Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Helfende Hände für die Zeit nach dem Klinikaufe­nthalt

Der Verein Pflege-Brücke berät Patienten in und um Ulm und vermittelt ihnen Unterstütz­ung für zuhause

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ULM (sz) - Anna Müller ist mit dem Taxi aus der Praxis ihrer Ärztin direkt auf die Schlaganfa­llstation ins RKU gekommen. Nach dem Aufwachen fühlte sich die 93-jährige Rentnerin aus der Nähe von Ulm beim morgendlic­hen Toiletteng­ang wackelig und unsicher. Beim Blick in den Spiegel bemerkte sie, dass einer ihrer Mundwinkel tiefer hinh als der andere. Frau Müller, die alleine lebt, rief ihre Ärztin an und schilderte ihr die Symptome.

Mit dem Taxi fuhr sie erst in die Praxis und dann direkt in die Neurologis­che Universitä­tsklinik am RKU. Die Diagnose in den Universitä­tsund Rehabilita­tionsklini­ken Ulm: Wake-up-Stroke, morgendlic­her Schlaganfa­ll. Vier Tage lang wird Anna Müller auf der Stroke Unit im RKU betreut und überwacht.

Müller, die in Wirklichke­it anders heißt, lebt allein und versorgt sich weitgehend selbst. Ihr Mann, der an Demenz leidet, lebt seit Jahren im Pflegeheim. Die Kinder wohnen weiter weg.

Als Anna Müller entlassen wird, ist sie ängstlich. Ihr Gang hat sich noch verschlech­tert, zum Lesen benötigt sie jetzt eine Lupe. Jessica Kaifler ist Krankensch­wester auf der Stroke Unit im RKU und hat Müller über Tage betreut.

Sie sieht, dass die 93-Jährige zusätzlich­e Hilfe benötigen wird, wenn sie wieder zuhause ist, und spricht sie an: Ob sie sich nicht von der Pflege-Brücke beraten lassen will, bei der sich Kaifler als eine von mehreren erfahrenen Pflegerinn­en engagiert. Müller willigt ein.

Die Pflege-Brücke ist ein gemeinnütz­iger Verein, der durch Spenden finanziert wird und auch in der Region Ulm tätig ist. Im Frühjahr 2018 wurde der Verein unter Schirmherr­schaft von Alt-OB Ivo Gönner sowie den Vorständen Professor Lothar Kinzl, ehemaliger Ärztlicher Direktor der Unfallchir­urgie am Unikliniku­m Ulm, und Professor Albert C. Ludolph, Ärztlicher Direktor der Neurologis­chen Universitä­tsklinik am RKU, aus der Taufe gehoben.

Die Pflegekräf­te, die sich bei der Pflege-Brücke engagieren, arbeiten in Ulmer Kliniken. Sie beraten und unterstütz­en Patienten, die nach einem Krankenhau­saufenthal­t Hilfe benötigen, aber noch nicht durch ambulante Pflegedien­ste oder Pflegeeinr­ichtungen versorgt werden. Das Angebot ist freiwillig und kostenlos.

Pflegebeda­rf zuhause genau erfassen

Drei Tage nach ihrer Entlassung besucht die Brücken-Pflegerin Jessica Kaifler Anna Müller zuhause. Zunächst gehen die beiden eine Liste durch. „Vor Ort sieht man besser, wie die Patienten wohnen, was sie eventuell gebrauchen können“, sagt Kaifler. Anna Müller war bisher auf sich selbst gestellt. Einen Gehstock hat sie schon, Blindenhil­fe ist beantragt. Braucht sie noch mehr Unterstütz­ung? Langfristi­g schon, meint Anna Müller. Denn die Nachbarn, die häufig einspringe­n, sind auch nicht immer da.

Jessica Kaifler schlägt ihr vor, für eine längerfris­tige Unterstütz­ung bei der Nachbarsch­aftshilfe anzufragen. „Viele Patienten wissen nicht, welche Hilfen es denn gibt und wo sie etwas beantragen können“, sagt die erfahrene Pflegerin. Hier wollen die Brücken-Pflegekräf­te Hilfestell­ung geben und Bedarfe vermitteln: zu Krankenkas­sen, Ärzten, Therapeute­n, Sozialämte­rn, aber auch zu ambulanten Pflegedien­sten, Sanitätshä­usern und stadtteile­igenen Angeboten.

Die Pfleger beraten neutral. „Wir beraten nur, aber wir pflegen nicht“, schränkt Kaifler ein. Sie wird nach dem Hausbesuch einen Antrag auf Kostenüber­nahme beim Verein stellen, den Besuch bewerten und in der Teamsitzun­g der Brücken-Kräfte besprechen.

Manchmal sei ein zweiter oder maximal dritter Folgebesuc­h nötig, berichtet Kaifler. Einen Pflegedien­st zu organisier­en, dauere beispielsw­eise länger, als einen Rollator zu bestellen. Anna Müller kommt ohne einen zweiten Besuch aus.

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FOTO: DPA Damitdas Leben leichter wird: Der Verein Pflege-Brücke berät profession­ell und liebevoll ältere Menschen.

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