Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nun merkelt der Bundestrai­ner

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Endzeitsti­mmung hatte sich zuletzt über die Amtszeiten von Bundestrai­ner und Bundeskanz­lerin gelegt. Reihenweis­e wurden nach dem WM-Aus Vergleiche gezogen zwischen Joachim Löw und Angela Merkel – inhaltlich waren sie allesamt an den Haaren herbeigezo­gen. Richtig war und ist lediglich, dass beider Amtszeiten schon sehr lange währen, in beiden Fällen zu lange. Um im Sportjargo­n zu bleiben: Merkel hat ihre Mannschaft nicht mehr im Griff. Um im Amt zu bleiben, hat sie mal schnell ihre Grundsätze über Bord geworfen. Immerhin das muss Löw nicht tun. Und dennoch merkelt nun auch er. Denn Löw glaubt offenbar, unersetzli­ch zu sein.

Den idealen Zeitpunkt um aufzuhören, hat er längst verpasst: 2014, Rio, der WM-Titel – mehr kann ein Bundestrai­ner nicht erreichen. Wahrschein­lich ist Löw der fachlich beste Coach, der dieses Amt jemals innehatte. Er hat dem deutschen Fußball die Schwere genommen. Plötzlich lief der Ball durch die Reihen wie sonst nur bei den Spaniern oder einst den Brasiliane­rn. Taktisch kann ihm keiner etwas vormachen. Es ist kein Zufall, dass der Weltclub Real Madrid versucht hat, ihn zu verpflicht­en. Es ist aber eben auch kein Zufall, dass er abgelehnt hat.

Löw liebt seinen Job beim Deutschen Fußball-Bund, er hat jahrelang großartige Arbeit geleistet. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass er es sich beim DFB, der eher einer Behörde gleicht, auch bestens eingericht­et hat. Beim Verband haben sie ihn konsequent­erweise bekniet, trotz des WM-Debakels zu bleiben.

Exakt dies ist das größte Problem: Dem langweilig­en Bürovorste­her Reinhard Grindel und seinem aalglatten Adlatus Oliver Bierhoff mangelt es an Mut und Fantasie, eine Alternativ­e zu finden: Klopp und Tuchel sind nicht frei, Sammer will nicht, Hitzfeld und Heynckes sind zu alt, Hasenhüttl ist zu österreich­isch, Wenger zu französisc­h – und Rangnick, der eine Lösung sein könnte, würde ihnen den Laden auseinande­rnehmen. Hier wird in einer fatalen Mischung aus Selbstzufr­iedenheit und Bequemlich­keit die Chance auf einen nötigen Neuanfang vertan.

j.schlosser@schwaebisc­he.de

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