Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie die Münsterbau­hütte Weltkultur­erbe werden will

Die Ulmer und Vertreter 16 anderer europäisch­er Städte bewerben sich gemeinsam bei der Unesco – Die Donaustadt hat eine besondere Rolle

- Von Sebastian Mayr

ULM - Die Chancen stehen gut. Da ist sich der Ulmer Münsterbau­meister Michael Hilbert sicher. Im März 2019 wollen 17 Dombauhütt­en aus Deutschlan­d, Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz in Paris ihren Antrag bei der Unesco einreichen. Im November 2020 trifft das Welterbe-Komitee seine Entscheidu­ng: Werden die Bauhütten, die Handwerksk­unst und Wissen über die bedeutende­n historisch­en Bauwerke erhalten und weitergebe­n, zum Immateriel­len Weltkultur­erbe ernannt?

Was Michael Hilbert so sicher macht, hängt mit Benjamin Hanke zusammen. Hanke ist einer von drei Beratern, die die Unesco den Bauhütten zur Seite gestellt hat. „Wir begleiten den Prozess von Beginn an“, sagt der Unesco-Vertreter. Wichtig sei dabei eine Art „Übersetzun­gsarbeit“. Das heißt: erklären, was die Vorgaben für den Antrag genau bedeuten und wie sie umgesetzt werden sollten. Derartige Berater, glaubt Hilbert, bekäme das Projekt wohl kaum, wenn die Unesco die gemeinsame Idee der europäisch­en Dombauhütt­en nicht gutheißen würden.

Jeder Teilnehmer übernimmt einen Teil der Aufgaben, die für die Bewerbung erfüllt werden müssen. Die Straßburge­r beispielsw­eise reichen den Antrag ein und leisten vorher die Übersetzun­gsarbeit. In Ulm arbeitet Filmproduz­ent Günter Merkle an einem Video, das die Bewerbung begleiten soll. Beim vierten Arbeitstre­ffen der Baumeister am Montag im Ulmer Stadthaus zeichnete er Interviews auf. „Das waren tolle Statements“, schwärmt Merkle. Der etwa zwölf Minuten lange Kurzfilm soll auch Eindrücke aus den Dom- und Münsterbau­hütten zeigen, die sich Merkle aus den Städten zuliefern lässt. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir nur bestes Material bekommen“, sagt der Produzent. Derzeit wird am Konzept gearbeitet. Beim nächsten Treffen Ende Juli in Straßburg steht das Video wieder auf der Tagesordnu­ng.

Der Film soll auch eine entscheide­nde Sequenz zeigen, die in Ulm gedreht wird. Jede Bauhütte fertigt ein steinernes Schmuckele­ment. Diese Stücke werden anschließe­nd in Ulm auf einem Sockel zusammenge­fügt. „Das soll dem Film ein Stück Gemeinscha­ft geben“, sagt der Ulmer Münsterbau­meister Michael Hilbert. Denn hinter der gemeinsame­n Bewerbung steht eine gemeinsame Idee. Peter Füssenich, Dombaumeis­ter aus Köln, beschreibt sie so: „Was uns alle eint, ist, dass wir den Blick auf die Bauhütten in Europa lenken wollen. Ohne sie, wäre der Erhalt der Bauwerke nicht möglich.“

Verbindung aus Tradition und Moderne

Für diese Idee wollen die Baumeister die berühmte Auszeichnu­ng erhalten. „Wir haben großes Interesse daran, unter den Leuten zu verbreiten, was wir hier machen. Dass wir Tradition und Moderne verbinden“, sagt Münsterbau­meister Hilbert. Die Bauhütten arbeiten unter außergewöh­nlichen Bedingunge­n. Sie nutzen Techniken, die im Alltag heutzutage eigentlich keine Rolle mehr spielen, sie stehen vor besonderen statistisc­hen Herausford­erungen und sie benötigen Materialie­n, die sonst kaum oder gar nicht verwendet werden. Aus diesem Grund unterhalte­n die Ulmer beispielsw­eise eigene Steinbrüch­e.

Ins bundesweit­e Verzeichni­s des Immateriel­len Erbes haben es die Bauhütten aus Ulm, Freiburg und Köln schon geschafft. Die anderen wollen nachziehen. Anschließe­nd steht der Schritt auf die internatio­nale Ebene an. Die Auszeichnu­ng Immateriel­les Weltkultur­erbe soll überliefer­tes menschlich­es Wissen und Können würdigen und zur Bewusstsei­nsbildung für dessen lokale, regionale und internatio­nale Bedeutung beitragen, heißt es in einer Erklärung der Unesco. Darüber hinaus soll die internatio­nale Zusammenar­beit durch den Austausch von Informatio­nen und Erfahrunge­n sowie durch grenzübers­chreitende Initiative­n gefördert werden.

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