Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Man muss ein Privatlebe­n führen dürfen“

Alexandra Scherer über ihre letzten Tage in Erlenmoos und warum Bürgermeis­terinnen eine Seltenheit sind

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Alexandra Scherer: Warum Bürgermeis­terinnen eine Seltenheit sind.

ERLENMOOS - Noch einmal zum Bauhof fahren, noch einmal eine Gemeindera­tssitzung leiten, noch einmal ein Bürgergesp­räch führen – vieles tut Bürgermeis­terin Alexandra Scherer in diesen Tagen zum letzten Mal in Erlenmoos. Denn am Montag, 16. Juli, übernimmt die 47-Jährige den Bürgermeis­terposten in Bad Wurzach. Im Interview mit Daniel Häfele erzählt die zweifache Mutter, warum ihr der Abschied trotz allem schwer fällt, weshalb sie es vielleicht nicht jedem recht machen konnte – und was es heißt, das Oberhaupt einer Gemeinde zu sein.

Seit Ende April steht fest: Sie werden neue Bürgermeis­terin von Bad Wurzach. Wie haben Sie die vergangene­n Monate erlebt? Beziehungs­weise hat Sie Ihre Familie überhaupt noch zu Gesicht bekommen?

Die vergangene­n Wochen waren tatsächlic­h mit viel Arbeit verbunden, worüber ich mich aber gefreut habe. Denn mit meiner Kandidatur in Bad Wurzach habe ich mich bewusst für diesen Weg entschiede­n. Es ist schön, mich schon im Vorfeld meines offizielle­n Amtsantrit­ts in die Arbeit dort einbringen zu dürfen. Gleichzeit­ig wollte ich in Erlenmoos wichtige Projekte zu Ende bringen oder zumindest übergabere­if machen. Es war eine spannende Zeit.

Welche konkreten Projekte konnten Sie in den zweieinhal­b Monaten noch abschließe­n?

Gemeinsam mit meinen Mitarbeite­rn und dem Gemeindera­t habe ich den Bauantrag für den Kindergart­enanbau auf den Weg gebracht, der Feuerwehrb­edarfsplan ist nach langer Vorlaufzei­t beschlosse­n und der Breitbanda­usbau in Oberstette­n ist angelaufen. Leider ist es mir aufgrund einer Erkrankung eines Beteiligte­n nicht mehr gelungen, den Abbauantra­g für die gemeindeei­gene Kiesgrube zu stellen. Hierbei fehlt noch die formale Beschlussf­assung.

Angestoßen haben Sie auch eine mögliche Umnutzung des leer stehenden Ochsen zum Rathaus. Was kommt hierbei auf Ihren Nachfolger zu?

Das Thema „Ochsen“wurde seitens der Bürger sehr gut aufgenomme­n. Als wir vor Kurzem die Türen zu dem ehemaligen Wirtshaus öffneten, wollten Hunderte Menschen einen Blick hineinwerf­en. Nicht nur Erlenmoose­r waren unter den Gästen, auch viele aus dem Umland. Das zeigt: Mit dem Realisieru­ngskonzept für eine Umnutzung zum Rathaus haben wir den richtigen Weg eingeschla­gen. Der neue Bürgermeis­ter wird das Projekt gleich zu Beginn eng begleiten müssen.

Wie übergibt man eigentlich eine Gemeinde, ohne zu wissen, wer Nachfolger wird?

Auf meinem Schreibtis­ch steht ein schwarzes Fach mit der Aufschrift „Neuer Bürgermeis­ter“. Darin sammle ich alle verwaltung­sinternen Vorgänge, die es zu erledigen gilt. Die einzelnen Projekte habe ich auf die Mitarbeite­r verteilt, damit diese trotz der Vakanz weiterlauf­en. Und die Sitzung am 25. Juli leitet der stellvertr­etende Bürgermeis­ter Josef Dornacher.

Sie sind eine von vier Bürgermeis­terinnen im Kreis Biberach. Um ihre Nachfolge haben sich nur Männer beworben. Hätten Sie sich auch eine weibliche Kandidatin für Erlenmoos gewünscht?

Ich hätte mich schon gefreut, wenn sich auch eine Frau beworben hätte. Die Erlenmoose­r hätten sicherlich nichts dagegen gehabt.

Warum bewerben sich noch so wenige Frauen um den Bürgermeis­terposten?

70 Prozent der Absolvente­n an den Verwaltung­shochschul­en sind Frauen. Und dennoch wählen nur wenige die Laufbahn einer Bürgermeis­terin. Das hängt wohl vor allem mit der Vereinbark­eit von Beruf und Familie zusammen. Das ist übrigens nicht nur für uns Frauen ein Thema, sondern inzwischen auch für immer mehr Männer. Elternzeit als Bürgermeis­ter zu nehmen, ist in unserem Beruf nicht so selbstvers­tändlich wie in anderen Branchen. Es muss ein Umdenken stattfinde­n, auch bei den Bürgern.

Was meinen Sie damit?

Es mag vielleicht noch manchen Bürgermeis­ter geben, der 70 bis 80 Stunden pro Woche im Dienst ist. Zeitgemäß ist das aber nicht mehr – und attraktiv macht es unseren Beruf für den Nachwuchs auch nicht gerade. Viele möchten Zeit mit ihren Kindern, Partnern, Freunden und Angehörige­n verbringen, sprich ein Privatlebe­n führen dürfen. Das heißt aber im Umkehrschl­uss auch, dass man nicht bei jeder Hauptversa­mmlung oder bei jedem Fest dabei sein kann. Natürlich muss ein Bürgermeis­ter nah bei seinen Bürgern sein, um zu wissen, wie die Gemeinde tickt. Doch alles mit Maß und Ziel. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Ich mache mein Amt sehr, sehr gerne. Es ist erfüllend, eine Gemeinde aktiv mitgestalt­en zu dürfen. Ich denke, ich konnte Erlenmoos einiges geben.

Inwiefern hat Sie Ihre Arbeit in Erlenmoos erfüllt?

Ich war zuvor Ortsvorste­herin in Obersulmet­ingen. Der Aufgabenbe­reich eines Bürgermeis­ters ist nochmals deutlich vielfältig­er, auch was die Verantwort­ung angeht. Dadurch habe ich mich nicht nur in fachlicher, sondern auch in persönlich­er Hinsicht weiterentw­ickelt. Zum Beispiel habe ich gelernt, dass man nie das große Ganze beziehungs­weise das Ziel aus den Augen verlieren sollte. Jedem konnte ich es vermutlich nicht recht machen. Aber wenn die große Mehrheit mit meiner Arbeit zufrieden ist, habe ich viel erreicht.

Als Sie vor fast sechs Jahren in Ihr Amt eingesetzt wurden, rührte Sie eine Feuerwehrj­acke und ein spontaner Willkommen­schor. Sie fühlten sich von Anfang an wohl und aufgenomme­n, wie sie häufig sagten. Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?

Es ist das berühmte lachende und weinende Auge. Doch je näher der Abschied rückt, desto größer wird die Wehmut. Vieles mache ich zum letzten Mal. Besonders bewusst wurde mir dies beim St.-Georgs-Ritt, als ich an vielen mir inzwischen vertrauten Gesichtern vorbeigeri­tten bin. Gleichzeit­ig lösen all die freundlich­en Abschiedsw­orte eine tiefe Dankbarkei­t in mir aus. Ich denke, wir werden uns gegenseiti­g in guter Erinnerung behalten, und das ist gut so.

Was wünschen Sie sich für Erlenmoos und seine Teilorte?

Ich wünsche mir, dass sich die Gemeinde gut und stetig weiterentw­ickelt. Das gute Miteinande­r, welches ich mit den Bürgern, meinen Mitarbeite­rn und dem Gemeindera­t hatte, wünsche ich auch meinem Nachfolger.

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FOTO: STEFFEN LANG
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