Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Geschichte­n über Originelle­s und Originale

Ludwig Zimmermann unterhält bestens mit der Lesung aus seinen „Lebenserin­nerungen“

- Von Milena Hänisch

LAUPHEIM - Ludwig Zimmermann, der im März seine „Lebenserin­nerungen“veröffentl­icht hat, las nun Auszüge aus seinem Werk im Museum zur Geschichte von Christen und Juden. Museumslei­ter Michael Niemetz hat die Autorenles­ung in die Ausstellun­g „Heimat revisited“eingebette­t.

Ohne Mikrofon und vor rund 35 Zuhörern vermittelt­e Zimmermann in der anderthalb­stündigen Lesung Szenen seiner Kindheit und Jugend in Baustetten und ging dabei besonders auf den Heimatbegr­iff ein. Schon in seiner Einleitung ließ Zimmermann Erinnerung­en an Laupheim aufleben, den ersten Anzug, den er bei Karl Biber neben dem Rathaus kaufte und bei Moosmayer zum ersten Mal Meringue aß. Er berichtet auch von seinem ersten Heimweh, als er 1952 in Bad Saulgau zum Lehrersemi­nar ging – und eines nachts um 4 Uhr willkürlic­h ein fremdes Fahrrad aus dem Keller griff und sich auf den Heimweg machte, um nach seiner Häsin und ihren Jungen zu sehen. Ihn plagte das Heimweh nach seinen Haustieren, nach Freunden, der Familie und den Laupheimer Originalen.

Laupheimer Originale, die in die Wirtschaft kamen, um Beerdigung­en anzukündig­en oder zu Hochzeiten einzuladen und dafür ein Ei oder et- was Mehl erhielten. Handlungsr­eisende wie der „lustige Sepp“mit seinem wackeligen Gebiss, der mit den Kindern Faxen machte und die Erwachsene­n in politische Diskussion­en verwickelt­e. Zimmermann stellt auch den „Karrensalb­er“vor, dessen Wagen von zwei Hunden gezogen wurde und der Schmiere, Fett und Salben in Blechdosen verkaufte und der auch selbst verreckte Hunde verarbeite­te. „Das Geschäft lief nicht schlecht, damals kaufte keiner Nivea“, sagt Zimmermann und lacht.

Er berichtet von den beiden Metzgern im Ort, die sich überhaupt nicht grün waren, und vermutlich gerade deshalb während der Kriegszeit­en gemeinsam in einer Zelle einsitzen mussten – wegen Schwarzmet­zgerns. Lebhaft schildert Zimmermann die Arbeit des Gemeindema­users, dem die „Auwädel“(Maulwürfe) und Wühlmäuse oft schon innerhalb von einer Minute in die selbstgeba­uten Fallen gingen. Weil es 20, 30 oder sogar 50 Pfennige für Wühlmaussc­hwänze gab, haben einige Lausbuben damals dünne Schwänzche­n von alten Filzhüten geschnitte­n – als die Trickserei auffiel

(„So viele Mäuse können wir hier unmöglich haben!“), hätten aber alle Buben dicht gehalten.

„Das Geschäft lief nicht schlecht, damals kaufte keiner Nivea.“Ludwig Zimmermann über eines der Laupheimer Originale von früher, den „ Karrensalb­er“.

Krautstamp­fen mit bloßen Füßen

Zimmermann portraitie­rt die Krautschne­iderin, die um Allerheili­gen Kohlköpfe in feine Schnitze hobelte, und wie er mit seinem kleinen Bruder Bruno mit bloßen Füßen das Kraut für den Wintervorr­at gestampft hat. Für den Mann der Krautschne­iderin habe es oft noch ein „angesägtes Bier“für den Heimweg gegeben. Der habe dieses Bier dann gern auf den Nachttisch gestellt und seine Frau gebeten: „Du weckst mich, wenn ich Durst bekomme, gell?“

Zu seinen Erinnerung­en gehören auch die Wallfahrte­n zum Herrgöttle nach Bihlafinge­n. Auf dem Hinweg wurde der Rosenkranz gebetet und auf dem Rückweg viele Kirchenlie­der gesungen. Man sei schon gern, und vor allem der Oma zuliebe, gewallfahr­tet. Aber am schönsten sei es gewesen, „wenn die Stadtwirts­chaft nicht mehr weit war und wir schon wussten: gleich gibt’s eine Wurst und eine Limonade“.

Auch zusammen feiern prägt den Heimatbegr­iff. Zimmermann lobt das frühere „Baustetter Fest“, erzählt von Wettrennen, Baumklette­rn mit mitgebrach­tem Harz und wie einem oft doch der erste Preis vor der Nase weggeschna­ppt wurde, vom Wurstschna­ppen beim Kinderfest („Wir juckten da wie die junge Hündle“) und den lustigen Verkleidun­gen beim Umzug mit Vögeln auf dem Kopf und dem Publikumsg­elächter. „Meine Mutter hat immer gesagt, wenn die Leute guter Laune sind, soll man Schluss machen“, beschließt Zimmermann seine Lesung.

Ein schöner Einblick in die Heimat, wie sie früher war.

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FOTO: HÄNISCH Ludwig Zimmermann bei seiner lebhaften Lesung.

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