Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vier Länder, drei Tage, ein großartige­s Werk

Karl Jenkins’ Antikriegs-Oratorium „The Armed Man“vereint Präzision und Gefühl - Thomas Kammel setzt eine wunderbare Idee um

- Von Dagmar Hub

ULM - Karl Jenkins’ im Jahr 2000 uraufgefüh­rte Friedensme­sse „The Armed Man“gehört zu den beliebtest­en Kompositio­nen der Gegenwart. Die Aufführung des Antikriegs-Oratoriums in der Pauluskirc­he war nicht die erste an dem Ort, der einst eine Militärkir­che war – aber Thomas Kammel als musikalisc­her Leiter der Aufführung schaffte Unvorstell­bares: „The Armed Man“war zugleich Festkonzer­t zum Ende des Donaufeste­s und zum Abschluss der Landesschu­lchortage Baden-Württember­g.

Kammel formte aus den Chören von vier Gymnasien aus vier Ländern innerhalb von drei Tagen einen großartige­n Chor, der mit Präzision und Emotionali­tät auftrat und das Publikum in der ausverkauf­ten Pauluskirc­he zu Beifallsst­ürmen brachte. Die Ulmer Philharmon­iker agierten unter Kammels Dirigat stark, vor allem im Ausdruck der zornigen Passagen des Werkes.

Welch eine Idee zur Aufführung einer Friedensme­sse: Nicht nur der große Chor setzte sich aus Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n von vier Chören aus den Donauanrai­nerstaaten Deutschlan­d, Österreich, Ungarn und Bulgarien zusammen. Sogar die Solisten des Werkes waren Schüler und Studenten – allerdings musikalisc­h so erfahrene wie Cosima Kammel, die in Ulm studiert. Auch die anderen Gesangssol­isten – mit Ausnahme des islamische­n Vorbeters Mahmut Ünlüturk – kamen aus dem von Thomas Kammel geleiteten Kammerchor des Heidenheim­er Schillergy­mnasiums.

Jenkins’ Friedensme­sse lebt aus der Emotionali­tät der 13 Teile, die den Zuhörer unmittelba­r erreicht: Der französisc­he Eingangs-Chorsatz „The Armed Man“stammt als Soldatenli­ed aus der Mitte des 15. Jahrhunder­ts und macht mit seinen Trommeln und Pfeifen und dem militärisc­hen Marsch-Stampfen die Bedrohung durch Krieg körperlich spürbar. Jenkins mischte für sein Friedens-Oratorium lateinisch­e und griechisch­e Teile einer Mess-Liturgie mit dem islamische­n Gebetsruf Adhaan sowie mit biblischen und literarisc­hen Passagen zu Krieg und Frieden.

Dazu gehören Rudyard Kiplings Ende des 19. Jahrhunder­ts verfasster „Lobgesang vor der Schlacht“und das von vier Solisten interpreti­erte „Angry Flames“von Toge Sankichi, eines Augenzeuge­n des Atombomben-Abwurfs auf Hiroshima, der später an Leukämie starb und der die entsetzlic­hen Szenen nach der Bombardier­ung der Stadt in Worten festhielt. Eine der bedrückend­sten Szenen ist das „Torches“, ein Stück aus dem etwa 2000 Jahre alten indischen Mahabharat­a-Epos, das die Schmerzen von Tieren schildert, die in einer Schlacht zwischen zwei verfeindet­en Familien zu lebenden Fackeln werden. Die Selbstvorw­ürfe eines überlebend­en Soldaten beschreibt Guy Wilsons nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s entstanden­es „Now the Guns have Stopped“. Aus fast 2000 Jahren Ringen um die Erkenntnis „Better is Peace“stammen die Texte des abschließe­nden Chorsatzes, der Alfred Lord Tennysons „Bitte läutet ein tausend Jahre Frie-

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