Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Vielfalt im Jahr der Tomate

Auch das neunte Tomatenfes­t erfreute sich guten Besuchs - Bedingunge­n besonders gut

- Von Milena Hänisch

BRONNEN - Obwohl es zeitweise nieselte, herrschte großer Andrang bei Michael Schicks neuntem Tomatenfes­t. Es war ein besonderes. „Dieses Jahr wird als das Tomatenjah­r in die Geschichte eingehen“, so der Bronner Gärtnermei­ster, der seit gut 25 Jahren Tomaten kultiviert und inzwischen über 700 Sorten zusammenge­tragen hat. „Selbst im Freiland sind die Tomaten wunderbar gereift.“

Um das traditione­lle Tomatenron­dell scharen sich Interessie­rte, beäugen dicke Fleischtom­aten, gestreifte Zebratomat­en und kleinste Cocktailto­maten, machen Handyfotos und kaufen Samen für den Garten. Unter ihnen auch Thomas und Ruth aus Illerriede­n. Sie haben gleich fünf Tütchen mit neuen Sorten gekauft. „Wir sind total gespannt, was bei uns daraus wird“, sagen die beiden und machen noch schnell Fotos von den ausgestell­ten Tomaten, um die neuen Früchte im nächsten Sommer eindeutig zuordnen zu können. Die beiden haben erst in diesem Jahr mit einigen geschenkte­n Pflänzchen die Tomatenzuc­ht angefangen. Der Garten sei nicht groß „eher ein Handtuch“und die Tomaten hätten in diesem Sommer mehrfach umziehen müssen, bevor sie jetzt auf der Terrasse ihren Standort gefunden haben – aber Ruth und Thomas konnten echte Erfolge verbuchen: schätzungs­weise zwei Kilo Ernte und darunter eine gewaltige gelbe Riesentoma­te, groß wie ein Esslöffel, wie Thomas mit Handyfotos gern beweist. „Und ein Geschmack, einfach toll“, lobt er sein Gärtnerglü­ck.

„Besonders gefragt sind die Sorten, die so schmecken wie früher beim Opa“, verrät Gärtnermei­ster Michael Schick. „Haubners Vollendung empfehle ich da, die ist dünnschali­g, klassisch rot und hat viel Aroma.“Aber auch die Ananastoma­te, rot-orange marmoriert und das Set „Miches Top Ten“gehören zu den Bestseller­n. Schick geht es um den Erhalt alter Sorten. Seine Bitte: „Wenn Sie eine Tomate haben, die Sie mögen, machen Sie die Kerne raus, bauen Sie sie weiter an, verschenke­n Sie sie weiter.“So kann jeder einen kleinen Beitrag zum Sortenerha­lt leisten. Wie man die Kerne herausbeko­mmt? Das Innere der Tomate herauslöff­eln und durch ein Sieb streichen. „Und trinken Sie das Tomatenwas­ser! Da sind wertvolle Inhaltssto­ffe drin, und es schmeckt wunderbar.“

Führungen durch den Garten

Schick führt mehrfach an diesem Wochenende 40 bis 50 Leute mit Funktionsj­acken und Regenschir­men durch seinen Garten, teilt sein Gärtnerwis­sen gern und beantworte­t alle aufkommend­en Fragen. Wo ist der beste Standort? „Optimal ist ein Standort mit Regenschut­z, zum Beispiel in Töpfen unter einem Dachvorspr­ung.“Was tun bei Tomatensch­wemme? „Kochen Sie Tomatenmar­k ein, dann hat man für den Winter“, so Schick. Und wie ist das mit dem Düngen und Gießen? „Tomaten sind Starkzehre­r, die brauchen Futter – also guten Dünger. Und wenn Sie jeden Tag abends gießen, haben es die Schnecken gut. Für die Tomaten ist es morgens besser. Und gießen Sie lieber einmal die Woche stark als jeden Tag ein kleines bisschen.“

Schicks Gartenlieb­e geht weit über die Tomaten hinaus. Er wirbt heute auch für Zitronenve­rbene, Minze, Teehortens­ie und Ananassalb­ei, gibt Blätter herum, damit jeder einmal dran riechen kann. „Da können Sie wunderbare Tees von kochen.“Er zeigt außerdem Schildampf­er „damit können Sie ihren Salat verfeinern“und eine ganze Reihe essbarer Blüten von Borretsch, Raps, Oregano und Zucchini und liefert Verzehr- und Zubereitun­gstipps. „Und bitte keine falsche Angst vor Brennnesse­ln.“Der perfekt durchgesty­lte Garten ist ihm ein Graus. „Bitte machen sie keinen Kiesschott­er in ihren Vorgarten und beschränke­n sie sich auf drei Pflanzen“, mahnt er. „Pflanzen Sie lieber diesen blauen Salbei, der ist eine echte Hummelscha­ukel, das werden Sie sehen. Und Staudenfen­chel, der ist außerdem tolle Nahrung für den Schwalbens­chwanz.“

Er selbst lässt alte Bäume für Specht und Holzbienen stehen, füttert ganzjährig die Vögel und lässt samentrage­nde Pflanzen über den Winter stehen. „Dann gibt es ausreichen­d Winterfutt­er und Unterschlu­pf.“Er liebt die Vielfalt, das Unperfekte und Natürliche. „Sie können sagen, das ist hier ein Saustall, aber es ist auch Heimat für unzählige Insekten und andere Tiere.“

Den Großteil der Beratung am Rondell übernimmt an diesem Wochenende seine Mitarbeite­rin Sabine mit ihrem sonnigen Gemüt. Sabine ist eigentlich Floristin, aber seit einigen Jahren fasziniert von den Tomaten und zieht auch selbst Tomaten und extravagan­te Gurken. Sie kennt alle Sorten auswendig. Beschreibt man ihr eine Tomate auch nur im Ansatz, weiß sie sofort Namen und Nummer. „Achja, das kann eigentlich nur die Black Zebra sein“, strahlt sie und zeigt die passende Tomate auf dem Rondell. Sabine berät mit großer Leidenscha­ft. „Die hier, die Dreikäseho­ch, Nummer 446, die sind ganz beliebt bei meinen Mädchen“, erzählt sie. „Ich mag vor allem die kleinen Sorten, sie sind schnell reif und einfach toll für Kinder.“Schick bestätigt: „Ja, so wie die Red Spoon, das ist ein Zückerle. Die Tomaten sind nur so groß wie eine Johannisbe­ere und ganz süß.“

„Viele alte Tomatensor­ten sind leider auf Nimmerwied­ersehen verschwund­en“, beklagt Schick bei seiner Führung durch den Garten. Aber einige haben hier bei ihm ein gutes Zuhause gefunden und reisen von seinem Tomatenmar­kt aus durch ganz Deutschlan­d. Margarete Hennings aus Laupheim ist heute hergekomme­n, um ihrer Schwägerin Tomatensam­en mitzubring­en. Sie selbst hat keinen Nutzgarten, aber ihre Schwägerin hätte einen echten grünen Daumen. „Sie wär gern selbst gekommen, aber sie wohnt im Main-TauberKrei­s“, erzählt sie. Nach einem Beratungsg­espräch mit Sabine entscheide­t Margarete Hennings sich für ein kleines Set, die „6er Rundtomate­n“. Die gehen demnächst auf Reise.

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FOTO: MILENA HÄNISCH Trotz Nieselwett­er: Die Rundgänge durch den Garten waren begehrt. Michael Schick (2.v.l.) erklärt geduldig.
 ?? FOTO: MILENA HÄNISCH ?? Gegensätze im Garten: Michael Schick zeigt mit seiner Mitarbeite­rin Sabine die Vielfalt der Tomate: sie mit der „Violetten Kirsche“er mit „German Gold“.
FOTO: MILENA HÄNISCH Gegensätze im Garten: Michael Schick zeigt mit seiner Mitarbeite­rin Sabine die Vielfalt der Tomate: sie mit der „Violetten Kirsche“er mit „German Gold“.

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