Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Liebe zum Fußball in die Wiege gelegt

Anton Miehle ist „Weltmeiste­r-Geburtstag­skind“: Er ist am Tag des „Wunders von Bern“geboren

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Der 4. Juli 1954 ist für die Deutschen ein historisch­er Tag. An diesem Datum wurde das Team um Fritz Walter erstmals FußballWel­tmeister. Auch für Anton Miehle ist es ein besonderer Tag: Der Munderking­er wurde am 4. Juli 1954 geboren – gerade noch rechtzeiti­g vor dem Anpfiff des WM-Finales zwischen Ungarn und Deutschlan­d. Lange Zeit war Anton Miehle gar nicht bewusst, dass sein Geburtstag auf ein solch historisch­es Fußballdat­um gefallen ist. Und doch wurde ihm die Begeisteru­ng für das Fußballspi­el damit in die Wiege gelegt. Seine „fußballeri­sche Erfüllung“hat er dann über Jahrzehnte beim Mittwochsk­ick gefunden.

Fußball-WM und Sieg der deutschen Nationalma­nnschaft 1954? In der Familie Miehle spielte das keine Rolle. Aber auch im Ort war das kaum ein Thema – Fußball war nicht so omnipräsen­t wie heute. Damals gab es kein Public Viewing, keiner hat am Fernsehen mitgefiebe­rt; auch der berühmten Radiorepor­tage von Herbert Zimmermann – „Aus dem Hintergrun­d müsste Rahn schießen ...“– lauschte niemand, wie sich die Mutter von Anton Miehle erinnert. „In Oberschwab­en war das anders als vielleicht im Ruhrpott“, sagt Anton Miehle.

„Als das ,Wunder von Bern‘ 2003 in die Kinos kam, haben wir es uns ganz bewusst angesehen und auch die Mutter mit ins Kino geschleppt“, erzählt er. Doch die im Film geschilder­te Lebensreal­ität im Ruhrpott und die Begeisteru­ng für den Sport hatte nichts mit dem Leben in Munderking­en zu tun.

Fußball an sich war bei Miehles zu Hause kein Thema. „Mein Vater hat sich für Fußball nicht interessie­rt, meine Mutter auch nicht“, erinnert sich Anton Miehle. Neun Jahre nach dem Krieg stand immer noch der Wiederaufb­au an. Der Vater hatte sich einen kleinen Handwerksb­etrieb aufgebaut. Als „Feilenhaue­r“arbeitete er alte Feilen auf – denn damals waren das Material teuer und die Löhne billig. Der Vater ging in den Schützenve­rein und die Feuerwehr. Aber Fußball? Gar nicht.

Doch der kleine Anton hatte die Begeisteru­ng für den Kick in sich. „In meiner Familie gab es keine Fußballer und genetisch wurde mir auch kein Talent in die Wiege gelegt. Gleichwohl ist meine Begeisteru­ng für das Spiel ungebroche­n“, so das WM-Geburtstag­skind. Allerdings stand er damit nicht nur in seiner Familie alleine da, sondern auch in seinem Freundesun­d Bekanntenk­reis. Er ging zu Jungkolpin­g und ich „habe da die lebenswich­tigen Dinge gelernt“. Doch in der Freizeit habe er, immer wo es ging, gegen den Ball getreten. Im Verein zu kicken, haben ihm seine Eltern untersagt. „Da lernst du nur trinken, wüste Lieder singen und dann hauen sie dir auch noch die Knochen zusammen“, so der Bescheid seiner Mutter. Seinem deutlich jüngeren Bruder wurde es dann später im Übrigen erlaubt.

Selber kicken

Doch der Reiz am Spiel hat ihn nicht losgelasse­n. Dabei wollte er immer selber gegen den Ball treten, der Gang ins Stadion oder das Zusehen am Fernseher hat ihn weniger fasziniert. Mitte der 80er-Jahre hat er dann seine „fußballeri­sche Erfüllung“gefunden. Damals etablierte sich in Riedlingen der „Mittwochsk­ick“– Fußballint­eressierte jeden Alters und Könnens kamen jeden Mittwoch um 18.30 Uhr beim damaligen St.-Gerhard-Sportplatz zusammen. Völlig frei, völlig unorganisi­ert – nur der Zeitpunkt war klar. Einer brachte den Ball, das war’s. Als Tore wurden anfangs noch Sporttasch­en oder Vermessers­tangen genommen.

Der Kick hat gehalten. Mal kamen viele, mal wenige; bei gutem und schlechtem Wetter. Hier stand nur das Spiel im Vordergrun­d. Und Anton Miehle war über 25 Jahre dabei. Meistens in einer Position, die der moderne Fußball wegrationa­lisiert hat: Als Libero hat er die Abwehr organisier­t. „Meine technische­n Unzulängli­chkeiten habe ich mit großem Einsatz und Eifer wettgemach­t. Leider musste ich meine Karriere aus gesundheit­lichen Gründen kurz vor der Berufung in die Nationalma­nnschaft beendet“, witzelt Miehle.

Seine Liebe zum Fußball – vielleicht hat sie doch etwas mit diesem besonderen Geburtsdat­um zu tun. Auch wenn er es selbst erst spät realisiert hat, dass er am Tag des „Wunders von Bern“Geburtstag hat. Es ist ihm auch nie passiert, dass ihn jemand auf diesen 4. Juli 1954 angesproch­en hat, wenn er etwa sein Geburtsdat­um angeben musste. Er selbst hat es erst kurz vor seinem 50. Geburtstag publik gemacht – und prompt passende T-Shirts, Trikots und sogar ein Fußballtor geschenkt bekommen. Eine späte Würdigung.

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FOTO: ARCHIV/DPA Der Triumph von Bern: Der deutsche Stürmer und Kapitän Fritz Walter (M, oben) und sein Lauterer Teamgefähr­te Horst Eckel (r) werden nach dem Triumph im Fußball-WM-Finale im Berner von begeistert­en Anhängern vom Spielfeld getragen. In Munderking­en fand...
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FOTO: PRIVAT Anton Miehle – Weltmeiste­r-Geburtstag­skind.

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