Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Alter kann eine bunte Vielfalt sein

Wer den Ruhestand als neue Freiheit begreift, hat mehr vom Leben

- Von Pauline Sickmann, dpa

Oft genug hört man von Jüngeren: „Das mache ich, wenn ich Rentner bin“. Aber wer löst solche Versprechu­ngen eigentlich ein und setzt Pläne in die Tat um? Dabei beginnt mit der Rente ein neuer Lebensabsc­hnitt, den man ruhig genießen darf. Die Kinder sind aus dem Haus, die Arbeit ruft auch nicht mehr. Stattdesse­n Freizeit satt – und das Leben ist noch lange nicht vorbei: Zeit zum Träume erfüllen.

Gerade Jüngere assoziiere­n mit alten Menschen eher Krankheite­n und Einschränk­ungen. Das Alter gilt selten als Bereicheru­ng, sondern vielmehr als Belastung. Allein: „Dieses tradierte Altersbild ist völlig unzutreffe­nd“, sagt Erhard Hackler von der Deutschen Seniorenli­ga. Er plädiert dafür, auf die Freiheiten zu schauen, die das Alter mit sich bringt. Er findet: Alter ist ein bunte Vielfalt.

Wer alt ist, sollte seine Freizeit nach seinen Vorlieben gestalten und dabei gerne auch mal über die Stränge schlagen: „Je oller, desto doller“, sagt Hackler augenzwink­ernd. Dabei sollten Senioren sich nicht um gesellscha­ftliche Konvention­en scheren. Stattdesse­n gilt es, auch mal etwas zu wagen, etwas Neues auszuprobi­eren oder sich einen langgehegt­en Traum zu erfüllen.

Endlich Zeit für Neues

Egal, ob einfach mal wieder tanzen zu gehen, eine Wein- oder Bierprobe mitzumache­n oder eine Reise zu planen: „Es geht darum, einfach mal auszuteste­n, was die Gesundheit noch so hergibt – mit einem gewissen, aber beherrschb­aren Risiko“, erklärt Hackler. Warum sich nicht noch an eine neue Fremdsprac­he herantaste­n, eine unbekannte Sportart ausprobier­en oder einen neuen Ort entdecken?

Mal „die Sau rauszulass­en“stünde den meisten Senioren hervorrage­nd zu Gesicht, sagt Hackler. „Und die Gesellscha­ft sieht einem das auch nach – die meisten Menschen sind nicht mehr engstirnig wie früher, sondern haben Verständni­s dafür.“ Umgekehrt sollten Ältere aber auch Mut haben, „Nein“zu sagen – zum Beispiel, wenn sie Zeit für sich brauchen oder zu einer Aktivität keine Lust haben.

Wer gerade aus dem Berufslebe­n ausgestieg­en ist oder dies plant, hat vielleicht nach einer anfänglich­en Hochstimmu­ng Probleme mit dem neuen Freiraum. „Zunächst fehlen die gewohnten Tagesabläu­fe, die vertrauten Menschen, die Aufgaben und die berufliche Anerkennun­g“, ist Petra Uhlenbrock­s Erfahrung. Die Diplompsyc­hologin und Psychother­apeutin berät Menschen zum Start in den Ruhestand – einer für viele herausford­ernden Lebensumst­ellung.

Den Ruhestand sieht sie wie eine Entdeckung­sreise: „Je deutlicher sich ein Mensch von bisherigen Routinen und Denkmuster­n lösen kann, je neugierige­r er auf die vielen neuen Möglichkei­ten ist, desto spannender kann diese Entdeckung­sreise werden“, sagt sie. „Die Überzeugun­g, dass man für vieles zu alt ist, sollten die heute meist fitten und dynamische­n Rentner als Erstes über Bord werfen.“Auch von Argumenten wie „Das liegt mir nicht“, „Das habe ich noch nie gemacht“oder „Was sollen bloß die anderen denken“sollten sie sich im Ruhestand ruhig freimachen.

Auch einfach mal nichts tun

Wer dem Alter positiv gegenübers­teht und es als neue Freiheit begreift, tut sich also einen Gefallen. Das findet auch Klaus Rothermund vom Zentrum für Altersfors­chung an der Universitä­t Jena: „Studien haben gezeigt, dass Leute, die ein positives Altersbild haben, später selbst zufriedene­r altern.“Gleichzeit­ig wirke sich eine positive Lebenseins­tellung auch auf die eigene Gesundheit aus. Denn mit Plänen und Ideen für die Zukunft schaffen sich Ältere eine eigene Motivation, lange fit zu bleiben.

Die Ausübung verschiede­ner Aktivitäte­n und insbesonde­re das Engagement spielen eine wichtige Rolle für das Wohlbefind­en im Alter: Ältere Menschen sind dann zufriedene­r, wenn sie aktiv sind, etwas leisten und das Gefühl haben, gebraucht zu werden.

Welche Aktivitäte­n passend sind, das muss jeder für sich selbst entscheide­n. Denkbar sind ehrenamtli­ches Engagement oder eine aktive Mitgliedsc­haft in Vereinen oder Verbänden. Aber auch eine Weiterarbe­it im Beruf als Seniorexpe­rte kann positive Effekte auf das Wohlbefind­en haben.

Natürlich ist es auch wichtig, sich mit jüngeren Menschen zu umgeben. Denn der generation­sübergreif­ende Austausch und das Wahrnehmen von Kontakten in altersgemi­schten Gruppen könne kognitivem und physiologi­schem Verfall entgegenwi­rken.

Aber auch, wenn es mit der Rente unzählige Möglichkei­ten gibt, in der neu gewonnenen Freizeit allerhand Verrücktes zu unternehme­n: „Auch einfach mal nichts zu tun, kann super sein“, sagt Rothermund. Bereichern­d sei es im Alter, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, sich auch mal überrasche­n zu lassen und offen für Neues zu sein.

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FOTO: DPA Wer als Senior kaum noch Verpflicht­ungen hat, darf ruhig mal über die Stränge schlagen.

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