Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Neue Wege zu Kunst und Raum
Reihe mit Streifzügen durch Neu-Ulm startet
NEU-ULM (mgo) - Eine Wahrnehmungsgabe wie Johannes Stahl müsste man haben. Der geht beim Pressegespräch zu den von ihm konzipierten künstlerischen Streifzügen durch Neu-Ulm einfach ein paar Schritte und findet gleich mehrere Beispiele für Kunst, die gemeinhin übersehen wird oder in eigenwilligen Konstellationen auftritt. Sogar direkt am Rathaus, wo sich ein Edwin-Scharff-Relief eine Wandecke mit kryptischen Feuerwehrkürzeln und dem Hinweisschild für eine Behindertentoilette teilt. Oder um die Ecke, am Durchgang zum Hinterhof, ein bronzenes Stadtwappen, das durch eine knallrote Werbetafel der Sparkasse praktisch unsichtbar ist. Ein häufiges Schicksal, wie Stahl erklärt: „Manchmal gehen die Leute jeden Tag an einem Kunstwerk vorbei, ohne es jemals zu sehen.“
In Neu-Ulm soll der Kunsthistoriker und Kurator nun dazu beitragen, das Auge der Bürger für Kunst und Kurioses im Stadtbild zu schulen. Und das quasi im Vorbeigehen: „Durch Neu-Ulm flanieren“ist das Motto der von Stahl im Auftrag des Edwin-Scharff-Museums zusammengestellten Reihe. Es sind keine Stadtführungen, sondern Streifzüge, bei denen die Menschen miteinander ins Gespräch kommen sollen. Stahl: „Jeder Teilnehmer kann auf seine Kosten kommen.“Ob Künstler oder Bewohner, Skater oder Autofahrer, Kind oder der Opa des Kindes, jeder erlebe den Stadtraum auf seine Weise.
Stahl kennt sich mit dem Thema aus: Er schrieb seine Dissertation über Graffiti und beschäftigte sich mit Kunst am Bau in Ministerien. Museumsleiterin Helga Gutbrod kennt ihn schon viele Jahre und wusste das Projekt deshalb bei ihm in guten Händen. Stahl gibt aber nicht selbst den Oberspaziergänger, sondern hat verschiedene Künstler mit ganz unterschiedlichen Hintergründen ausgewählt. Den ersten von derzeit fünf geplanten Streifzügen am Donnerstag, 23. August, um 18 Uhr leitet Dagmar Schmidt aus Langenhagen bei Hannover.