Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein neues Kiesgebiet und viele Fragen
Die wichtigsten Fakten zum geplanten Kiesabbau im Äpfinger „Herrschaftsholz“
ÄPFINGEN - Das Interesse war groß, die Bedenken auch: Rund 200 Bürger sind in die Gemeindehalle nach Äpfingen gekommen, um sich über den geplanten Kiesabbau im Herrschaftsholz zu informieren. Die Planer und Experten stellten ihre bisherigen Untersuchungen dar, doch zuweilen schlug ihnen das Misstrauen aus der Bevölkerung entgegen. Manches hatten sich die Veranstalter der Kiesunternehmen anders vorgestellt. An Infoständen sollten die Besucher über das geplante Projekt mit den Experten in den Dialog treten können – so war es geplant. Doch manche Bürger äußerten die Befürchtung, Informationen könnten „zurückgehalten“werden oder untergehen. Der verantwortliche Projektleiter Bertram Lelanz betonte hingegen: „Mehr Transparenz als hier ist kaum möglich.“Am Ende aber setzte sich die Mehrheit der Bürger durch und alle Fachexperten stellten ihre Analysen im Plenum vor.
Was genau ist geplant?
Auf einer Fläche von etwa 45 Hektar im Waldstück Herrschaftsholz, östlich der B 30 auf der Gemarkung Maselheim, wollen die Firmen Kieswerke Dünkel aus Schemmerhofen und Röhm Kies aus Äpfingen Kies abbauen. Dafür haben sie sich zu dem Unternehmen Kies und Sand Maselheim zusammengeschlossen. Der Abbau soll im Trockenbau erfolgen, das bedeutet, dass das Grundwasser nicht freigelegt wird. Per Lkws soll der Kies in die bestehenden Aufbereitungsorte in Schemmerhofen und Äpfingen an der Landesstraße 266 transportiert werden. Ein Transport über Förderband sei zu teuer und nicht sinnvoll, da Material zu Aufschüttung weiterhin per Lkw angefahren werden müsste, erklärte Projektleiter Lelanz. Für das Vorhaben müssen die Unternehmen zudem eine Bürgschaft beim Landratsamt Biberach hinterlegen, falls tatsächlich beim Abbau ein Schaden entstünde.
Was geschieht mit dem Wald?
Der Wald befindet sich im Besitz des Forstbetriebs Thurn und Taxis, der diesen bereits als Wirtschaftswald nutzt. Die Kiesfirma würde das Gebiet pachten. Schrittweise in fünf Abschnitten soll der Wald gerodet und parallel wieder aufgefüllt und aufgeforstet werden. „Alles, was wir hier tun, stellt nur einen temporären Eingriff dar“, versprach Peter Röhm, Geschäftsführer von Röhm Kies.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Seit Längerem verfolgen die Firmen das Projekt. Aktuell stehe es noch am Beginn der Planungsphase. Sobald die Unterlagen für den Antrag beim Landratsamt eingegangen sind, werden diese einen Monat lang öffentlich ausgelegt, voraussichtlich in Äpfingen, Warthausen und Schemmerhofen. Dabei haben auch Bürger die Möglichkeit, Bedenken vorzubringen. „Wenn wir dann die Genehmigung bekommen, werden wir auch rasch beginnen“, sagte Geschäftsführer Röhm. Wann genau dies geschehen soll, sei noch unklar. Zwar bestehe ein Bedarf an neuem Kies, betonte Röhm, fügt aber hinzu: „Uns geht nicht gleich der Rohstoff aus.“Der Abbau diene zudem nicht der Erhöhung des Absatzes, sondern der Sicherung der Rohstoffe.
Besteht eine Gefahr für das Trinkwasser?
Nein, sagt der Gutachter Werner Michel von Hydro-Data. Weder werde der Wasserspiegel absinken noch sich die Qualität verschlechtern. Nur auf den untersten zwei Metern der Kiesgrube befinden sich geringe Mengen an Grundwasser. Etwa zwei Meter darüber sollen die Bohrungen aufhören, sodass das Wasser unangetastet bleibt. Rund 90 Prozent des Wassers in Äpfingen werde zudem aus der Rißrinne gespeist, nur knapp zehn Prozent aus der Gegend um das Abbaugebiet. Für den Ausnahmefall, dass zum Beispiel Öl austrete, könne schnell genug reagiert werden. Immerhin benötige das Wasser aus dem Herrschaftsholz etwa zwei Jahre, bis es durch mehrere Gesteins- schichten im Brunnen in Äpfingen ankommt.
Wie groß ist die Verkehrsbelastung?
Verkehrsplaner Reiner Neumann von Modus Consult rechnet mit insgesamt rund 270 zusätzlichen LkwFahrten in der Zu- und Abfahrt pro Tag. Über eine Verbindungsstraße, die noch ausgebaut würde, soll der Verkehr zur Hauptstraße am östlichen Ende von Barabein und von dort weiter auf die L 267 und L 266 geführt werden. Die Landesstraßen wären für diesen Verkehr ausgelegt und leistungsfähig. Die Zunahme des Lärms sei rechnerisch nicht wahrnehmbar. Heute seien in dem Bereich rund 1000 Lkw und größere Fahrzeuge unterwegs, wobei hierzu auch Paketdienste zählten.
Welche Folgen hätte der Abbau für Natur und Umwelt?
Die Liste der Tierarten in dem Gebiet ist lang: Allein 78 Vogelarten wurden nachgewiesen, von denen manche auf der Roten Liste stehen. Außerdem kommen zum Beispiel Bergmolche und Fledermäuse vor. „Ausgleichsmaßnahmen sind auf jeden Fall erforderlich“, sagte Josef Grom vom Büro für Landschaftsökologie. Die Eingriffe bei den Vögeln werde man allerdings kaum vollständig ausgleichen können. Er gehe davon aus, dass das Regierungspräsidium Tübingen über eine „artenschutzrechtliche Ausnahme“entscheiden müsse. Allerdings zeigten Untersuchungen auch, dass Kiesflächen und unbewachsene Flächen für zahlreiche seltene Arten eine Heimat bieten.
Was sind die Bedenken der Bürger?
„Müssen wir wegen des Geldes dieses Gebiet auch noch opfern?“, fragte ein Zuhörer. Er beobachte einen „unglaublich schnellen Ausverkauf der wertvollsten Rohstoffe“und den Eingriff in ein „Biotop“. Den Abbau wolle er „verhindern“. Ein anderer Zuhörer bemerkte: „Wir machen in unserer Region Flächen nieder, als ob sie unendlich verfügbar sind.“Andere äußerten ihr Misstrauen an dem Versprechen, das Gebiet zu rekultivieren. Eine Sorge war auch die Lärmbelastung für Mensch und Tiere. „Da findet kein Hase und kein Reh mehr seine Ruhe, wenn die Lkws durch den Wald fahren.“
Welches Fazit ziehen die Experten?
„Der Abbau wäre ein Eingriff, das kann man kaum leugnen“, sagte Landschaftsarchitekt Wolfgang Schettler von der Firma Eberhard und Partner. Allerdings bestünden auch „zwingende Gründe des öffentlichen Interesses“für den Abbau von Rohstoffen und das Gebiet sei im Regionalplan vorgesehen. Er sei „guter Hoffnung“, dass die Eingriffe ausgeglichen werden könnten. Die Belastungen für die Wohngebiete seien „nicht relevant“, zudem bleibt das Abbaugebiet durch den Wald abgeschirmt. Auswirkungen auf das Klima in der Region seien nicht zu erwarten, da das Gebiet dafür zu klein sei. Bei Starkregen könne die Grube zudem wie ein Rückhaltebecken funktionieren.