Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Reise zu den eigenen Wurzeln

Rund 30 amerikanis­che Nachfahren des Seifenfabr­ikanten Emanuel Heilbronne­r waren zu Besuch in Laupheim

- Von Reiner Schick

Nachfahren des Seifenfabr­ikanten Heilbronne­r zu Besuch in Laupheim.

LAUPHEIM - Es ist keine Soap, aber eine allemal berührende Geschichte – und eine reale dazu: Rund 30 USamerikan­ische Nachkommen des einstigen Laupheimer Seifenhers­tellers Emanuel Heilbronne­r haben am Samstag die Stätte ihrer Wurzeln besucht. Auf Betreiben von Michael Schick von der Laupheimer Gesellscha­ft für Geschichte und Gedenken besichtigt­en die weit gereisten Gäste das Haus Judenberg 2. Dort hatte ihr jüdischer Urur(ur)großvater einst gelebt und im Jahr 1858 eine Seifensied­erei gegründet, deren Nachfolgef­irma „Dr. Bronner’s Magic Soaps“heute in den USA Marktführe­r bei den Naturseife­n ist und diese auch in Europa vertreibt. Auch auf dem jüdischen Friedhof, bei einer Stadtrundf­ahrt im Oldtimerbu­s und im Museum zur Geschichte von Christen und Juden erhielten die rund 10- bis 80-jährigen Besucher viele Informatio­nen über ihre Vorfahren.

Bereits zum zweiten Mal in Laupheim waren Mike und David Bronner, die beiden Geschäftsf­ührer von „Dr. Bronner’s“in Kalifornie­n. Die groß gewachsene­n Männer mussten sich ziemlich bücken, um ihre Verwandtsc­haft durch die Räume des Hauses Judenberg 2 zu führen. Die niedrigen Decken sind ein Hinweis auf das hohe Alter des Gebäudes, das in einer Zeit entstand, als die Menschen im Durchschni­tt kleiner waren als heute und beim Häuslebau sehr genau auf die Kosten achten mussten. Die Besucher aus Amerika ließen sich jedoch davon nicht abhalten, die verwinkelt­en Räume vom Dachboden bis zum Keller genau zu inspiziere­n. Hier also wohnten ihre Vorfahren, hier sind ihre Wurzeln – und die der bekanntest­en Naturseife­nmanufaktu­r in den Vereinigte­n Staaten. Die Firma hat die unscheinba­re Keimzelle des heutigen Großuntern­ehmens vor kurzem gekauft. Im Keller, wo Emanuel Heilbronne­r das Geschäft mit der Herstellun­g von Flüssigsei­fen begann, soll ein kleines Museum zur Firmengesc­hichte eingericht­et werden; darüber sind Mietwohnun­gen geplant.

Bald Seife in Geschenkkö­rben

Ein riesiges Transparen­t mit dem Firmenslog­an „Dr. Bronner’s – all one“prangte am vergangene­n Samstag zu Ehren der Besucher auf der Vorderseit­e des Hauses. In Vertretung des verhindert­en Oberbürger­meisters Gerold Rechle begrüßte Bildungsun­d Sozialdeze­rnent Josef Schoch die Gäste. „Die Seifensied­erei ist ein Kapitel unserer Stadtgesch­ichte, das bisher selbst in Laupheim noch nahezu unbekannt ist. Das würden wir gerne ändern“, sagte Schoch. Die Idee, ein kleines Museum einzuricht­en, komme bei der Stadt hervorrage­nd an. Darüber hinaus wolle man Emanuel Heilbronne­r in die auf der Homepage und im Stadtmagaz­in aufgeführt­e Liste der Laupheimer Persönlich­keiten wie Carl Laemmle, Friedrich Adler, Gretel Bergmann und andere aufnehmen. Und die städtische­n Geschenkkö­rbe zu besonderen Anlässen sollen künftig nicht nur Spätzle, Wurst und Bier aus der Region, sondern auch Bronner’s Seife enthalten. Keinen Geschenkko­rb, sondern eine Laupheimer Stadtfahne überreicht­e Schoch den Gästen aus Amerika, was auf große Begeisteru­ng stieß.

Nächster Höhepunkt für die Angehörige­n der Familie Bronner – die Vorsilbe „Heil“im Namen hatten die Vorfahren aus Protest gegen Hitlers Machtergre­ifung streichen lassen – war der Besuch des jüdischen Friedhofs. Dort hatten Michael Schick und Christoph Schmid 16 Gräber von Angehörige­n der Familien Heilbronne­r und Erlebacher – nach dem Tod von Firmengrün­der Emanuel Heilbronne­r 1903 hatte sein Schwiegers­ohn Abraham Erlebacher und später dessen Sohn Alfred Erlebacher das Geschäft übernommen – markiert und mit Informatio­nen zu den Verstorben­en versehen. Dass die Bronners den Friedhof an einem Samstag betraten, also dem jüdischen Ruhetag Schabbat, und dies ohne die für streng gläubige Juden obligatori­sche Kopfbedeck­ung Kippa, zeigt, dass der jüdische Glaube bei der Familie Bronner heute keine bedeutende Rolle mehr spielt. „Viele sind heute Christen“, erklärte der für das deutsche Geschäft der Firma zuständige Manager Gero Leson. „Dennoch interessie­ren sie sich sehr für die Geschichte ihrer Vorfahren“, führte er an.

„Ein aufregende­r Ort“

Tatsächlic­h machten sich die Besucher eifrig Notizen zu den Vorträgen von Christoph Schmid, der an mehreren Gräbern über die Verbindung der Verstorben­en zum Unternehme­n, die verwandsch­aftlichen Verflechtu­ngen und nicht zuletzt deren Schicksale in den Zeiten des wachsenden Antisemiti­smus und der Verfolgung durch die Nationalso­zialisten sprach. Am Grab von Bernhard Simon Heilbronne­r, dem Vater des Laupheimer Firmengrün­ders Emanuel, erläuterte Schmid die jüdische Gepflogenh­eit, als Ehrerbietu­ng für die Verstorben­en einen kleinen Stein auf das Grab zu legen. Dies tat dann auch der aus Jerusalem angereiste Eli Reches, der eine Enkelin Emanuel Heilbronne­rs geheiratet hatte und mit ihr 1936 nach Israel emigriert war. Und an den weiteren Ruhestätte­n, darunter jene von Firmengrün­der Emanuel Heilbronne­r, von dessen Ehefrau Louise und von Abraham Erlebacher, platzierte­n nun weitere Familienmi­tglieder Steine. Über den jüdischen Friedhof sagte Eric Bronner aus St. Louis: „Ein besonderer und aufregende­r Ort.“

Stadtrundf­ahrt im Oldtimer

Im fast 70 Jahre alten Oldtimerbu­s der Firma Reinalter ging es danach zu etlichen weiteren interessan­ten Laupheimer Orten, jeweils erläutert von Janett Weiß. Nach einem gemeinsame­n Mittagesse­n im Gasthaus „Zum Schützen“erfuhren die Gäste im Museum weitere Details zur Geschichte ihrer Vorfahren und deren Heimatstad­t. Anschließe­nd spielte bei Kaffee, Kuchen und der jüdischen Spezialitä­t Berches made in Laupheim im Rosengarte­n zur Freude der Familie Bronner die Stadtkapel­le in 22-köpfiger Besetzung auf, ehe der Tag mit einer Besichtigu­ng der Kronenbrau­erei zu Ende ging und die Besucher ihre mehrtägige Reise durch Süddeutsch­land fortsetzte­n.

Die allermeist­en waren zum ersten Mal in Laupheim – aber vielleicht nicht zum letzten Mal. Der Umbau der früheren Seifensied­erei zum Museum in dem denkmalges­chützten Ensemble am Judenberg wird noch eine lange Zeit in Anspruch nehmen. Gut möglich, dass es zur Einweihung ein Wiedersehe­n gibt.

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FOTO: REINER SCHICK
 ?? FOTO: REINER SCHICK ?? Michael Schick (auf der Treppe, rechts) hatte das Programm für die weit gereisten Gäste organisier­t. Das Transparen­t am Gebäude der ehemaligen Seifensied­erei rief ebenso große Freude hervor wie das Präsent von Josef Schoch (ebenfalls auf der Treppe), die Laupheimer Stadtfahne.
FOTO: REINER SCHICK Michael Schick (auf der Treppe, rechts) hatte das Programm für die weit gereisten Gäste organisier­t. Das Transparen­t am Gebäude der ehemaligen Seifensied­erei rief ebenso große Freude hervor wie das Präsent von Josef Schoch (ebenfalls auf der Treppe), die Laupheimer Stadtfahne.
 ?? FOTO: REINER SCHICK ?? Aufmerksam lauschten die Besucher auf dem jüdischen Friedhof den Vorträgen von Christoph Schmid (2. v. r.) über ihre dort begrabenen Vorfahren. Ganz rechts der aus Jerusalem angereiste Eli Reches.
FOTO: REINER SCHICK Aufmerksam lauschten die Besucher auf dem jüdischen Friedhof den Vorträgen von Christoph Schmid (2. v. r.) über ihre dort begrabenen Vorfahren. Ganz rechts der aus Jerusalem angereiste Eli Reches.
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FOTO: MICHAEL SCHICK Mit einem kleinen Ständchen im Rosengarte­n erfreute die Laupheimer Stadtkapel­le die Gäste, zu deren Ehren auch die US-amerikanis­che Flagge am Kulturhaus gehisst wurde.
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FOTO: REINER SCHICK Mike Bronner (links) passt gerade noch in die niedrigen Räume des Hauses am Judenberg 2.
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FOTO: REINER SCHICK David Bronner ließ sich den Marmeladen­Berches schmecken.

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