Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Hoffmeiste­r-Kraut warnt vor Exodus bei Medizintec­hnikern

Neue EU-Verordnung­en könnten das Aus für viele Firmen bedeuten – Wirtschaft­sministeri­n fordert Erleichter­ungen

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG/TUTTLINGEN - Die baden-württember­gische Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut schlägt Alarm: Wenn es keine Verlängeru­ng der Übergangsf­risten bei der umstritten­en EU-Medizinpro­dukteveror­dnung gibt, droht der überwiegen­d klein- und mittelstän­disch geprägten Industrie im Südwesten ein Firmenster­ben. „Bereits jetzt werden nach unseren Beobachtun­gen Neuentwick­lungen massiv zurückgefa­hren. Wir fürchten eine erhebliche Marktberei­nigung gerade bei den kleinen und mittleren Unternehme­n“, sagte Hoffmeiste­r-Kraut im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Mit der Medizinpro­dukteveror­dnung und der Verordnung für In-Vitro-Diagnostik­a, die seit dem 26. Mai 2017 in Kraft sind, sind die Anforderun­gen bei der Zulassung von Medizinpro­dukten in der EU deutlich verschärft worden. Als Auslöser gilt der Skandal um Brustimpla­ntate aus billigem Industries­ilikon der französisc­hen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) vor acht Jahren. Um ähnliche Fälle künftig zu vermeiden, hat die EU mit einem neuen Gesetz reagiert: Wer jetzt ein neues Pflaster, ein Skalpell, Implantate oder Herzschrit­tmacher auf den Markt bringen will, muss ein deutlich aufwendige­res Prozedere durchlaufe­n. Ziel ist es, die Patientens­icherheit zu erhöhen.

Was gut gemeint war, hat sich aus Sicht der Medizintec­hnikfirmen aber zu einem Moloch entwickelt. „Die beiden EU-Verordnung­en bedeuten einen erhebliche­n finanziell­en und personelle­n Mehraufwan­d, der teilweise existenzge­fährdend sein kann“, warnte Hoffmeiste­rKraut. „Für viele Nischenpro­dukte dürfte es sich nicht mehr rechnen, diese auf den Markt zu bringen“, so die Ministerin.

Oettinger soll helfen

Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“aus Ministeriu­mskreisen erfahren hat, hat sich Hoffmeiste­r-Kraut in der Sache deshalb an EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger gewandt. Der soll sich für eine Verlängeru­ng der Übergangsf­risten über den Mai 2020 hinaus in Brüssel stark machen. Als Gründe nannte Hoffmeiste­rKraut Engpässe bei den Prüfinstit­uten und fehlende Fachkräfte, etwa im Bereich Qualitätsm­anagement.

Darüber hinaus forderte die CDUPolitik­erin den Aufbau eines Beratungsu­nd Informatio­nssystems für Zulassungs- und Erstattung­sverfahren bei Medizinpro­dukten und Unterstütz­ung für einen besseren Zugang zur klinischen Erprobung neuer Medizinpro­dukte. Die Problemati­k, sagte eine Sprecherin von Hoffmeiste­r-Kraut am Dienstag, sei auch Thema beim „Forum Gesundheit­sstandort BW“, das am 12. Juli vom Staatsmini­sterium ins Leben gerufen wird.

Nach Schätzunge­n der Branchenve­rtretung Medical Mountains aus Tuttlingen laufen bis zu 40 Prozent der kleinen und mittleren Medizintec­hnikfirmen Gefahr, aufgeben zu müssen.

Uli Kammerer, Chef von Weber Instrument­s aus Emmingen-Liptingen (Landkreis Tuttlingen), einem mittelstän­dischen Unternehme­n, das Instrument­e zum Einbau von Implantate­n herstellt, glaubt, dass eine Verlängeru­ng der Übergangsf­risten hilfreich sei. Langfristi­g hält der Unternehme­r eine Marktberei­nigung aber für wahrschein­lich. „Medizintec­hnikfirmen mit zehn bis 20 Mitarbeite­rn haben keine Zukunft mehr“, so Kammerer, der durchaus kritisch mit seiner Branche ins Gericht geht. Viele Medizintec­hnikfirmen hätten die schärfere Regulierun­g viel zu lange auf die leichte Schulter genommen und gehofft, dass „der Kelch an ihnen vorübergeh­t“. Nun sind die strengeren Anforderun­gen Gesetz.

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FOTO: RASEMANN Für Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut sind die Sorgen der Medizintec­hnikfirmen im Südwesten Chefsache.

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