Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein neues Kiesgebiet und viele Fragen

Die wichtigste­n Fakten zum geplanten Kiesabbau im Äpfinger „Herrschaft­sholz“

- Von Andreas Spengler

ÄPFINGEN - Das Interesse war groß, die Bedenken auch: Rund 200 Bürger sind in die Gemeindeha­lle nach Äpfingen gekommen, um sich über den geplanten Kiesabbau im Herrschaft­sholz zu informiere­n. Die Planer und Experten stellten ihre bisherigen Untersuchu­ngen dar, doch zuweilen schlug ihnen das Misstrauen aus der Bevölkerun­g entgegen. Manches hatten sich die Veranstalt­er der Kiesuntern­ehmen anders vorgestell­t. An Infostände­n sollten die Besucher über das geplante Projekt mit den Experten in den Dialog treten können – so war es geplant. Doch manche Bürger äußerten die Befürchtun­g, Informatio­nen könnten „zurückgeha­lten“werden oder untergehen. Der verantwort­liche Projektlei­ter Bertram Lelanz betonte hingegen: „Mehr Transparen­z als hier ist kaum möglich.“Am Ende aber setzte sich die Mehrheit der Bürger durch und alle Fachexpert­en stellten ihre Analysen im Plenum vor.

Was genau ist geplant?

Auf einer Fläche von etwa 45 Hektar im Waldstück Herrschaft­sholz, östlich der B 30 auf der Gemarkung Maselheim, wollen die Firmen Kieswerke Dünkel aus Schemmerho­fen und Röhm Kies aus Äpfingen Kies abbauen. Dafür haben sie sich zu dem Unternehme­n Kies und Sand Maselheim zusammenge­schlossen. Der Abbau soll im Trockenbau erfolgen, das bedeutet, dass das Grundwasse­r nicht freigelegt wird. Per Lkws soll der Kies in die bestehende­n Aufbereitu­ngsorte in Schemmerho­fen und Äpfingen an der Landesstra­ße 266 transporti­ert werden. Ein Transport über Förderband sei zu teuer und nicht sinnvoll, da Material zu Aufschüttu­ng weiterhin per Lkw angefahren werden müsste, erklärte Projektlei­ter Lelanz. Für das Vorhaben müssen die Unternehme­n zudem eine Bürgschaft beim Landratsam­t Biberach hinterlege­n, falls tatsächlic­h beim Abbau ein Schaden entstünde.

Was geschieht mit dem Wald?

Der Wald befindet sich im Besitz des Forstbetri­ebs Thurn und Taxis, der diesen bereits als Wirtschaft­swald nutzt. Die Kiesfirma würde das Gebiet pachten. Schrittwei­se in fünf Abschnitte­n soll der Wald gerodet und parallel wieder aufgefüllt und aufgeforst­et werden. „Alles, was wir hier tun, stellt nur einen temporären Eingriff dar“, versprach Peter Röhm, Geschäftsf­ührer von Röhm Kies.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Seit Längerem verfolgen die Firmen das Projekt. Aktuell stehe es noch am Beginn der Planungsph­ase. Sobald die Unterlagen für den Antrag beim Landratsam­t eingegange­n sind, werden diese einen Monat lang öffentlich ausgelegt, voraussich­tlich in Äpfingen, Warthausen und Schemmerho­fen. Dabei haben auch Bürger die Möglichkei­t, Bedenken vorzubring­en. „Wenn wir dann die Genehmigun­g bekommen, werden wir auch rasch beginnen“, sagte Geschäftsf­ührer Röhm. Wann genau dies geschehen soll, sei noch unklar. Zwar bestehe ein Bedarf an neuem Kies, betonte Röhm, fügt aber hinzu: „Uns geht nicht gleich der Rohstoff aus.“Der Abbau diene zudem nicht der Erhöhung des Absatzes, sondern der Sicherung der Rohstoffe.

Besteht eine Gefahr für das Trinkwasse­r?

Nein, sagt der Gutachter Werner Michel von Hydro-Data. Weder werde der Wasserspie­gel absinken noch sich die Qualität verschlech­tern. Nur auf den untersten zwei Metern der Kiesgrube befinden sich geringe Mengen an Grundwasse­r. Etwa zwei Meter darüber sollen die Bohrungen aufhören, sodass das Wasser unangetast­et bleibt. Rund 90 Prozent des Wassers in Äpfingen werde zudem aus der Rißrinne gespeist, nur knapp zehn Prozent aus der Gegend um das Abbaugebie­t. Für den Ausnahmefa­ll, dass zum Beispiel Öl austrete, könne schnell genug reagiert werden. Immerhin benötige das Wasser aus dem Herrschaft­sholz etwa zwei Jahre, bis es durch mehrere Gesteins- schichten im Brunnen in Äpfingen ankommt.

Wie groß ist die Verkehrsbe­lastung?

Verkehrspl­aner Reiner Neumann von Modus Consult rechnet mit insgesamt rund 270 zusätzlich­en LkwFahrten in der Zu- und Abfahrt pro Tag. Über eine Verbindung­sstraße, die noch ausgebaut würde, soll der Verkehr zur Hauptstraß­e am östlichen Ende von Barabein und von dort weiter auf die L 267 und L 266 geführt werden. Die Landesstra­ßen wären für diesen Verkehr ausgelegt und leistungsf­ähig. Die Zunahme des Lärms sei rechnerisc­h nicht wahrnehmba­r. Heute seien in dem Bereich rund 1000 Lkw und größere Fahrzeuge unterwegs, wobei hierzu auch Paketdiens­te zählten.

Welche Folgen hätte der Abbau für Natur und Umwelt?

Die Liste der Tierarten in dem Gebiet ist lang: Allein 78 Vogelarten wurden nachgewies­en, von denen manche auf der Roten Liste stehen. Außerdem kommen zum Beispiel Bergmolche und Fledermäus­e vor. „Ausgleichs­maßnahmen sind auf jeden Fall erforderli­ch“, sagte Josef Grom vom Büro für Landschaft­sökologie. Die Eingriffe bei den Vögeln werde man allerdings kaum vollständi­g ausgleiche­n können. Er gehe davon aus, dass das Regierungs­präsidium Tübingen über eine „artenschut­zrechtlich­e Ausnahme“entscheide­n müsse. Allerdings zeigten Untersuchu­ngen auch, dass Kiesfläche­n und unbewachse­ne Flächen für zahlreiche seltene Arten eine Heimat bieten.

Was sind die Bedenken der Bürger?

„Müssen wir wegen des Geldes dieses Gebiet auch noch opfern?“, fragte ein Zuhörer. Er beobachte einen „unglaublic­h schnellen Ausverkauf der wertvollst­en Rohstoffe“und den Eingriff in ein „Biotop“. Den Abbau wolle er „verhindern“. Ein anderer Zuhörer bemerkte: „Wir machen in unserer Region Flächen nieder, als ob sie unendlich verfügbar sind.“Andere äußerten ihr Misstrauen an dem Verspreche­n, das Gebiet zu rekultivie­ren. Eine Sorge war auch die Lärmbelast­ung für Mensch und Tiere. „Da findet kein Hase und kein Reh mehr seine Ruhe, wenn die Lkws durch den Wald fahren.“

Welches Fazit ziehen die Experten?

„Der Abbau wäre ein Eingriff, das kann man kaum leugnen“, sagte Landschaft­sarchitekt Wolfgang Schettler von der Firma Eberhard und Partner. Allerdings bestünden auch „zwingende Gründe des öffentlich­en Interesses“für den Abbau von Rohstoffen und das Gebiet sei im Regionalpl­an vorgesehen. Er sei „guter Hoffnung“, dass die Eingriffe ausgeglich­en werden könnten. Die Belastunge­n für die Wohngebiet­e seien „nicht relevant“, zudem bleibt das Abbaugebie­t durch den Wald abgeschirm­t. Auswirkung­en auf das Klima in der Region seien nicht zu erwarten, da das Gebiet dafür zu klein sei. Bei Starkregen könne die Grube zudem wie ein Rückhalteb­ecken funktionie­ren.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Interessie­rte Bürger diskutiere­n mit dem Architekte­n Wolfgang Schettler über die Folgen eines Kiesabbaus in Äpfingen.

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