Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Warum Laupheim keine Königstraß­e mehr hat

Teil 2 der Serie über die Entwicklun­g der Straßennam­en – Judengasse wurde zur Kapellenst­raße – Von Rolf Müller

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Eine Hausnummer­ierung erfolgt erstmals für das Brandverze­ichnis vom Jahr 1790. Den ersten Ortsplan gab es erst mit der Landesverm­essung von 1826. Hierbei gab es drei Nummerieru­ngsbezirke: Großlauphe­im, Kleinlauph­eim und Judenberg. Dabei wurden viele damaligen Straßenbez­eichnungen dokumentie­rt. Heutige Straßen waren oft in mehrere Gässchen aufgeteilt. Hier einige Beispiele von Straßennam­en: Auf der Weden, Bei der Roßwette, Böser Winkel, Breitruger­sgäßle (Pfeiferstr­aße), Gänswörth (Parkweg), Gemeindsgä­ßle (Teil der Staudesgas­se), Hexenwinke­l (Teil der PfarrerAic­h-Straße), Im Winkel (Teil vom Parkweg), Kothengäßl­e (Rabenstraß­e), herkommend von dem Vornamen Konrad, Laubertgäß­le (Teil vom Hafnergäss­le), Lindengäss­le, Löwengäßle (beim Gasthaus zum Löwen, heute Sommerschr­anne an der Lange Straße), Nüsselesgä­ssle (Teil vom Hafnergäss­le), herkommend von dem Vornamen Dionys, Platzgasse. Dies ist nur eine Auswahl von alten, verschwund­enen Straßennam­en.

Nachdem die Juden ab 1828 außerhalb des Judenbergs siedeln durften, wurden in Verlängeru­ng der Judengasse am damaligen Feldweg in Richtung Leonhardsk­apelle sehr schnell von Juden Wohnhäuser erstellt und aus der bisherigen Judengasse wurde eine Kapellenst­raße.

1841 wurde die Posthalter­ei vom Gasthaus „zum Adler“in den Gasthof „zum Hirsch“verlegt, wodurch dessen Benennung sich im Laufe der Zeit in das Gasthaus „zur Post“wandelte. Nachdem der „Hirsch“damit bedeutende­r geworden war, wurde aus der Wilmesgass­e, herkommend von dem Vornamen Wilhelm, eine Hirschgass­e.

Erster Stadtplan von 1845

Der erste Stadtplan war eine Beilage zum Heimatbuch von Ortsvorste­her Brigel aus dem Jahre 1845. Dort sind neben den schon bekannten Namen Bei den Welschen, Judenberg, Haasengass­e, Hirschgass­e, Kapellenst­raße, Kirchberg, Langgasse, Marktplatz, Mittelgass­e, Schloßberg aufgeführt: Straßennam­en nach der Nutzung der angrenzend­en Grundstück­e, so die Krautgarte­ngasse, da Kohlgässle und Auf der Gänsweide; Straßennam­en nach dort gelegenen Gebäuden, wie die Mühlgasse; Straßennam­en nach dort ansässigen Handwerker­n, wie das Hafnergäss­le, das Pfeifergäs­sle und der Spatzenber­g (untere PfarrerAic­h-Straße), der auf die Landwirtsc­haft hinweist; Straßennam­en nach dort wohnenden Personen oder dortigen Hausnamen, wie das Stoffelesg­ässle, herkommend von dem Vornamen Christoph, und das Doblersgäs­sle (Staudesgäß­le). Dazu gab es Straßennam­en mit besonderer Bedeutung wie die Königsstra­ße. So hieß damals die Reichsstra­ße, früher auch Heerstraße genannt, also der durchgehen­de Straßenzug Ulmer und Biberacher­Straße. Auf dieser Königsstra­ße fuhr der erste König Württember­gs, Seine Majestät Friedrich, wenn er seine Lande ob der Steig (Geislinger Steige) und seine Sommerresi­denz am Bodensee besuchte, dem wilden Heere gleich, sechsspänn­ig mit einer zahlreiche­n adeligen Suite (Gefolge) und einer Menge gepresster bäuerliche­r Vorreiter, welche von einer Meute bellender Hunde umschwärmt war, zur Posthalter­ei des Postexpedi­tors Hacker zum goldenen Adler am Marktplatz, um nach schnellem Pferdewech­sel wieder davonzuras­en. König Friedrich hatte bei der Säkularisa­tion die am Bodenseeuf­er bei der Stadt Buchhorn gelegene Propstei Hofen des Klosters Weingarten erworben und zu seiner Sommerresi­denz erkoren. In Buchhorn baute er einen Hafen, worauf dieses alte Reichsstäd­tchen in Friedrichs­hafen umbenannt wurde. Als erste Eisenbahnl­inie im Königreich Württember­g wurde die Strecke von der Residenzst­adt Stuttgart nach Friedrichs­hafen gebaut, damit König, seine Minister und Gefolge bequem von der Residenz zur Sommerresi­denz reisen konnten.

Die Eröffnung dieser Eisenbahn im Jahre 1850 brachte Veränderun­gen für Laupheim mit sich. Der König fuhr nun nicht mehr durch Laupheim, sondern mit der Eisenbahn daran vorbei und aus der Königsstra­ße wurde eine Biberacher und eine Ulmer Straße, vermutlich nach der Devise, wenn kein König mehr durchfährt, braucht man auch keine Königstraß­e. Die Ulmer Straße wurde bis Ende des 19. Jahrhunder­ts allerdings ab und zu noch Königstraß­e genannt. Vielleicht war die Umbenennun­g der Königstraß­e auch ein kleiner Racheakt dafür, daß die Eisenbahnl­inie entgegen früherer Planungen im Rißtal an Laupheim vorbeigefü­hrt wurde.

Früher führte der Weg in Richtung Untersulme­tingen und somit auch zum Hauptbahnh­of im Ried über die Rottumbrüc­ke beim Gasthaus Stern und in Zickzack-Linie über die Welschen Höfe in Richtung Wendelinsb­erg, benannt nach einem dortigen Bildstock des heiligen Wendelin. Der württember­gische Staat baute dann eine neue Rottumbrüc­ke beim Gasthaus zur Linde, die geradeaus durch die Flur zum Wendelinsb­erg führte und aus dem Kohlgässle wurde die Bahnhofstr­aße.

 ?? FOTO: VVL ?? Die Laupheimer Sozialstru­ktur Ende des 18. Jahrhunder­ts. Im Plan sind die ersten Hausnummer­ierungsbez­irke Großlauphe­im, Kleinlauph­eim und Judenberg (von der SZ nachträgli­ch gekennzeic­hnet) erkennbar.
FOTO: VVL Die Laupheimer Sozialstru­ktur Ende des 18. Jahrhunder­ts. Im Plan sind die ersten Hausnummer­ierungsbez­irke Großlauphe­im, Kleinlauph­eim und Judenberg (von der SZ nachträgli­ch gekennzeic­hnet) erkennbar.

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