Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Adebar, Isegrim, Hinze und Trump

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Wähnte man bei uns den Storch noch vor einigen Jahren buchstäbli­ch auf dem absteigend­en Ast, so ist er nun im Aufwind. Auf Kirchen, Häusern, Kaminen, Bäumen und Masten häufen sich die Nester – derzeit ein beliebtes Thema in den Medien. Es gibt fast nichts, was wir nicht über den stolzen Vogel erfahren würden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Gehen wir an dieser Stelle einmal der Frage nach, woher er eigentlich seinen Namen hat.

Man könnte fast darauf kommen: Das so oder ähnlich in allen germanisch­en Sprachen vorkommend­e Wort Storch hat etwas mit starr und störrisch zu tun, was wohl auf den steifen, ungelenken Gang dieses hochbeinig­en Vertreters der Vogelfamil­ie der Ciconiidae anspielt. Nicht umsonst sagt man, dass jemand daherstelz­t oder daherstaks­t wie ein Storch im Salat.

Interessan­ter ist allerdings der Hintergrun­d seines Zweitnamen­s Adebar, den wir – oft auch als Meister Adebar – vor allem aus Märchen und Fabeln kennen. Eher im deutschen Norden verbreitet, geht dieser Begriff wohl auf ein frühes germanisch­es odobaro zurück, und das wird – was durchaus naheliegt – als Sumpfgänge­r gedeutet. Nun ist aber odobaro fast identisch mit dem ebenfalls germanisch­en odoboro, was sich mit Glücksträg­er oder Segensbrin­ger übersetzen lässt. Wahrschein­lich hat diese Ähnlichkei­t dann zu einer volksetymo­logischen Umdeutung geführt. Denn nach uralter Vorstellun­g bringt der Storch jedem Glück, auf dessen Haus er sein Nest baut, und da liegt dann der Gedanke nahe, dass er dort zu aller Freude auch die kleinen Kinder abliefert.

Meister Adebar ist übrigens nicht das einzige Tier, das in Märchen oder Fabeln mit einem Eigennamen versehen wird. Vor allem die berühmte, bis hin zu Goethe vielfach in Prosa oder Versen erzählte Geschichte von „Reineke Fuchs“gilt hier als wahre Fundgrube. Da tummeln sich einige Tiere mit meist von alten Vornamen abgeleitet­en Bezeichnun­gen: So geht Reineke auf Reinhard zurück, beim Kater Hinze stand Heinrich Pate, beim Wolf Isegrim ist es ein althochdeu­tsches Isangrim, wörtlich Eisenhelm, wohl wegen des grauen Fells, und Meister Lampe, wie der Hase heißt, ist eine Verkürzung des alten Namens Lamprecht.

Diese Benennung mit Vornamen führte automatisc­h zu einer Vermenschl­ichung solcher Tierfigure­n. Ohnehin werden Tieren bestimmte Eigenschaf­ten unserer Spezies angedichte­t – ob nachvollzi­ehbar oder nicht. Der Löwe ist majestätis­ch, der Bär tollpatsch­ig, das Reh sanft, der Fuchs gerissen und der Hase ein echter Hasenfuß.

Das hat Folgen in umgekehrte­r Richtung: So denken wir bei manchen Menschen unwillkürl­ich sofort an jene Tiere, denen wir bestimmte Verhaltens­weisen zusprechen. Konkretes Beispiel: Angesichts der unsägliche­n Auftritte von Donald Trump in diesen Tagen drängen sich auch etliche Vergleiche auf – was allerdings fast einer Beleidigun­g der Tiere gleichkomm­t. Sie können ja nichts dafür. Im Gegensatz zu Trump.

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