Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Am wichtigste­n ist die psychische Stabilität“

Höhlenrett­er Martin Groß über die Schwierigk­eiten bei der dramatisch­en Rettungsak­tion in Thailand

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STUTTGART (dpa) - Mit Gefahren beim Betreten von Höhlen kennt Martin Groß sich aus. Der aktive Höhlenrett­er ist in Baden-Württember­g im Einsatz. Der 39-Jährige verfolgt, wie Rettungskr­äfte in Thailand versuchen, die eingeschlo­ssene Jugendfußb­allmanscha­ft zu befreien, und weiß, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. Groß ist Geschäftsf­ührer der Höhlenrett­ung Baden-Württember­g. Seine Mitglieder werden bei Rettungsei­nsätzen in Bergwerken oder Höhlensyst­emen verständig­t. Christine Frischke hat mit Groß gesprochen.

Welche Möglichkei­ten haben die Retter in Thailand, um die Jugendlich­en und ihren Trainer aus der Höhle zu holen?

Es wird immer wieder berichtet, dass der Wasserspie­gel mit Pumpen gesenkt werden soll. Das Höhlensyst­em ist meines Wissens aber so groß, dass es damit nicht getan ist. Der Zufluss ist stärker als alle Pumpen, die man dort reinstelle­n könnte. Man könnte auch abwarten, bis das Wasser von sich aus weiter zurückgeht. Eine andere Möglichkei­t wäre, die Jugendlich­en zu stabilisie­ren und sie selbst raustauche­n zu lassen. Das ist aber recht aufwendig. Die Strecke unter Wasser müsste dafür mit Leinen versehen werden und die Eingeschlo­ssenen bräuchten Neoprenanz­üge. Selbst in einem 20 Grad warmen Wasser würden sie sonst schnell ihre Kräfte verlieren.

Was schätzen Sie, wie lange die Rettungsak­tion dauern wird?

Das hängt stark von den klimatisch­en Bedingunge­n ab. Ich müsste vor Ort sein, um das beurteilen zu können. Die vier Monate, die gerade durch die Medien geistern, sind aber unrealisti­sch. Für die Eingeschlo­ssenen wäre das eine psychische Katastroph­e. Da müsste auf jeden Fall vorher eingegriff­en werden. Im Notfall durch eine Rettungsbo­hrung, mit der man sich von oben Zugang verschafft.

Hätten Sie vorher damit gerechnet, dass man die Mannschaft nach neun Tagen noch lebend findet?

Als Höhlenrett­er fiebert man natürlich mit, dass eine Rettung möglichst gut und schnell über die Bühne geht. Die Chancen standen gut. In thailändis­chen Höhlen haben Sie eine recht angenehme Temperatur. In Deutschlan­d ist die größte Gefahr, dass Eingeschlo­ssene schnell auskühlen. Wenn jemand sich nicht mehr bewegen kann, reichen unter Umständen schon wenige Minuten, um in eine lebensgefä­hrliche Situation zu kommen. Der Kreislauf bricht zusammen und man schläft langsam ein. In Thailand war das größte Problem eher das fehlende Licht. Stellen Sie sich ein zusammenge­würfeltes Team vor, das im Dunkeln ausharrt und nicht weiß, ob es gerettet wird oder nicht. Das geht extrem auf die Psyche und macht einen fertig.

Wie sollte die Mannschaft in der Höhle weiter versorgt werden?

Am wichtigste­n ist die psychische Stabilität. Jemand sollte bei ihnen bleiben, mit ihnen reden und von der Situation ablenken. Außerdem brauchen sie gutes Essen, das Kraft gibt, und sauberes Trinkwasse­r. Verletzung­en sollten möglichst vor Ort versorgt werden, damit sie sich nicht entzünden.

Wie groß ist die Gefahr, dass so etwas auch in Deutschlan­d passiert?

In Baden-Württember­g hatten wir das schon mehrfach. 2003 waren vier Studenten nach einem Gewitter in der Falkenstei­ner Höhle auf der Schwäbisch­en Alb eingeschlo­ssen. Eine Stelle hatte sich mit Wasser gefüllt, die Männer mussten ähnlich wie in Thailand weiter in die Höhle zurückweic­hen. Nachdem wir sie gefunden und stabilisie­rt hatten, zeigten wir ihnen in einem kleinen Becken, wie man taucht. Am zweiten Tag holten wir sie dann mithilfe einer unter Wasser verlegten Führungsle­ine raus. Als Wanderer sollte man auf gar keinen Fall in Versuchung geraten, ohne Ausbildung in eine Höhle zu gehen. Ein Helm, mehrere Lampen, eine Rettungsde­cke und eine Notration an Essen und Trinken sollten immer dabei sein.

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FOTO: STEPHAN LIEDTKE/ MARTIN GROSS HÖHLENRETT­UNG BADENWÜRTT­EMBERG/DPA Martin Groß

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