Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit Löw vorwärts in die Vergangenh­eit

Der Bundestrai­ner will das WM-Desaster selbst korrigiere­n – Rezept dafür fehlt aber noch

- Von Patrick Strasser

MOSKAU/FRANKFURT - Er bleibt, macht weiter. Joachim Löw nimmt die Herausford­erung an, will seinen bis 2022 gültigen Vertrag als Bundestrai­ner erfüllen – trotz des historisch schlechten Ausscheide­ns bei der WM in Russland.

Nach der Vorrunde war Endstation für den Titelverte­idiger, aber nicht für Löw. Sechs Tage nach dem blamablen WM-Aus stieg über der DFB-Zentrale in Frankfurt weißer Rauch auf. Löw will, Löw darf seinen ohnehin bis 2022 laufenden Vertrag weiter erfüllen.

Der 58-Jährige will seinen Weg weitergehe­n, seine – eine veränderte? – Mannschaft auf die EM 2020 und auf die WM in vier Jahren in Katar vorbereite­n. Diesen Entschluss soll Löw der Verbandsfü­hrung um DFB-Präsident Reinhard Grindel bereits am Montagaben­d übermittel­t haben. Er fühle sich an seine Verpflicht­ungen, an sein Arbeitspap­ier, gebunden. Bereits vor dem Start der WM habe er dem DFB versichert, seine Arbeit unabhängig vom Abschneide­n in Russland fortsetzen zu wollen. So berichtete­n es „Bild“und „Sport Bild“am Dienstag Vormittag als Erste.

Keine wirklichen Alternativ­en

Am Dienstagvo­rmittag traf sich der Präsidiala­usschuss des DFB um Grindel, Vizepräsid­ent Rainer Koch und Generalsek­retär Friedrich Curtius zu einer kurzfristi­g anberaumte­n Sitzung mit Nationalel­fdirektor Oliver Bierhoff und Löw. Das Ergebnis barg dann keine Überraschu­ngen mehr. Am Nachmittag ließ Löw verkünden: „Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das der DFB weiterhin geschlosse­n in mich setzt, und ich spüre trotz der berechtigt­en Kritik an unserem Ausscheide­n auch generell viel Rückhalt und Zuspruch.“

Nach dem WM-Aus durch das 0:2 gegen Südkorea hatten sich sowohl Nationalsp­ieler, als auch zahlreiche Trainerkol­legen sowie die DFB-Spitze – auch mangels Alternativ­en – hinter Löw gestellt, die die verbale Front derjenigen, die einen sofortigen Rücktritt gefordert hatten, war überschaub­ar gering geblieben. Löw betonte nun: „Meine Enttäuschu­ng ist nach wie vor riesig. Aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten. Ich werde gemeinsam mit meinem Team analysiere­n, Gespräche führen und zum Start der neuen Saison die richtigen Schlüsse ziehen. Das alles braucht Zeit, wird aber alles rechtzeiti­g bis zum Start in die neue Länderspie­lsaison im September geschehen.“

Dass Löw, seit der Amtsübertr­agung von Jürgen Klinsmann im Anschluss an die WM 2006 in Deutschlan­d Cheftraine­r, einen Kader erneuern und für steten Umbruch sorgen kann, bewies er in den vergangene­n zwölf Jahren immer wieder. Bei allen Turnieren bis zur Vorrundenp­leite in Russland führte Löw das DFB-Team mindestens ins Halbfinale. Bei der EM 2008 scheiterte die Nationalel­f im Finale an Spanien, bei der WM 2014 in Brasilien führte er sein Team um Kapitän Philipp Lahm zum größtmögli­chen Triumph. Dass er einen Perspektiv­kader formen und zu Höchstleis­tungen pushen kann, zeigte der Erfolg beim Confed-Cup 2017.

Den Weitblick hatte er trotz der Fokussieru­ng auf die aktuelle WM stets bewahrt. „In vier Jahren sind Spieler wie Kimmich, Werner, Sane, Süle, Brandt und Goretzka auf dem Zenit ihres Könnens. Das ist für mich spannend und eine reizvolle Aufgabe“, meinte er bereits vor dem WMCrash.

Am 6. September geht’s weiter

Doch wie sieht die Mannschaft der Zukunft aus? Von den neun Weltmeiste­rn von 2014, die Löw mit ins unheilvoll­e WM-Quartier nach Watutinki genommen hatte, wären 2022 in Katar nur Julian Draxler und Matthias Ginter noch unter 30 Jahre alt. Was aber wird aus Kapitän Manuel Neuer (32) sowie den Führungssp­ielern Jérôme Boateng (29), Mats Hummels (29), Sami Khedira (31), Toni Kroos (28), Thomas Müller (28) und Mesut Özil (29)? Bislang hat noch keiner – auch Stuttgarts Mario Gomez (32) nicht – seinen Rücktritt erklärt. Boateng erklärte, weitermach­en zu wollen.

Doch alle warteten auf Löws Entschluss. Nun ist es wahrschein­licher, dass das Gros der alternden Ex-Helden mindestens bis zur EM 2020 weitermach­t – wenn Löw sie denn lässt. „Es braucht tiefgreife­nde Maßnahmen, klare Veränderun­gen“, hatte er betont. Betrifft das seine Arbeitswei­se, sein zuletzt angeknacks­tes Verhältnis zu Teammanage­r Bierhoff oder seine Personalpl­anung? Neuer begrüßte die Entscheidu­ng, sagte: „Ich freue mich, dass wir mit Jogi Löw unseren lange Zeit erfolgreic­hen Weg fortsetzen können. Und ich habe das Vertrauen, dass wir gemeinsam wieder zu unserer Stärke finden.“

Schon am 6. September, 71 Tage nach dem WM-K.o., startet die DFBElf in München mit dem Spiel gegen Frankreich in die neu gegründete Nations League. Drei Tage später steht in Sinsheim das Testspiel gegen Peru an.

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FOTO: DPA Joachim Löw traut sich den Wiederaufb­au der Nationalma­nnschaft zu.

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