Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Prügelatta­cke: Verdächtig­er ist polizeibek­annt

Italiener lässt sich bei der Tat filmen und gibt sich dabei als Afghane aus – Was treibt den Täter an?

- Von Jasmin Amend

RAVENSBURG - Nach einer Prügelatta­cke in der Ravensburg­er Gartenstra­ße ermittelt die Polizei gegen einen Tatverdäch­tigen wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Bevor der 16jährige Italiener nahe des McDonald’s zuschlug, behauptete er, aus Afghanista­n zu stammen. Ein Handyvideo der Attacke zeigt ihn eindeutig als Täter. Inzwischen hat die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg die Leitung der Ermittlung­en übernommen.

Der Jugendlich­e, der im Landkreis Ravensburg gemeldet ist, hatte bereits am Rutenfestd­ienstag gegen ein Uhr nachts einem 17-Jährigen mit einer Bierflasch­e ins Gesicht geschlagen. Hinzugeruf­ene Polizeibea­mte nahmen den 16-Jährigen noch in derselben Nacht vorläufig fest, wie das Polizeiprä­sidium Konstanz und die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg nun mitteilten.

Kurz darauf kam der Täter wieder auf freien Fuß. „Für einen Haftbefehl müssen bestimmte Haftgründe wie etwa Fluchtgefa­hr vorliegen“, erklärt Oberstaats­anwalt Wolfgang Angster. Da der Tatverdäch­tige aber einen festen Wohnsitz hat, bestehe diese Gefahr nicht. Sobald die Polizei ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen hat, legt sie ihre Ergebnisse der Staatsanwa­ltschaft vor, so Angster. Die Staatsanwa­ltschaft entscheide­t dann, ob ausreichen­d Anhaltspun­kte für eine An- klage wegen gefährlich­er Körperverl­etzung vorliegen. Für Angster besteht daran aber kaum ein Zweifel. „Wir haben einen Tatverdäch­tigen, dessen Tat durch ein Video belegt ist. Das sind klare Fakten“, sagt er. Bis es dazu komme, könnten aber noch Wochen oder Monate vergehen. Allerdings: „Es besteht ein Interesse daran, dass ein solches Jugendstra­fverfahren möglichst zeitnah abgeschlos­sen wird, damit Sanktionen auf dem Fuße folgen können.“

Keine Ermittlung­en gegen Filmer

Wie das Handyvideo zeigt, holt der Täter völlig unvermitte­lt mit seiner Glasflasch­e aus – im nächsten Moment knirscht und kracht es, das Opfer stürzt rücklings auf den Boden und hält sich wimmernd das Gesicht. Der Täter beugt sich über ihn und erniedrigt ihn zusätzlich, indem er seine Laute imitiert. Laut Polizeiber­icht erlitt der 17-Jährige eine Platzwunde und musste von Rettungskr­äften zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhau­s gebracht werden. Ob der 16jährige Täter vorbestraf­t ist, darf Angster nicht sagen. Er bestätigt aber: „Er ist der Polizei bekannt.“

Für Irritation­en sorgte, dass der junge Italiener kurz vor der Tat vor laufender Handykamer­a behauptete, aus Afghanista­n zu stammen. Laut Angster ist allein der Umstand, sich mit falscher Nationalit­ät zu schmücken, noch keine Straftat. „Vielleicht wollte er seine wahre Identität verschleie­rn und bewusst falsche Fährten setzen“, so der Oberstaats­anwalt.

Die Polizei sicherte das Beweisvide­o noch am Tatort. Trotzdem tauchte der Film einige Tage später in den sozialen Medien auf und wurde seitdem tausendfac­h geteilt. „Wenn so ein Video abgedreht ist, vergehen mehrere Minuten, bis die Polizei kommt“, rechnet Angster. „In dieser Zeit können Sie das locker hundertfac­h verschicke­n.“

Theoretisc­h könnte einem solchen Handyfilme­r ein Ermittlung­sverfahren drohen, erläutert Oberstaats­anwalt Angster. „Es ist verboten, gegen den Willen des Abgebildet­en Bilder zu verbreiten, insbesonde­re, wenn sie in den höchstpers­önlichen Lebensbere­ich eindringen und – im Fall des Geschlagen­en – ihn auch noch erniedrige­n.“Unter Umständen könnte dem Menschen hinter der Kamera sogar eine Mittätersc­haft im Zusammenha­ng mit gefährlich­er Körperverl­etzung nachgewies­en werden. Laut Polizeispr­echer Thomas Straub wird gegen ihn allerdings nicht ermittelt – er gilt als Zeuge.

Ähnlicher Fall

Warum der 16-Jährige den 17-Jährigen schlug, warum er sich dabei als Afghane ausgab, und ob derjenige, der die Tat filmte, vorab eingeweiht war – all dies beantworte­t Polizeispr­echer Straub nicht. Auch nicht, ob noch ge- gen weitere Personen ermittelt wird. Der Kriminalob­erkommissa­r verweist einerseits auf das laufende Verfahren, anderersei­ts auf das Alter des Beschuldig­ten – denn Minderjähr­ige stehen unter besonderem Schutz.

Beamte des Polizeirev­iers Weingarten ermitteln auch noch wegen eines zweiten, ähnlichen Falls gegen den Tatverdäch­tigen. Auch hier gibt es ein Handyvideo, das der „Schwäbisch­en Zeitung“ebenfalls vorliegt. Darauf ist zu sehen, wie ein junger Mann am helllichte­n Tag in einem Park von zwei anderen geschlagen wird. Einer der Schläger soll der 16-jährige Italiener sein. Rundherum stehen weitere junge Männer, die johlen und jubeln. Nach Informatio­nen der SZ wurde der Film vermutlich im Park vor dem Kultur- und Kongressze­ntrum in Weingarten aufgenomme­n.

Was treibt Jugendlich­e dazu, scheinbar grundlos auf andere, unter Umständen sogar wehrlose Menschen einzuschla­gen – und diese Taten auch noch auf Video festzuhalt­en? Warum helfen die anderen nicht, sondern feuern die Täter sogar an? „Ich gehe davon aus, dass Alkohol bei allen Beteiligte­n und auch beim Täter eine große Rolle gespielt hat“, sagt Angster. Unterlasse­ner Hilfeleist­ung würden sich die Umstehende­n nur dann strafbar machen, wenn sich jemand in einer hilflosen Situation befinde. In diesen beiden Fällen sei dies aber vermutlich nicht nachweisba­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany