerblick auch heute noch mitnickt.
Nach dem Release von Neo.Now aber begab sich Das Bo auf Solopfade und verirrte sich in die Jury von Castingshows und Tobi Tobsen wandelte als ein Teil von Moonbootica auf Elektro-Festivals umher. Plötzlich allerdings, 2017, legten das Bo und Co. mit einer neuen Platte nach. Die hört auf den Namen „Flash“und fiel bei Kritikern durch. Die Reime lieblos, die Melodien zu ähnlich, insgesamt aus der Zeit gefallen. Da zeige sich keine Entwicklung in beinahe zwei Jahrzehnten Bandpause. Von Farid Bang bis Marteria gebe es da längst versiertere Rap-Kollegen. Und es stimmt auch: Songs wie „Champagneros“klingen mehr nach Ballermann-Rap als nach selbstironischem Party-Hip-Hop. „Ja, die Korken, die knallen, und wir torkeln und lallen, wir sind zu laut – ihr seid wie ‘n Walkman in Hallen.“
Das Bo hechelt auf der Bühne im Zelt wie ein dehydrierter Hund. „Ich bin auch zu lazy“, so sein Befund zu dem erschöpften Applaus. Und darum wolle er jetzt gern, nach drei Songs, wieder abgehen. „Es ist so heiß hier drin, ich bekomm keine Luft hier drin“, trällert er – und hat recht, die Luft im Zelt ist innerhalb von zehn Minuten hitzeschwer. Jedem tropft der Schweiß von der Stirn. Aber dann, nach kurzer Verschnaufpause, machen die Sterne doch weiter, the show must go on: „Ich lecke lecke Eis, schwitz’ wie’n Schwein – Und das ist fein, weisst’ wie ich mein’?“Allerdings, so richtig flasht das nicht, der Flow kommt nicht auf. Nach wirklich jedem Song Schweißabwischen und Atempause – so wird aus dem Abend im Zelt keine gute Fünf-Sterne-Deluxe-Sause, auch wenn eine „Sauce aus Sound“die Massen „mariniert“.
Die Sterne sind sichtbar ergraut. Nicht nur im Zelt, sondern schon bei den Aufnahmen des aktuellen Albums hätte man sich gewünscht, die Herren hätten sich mit dem ein oder anderen Vitamindrink zu mehr Dynamik verholfen. „Ich und Tobi sind derbe Hänger, ich und Bo bringen derbe Dinger, Topqualität auf hohem Niveau – this is how the story goes“, sprechsingen sie und man muss ihnen leider zustimmen: Im Augenblick scheint das Geschichte zu sein. Aber am Anfang, da war der DJ und der Sound und Party-Punch-Lines wie „Türlich türlich, sicher Dicker, Türlich türlich, Seid Ihr Da?“, die längst deutsche Musikgeschichte sind.