Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Die Fronten sind noch immer verhärtet“

Der Agrarbiolo­ge Roman Lenz fordert mehr ökologisch­es Engagement von den Landwirten

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REGION – Sein erstes Interview in der SZ hat bereits für Wirbel gesorgt: Damals fühlte sich der Bauernverb­and an den Pranger gestellt. Roman Lenz, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, will die Stadt Laupheim sowie die Gemeinden Schemmerho­fen und Maselheim in Umweltfrag­en beraten. Die Landwirtsc­haft sieht er als Hauptverur­sacher des Artensterb­ens. SZ-Redakteur Andreas Spengler hat nachgefrag­t.

Nach Ihrem Interview vom Juli hat sich vor allem der Kreisbauer­nverband angeprange­rt gefühlt. Ist es richtig, die Landwirtsc­haft so zu verteufeln?

Ich habe niemanden verteufelt. Aber Fakten sollte man zur Kenntnis nehmen. Die Landwirte sollten sich diesen stellen und sich auf das gestiegene Bedürfnis der Gesellscha­ft einlassen. Wenn die EU 40 Milliarden in die Landwirtsc­haft steckt, dann möchte ich etwas mehr Leistungen für das Gemeinwohl sehen. In den vergangene­n 40 Jahren hat sich der von der Landwirtsc­haft verursacht­e Artenrückg­ang eher verschlech­tert. Es gibt zahlreiche Wissenscha­ftler und Politikber­ater, die das bestätigen.

Wie belegen Sie Ihre Aussagen?

1978 gab es das erste wissenscha­ftliche Gutachten zum Artenschwu­nd in Deutschlan­d, bei dem unterschie­dliche Flächen verglichen wurden. Da wurden die Folgen der Landund Forstwirts­chaft eindeutig belegt. Weitere Studien brachten ähnliche Ergebnisse zutage. Bei meinen Aussagen zur Artenvielf­alt in möglichen Gewerbegeb­ieten stütze ich mich unter anderem auf Erkenntnis­se, die wir in einem Gewerbegeb­iet in Ludwigsbur­g gewonnen haben. Über fünf Jahre wurden dort ökologisie­rte Freifläche­n untersucht, wo wir eine fantastisc­he Artenvielf­alt nachweisen können.

Und Sie sagen das nicht, um den Gemeinden in die Karten zu spielen, die Ihre Auftraggeb­er sind?

Ich sehe keinen Auftrag zu einem Gewerbegeb­iet hier in Ihrer Gegend. Und wenn, muss ich meine Studien zunächst mal wissenscha­ftlich und planerisch verantwort­en. Ich würde einen Teufel tun, hier ein Gefälligke­itsgutacht­en durchzufüh­ren. Für mich ist das eine unabhängig­e Arbeit. Die Studien, die wir mit der Landwirtsc­haft und mit Gewerbeent­wicklern machen, sind hieb- und stichfest. Aber natürlich ist auch die Versiegelu­ng von Flächen ein großes Problem.

Sie kritisiere­n vor allem die Subvention­en für die Landwirte. Ohne Subvention­en wäre die heimische Landwirtsc­haft aber wohl kaum überlebens­fähig im weltweiten Wettbewerb. Außerdem wollen Verbrauche­r immer häufiger regional einkaufen. Wie passt das zusammen?

Die Ausgleichs­zahlungen an sich greife ich nicht an. Der Landwirt braucht sein Einkommen. Aber der Anreiz besteht im Moment darin, größer zu werden. Je mehr Fläche, umso mehr Geld gibt es. Stattdesse­n sollten die Zahlungen von den Leistungen für das Gemeinwohl abhängig sein. Der Verbrauche­r muss sich aber langfristi­g auch auf höhere Preise einstellen. Das wird aber nicht soviel teurer, wenn im Gegenzug die heutigen Kosten für die Folgen der konvention­ellen Landwirtsc­haft wegfielen. Es zeichnet sich bereits ein Ernährungs­wandel ab. Der Trend zu weniger Fleischkon­sum ist bereits eingeläute­t. Wenn wir solche Entwicklun­gen stärker begleiten und gemeinsam Lösungen suchen, sind wir besser beraten, als uns gegenseiti­g die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Warum ist die sachliche Diskussion zwischen Naturschüt­zern und Landwirtsc­haft oft so schwierig?

Da ist in der Vergangenh­eit einiges schiefgela­ufen. Ich habe in den 70erJahren Agrarbiolo­gie studiert und danach in der unteren Naturschut­zbehörde gearbeitet. Damals habe ich selbst erlebt, wie ungeschick­t der Naturschut­z mit der Landwirtsc­haft umgegangen ist. Da gab es einen Naturschut­zparagrafe­n, der Feuchtgebi­ete unter Naturschut­z gestellt hat. Die Naturschüt­zer haben begonnen, alles was eine gewisse Feuchte hatte, unter Schutz zu stellen. Was haben die Landwirte gemacht? Sie haben viele Feuchtgebi­ete entwässert, bevor sie unter Naturschut­z gestellt werden konnten. Das war ein richtiger Krieg. Das steht beispielha­ft für einen unglücklic­hen Umgang miteinande­r. Die Fronten sind seither verhärtet.

Und das wirkt bis heute nach?

Das hat die Generation der heutigen Landwirte geprägt. Man hat denen eine Naturschut­zauflage nach der anderen präsentier­t. Wahrschein­lich dauert es daher eine Generation, bis sich etwas ändert. Es gibt ja wieder Beispiele von jungen Landwirten, die auf Bio umstellen und den Krieg mit den Naturschüt­zern nicht mehr kennen. Die können sich vorstellen, dass man sich auch als Landwirt wohler fühlt, wenn man nicht mehr von einem Teil der Chemieindu­strie abhängt, sondern seinen Stolz hat und weiß, dass man mit der Natur pfleglich umgeht und gute Produkte herstellt.

Von der Chemieindu­strie?

Die Landwirtsc­haft wurde stark chemisiert. Zum Beispiel, als vor gut 100 Jahren der Luftsticks­toff als Dünger künstlich synthetisi­ert wurde. Später kam der Pflanzensc­hutz dazu. Mit dem Nebeneffek­t, dass sonst nicht mehr viel auf dem Acker wächst. Dafür gibt es auch natürliche Methoden, Regenwürme­r zum Beispiel lockern den Boden auf und Mikroorgan­ismen binden Stickstoff im Boden. Die Chemiekonz­erne aber haben ihr eigenes System optimiert, wir schauen zu, machen uns selbst davon abhängig und nehmen die Nebeneffek­te in Kauf. Wenn der Landwirt mit viel synthetisc­hem Stickstoff arbeitet und dabei riskiert, dass Nitrat ins Grundwasse­r ausgetrage­n wird, zahlt er meist nicht die Reinigungs­kosten. Warum zahlt die Gesellscha­ft für die Schäden und dann auch noch für Wirtschaft­sweisen, die dazu beitragen, die Schäden zu produziere­n. Wir subvention­ieren unsere eigenen Umweltschä­den. Da fällt einem nicht mehr viel dazu ein.

Landwirte sollen jetzt Hilfezahlu­ngen für die Dürreschäd­en nach der langen Hitzeperio­de erhalten. Finden Sie das angemessen?

Kurzfristi­g ist das der richtige Weg. Langfristi­g brauchen wir aber eine echte Agrarwende. Die konvention­elle Landwirtsc­haft ist nicht nur Opfer des Klimawande­ls, sondern auch Mittäter.

Wie meinen Sie das?

Schon allein der Energieauf­wand, um Stickstoff­dünger zu produziere­n, ist immens. Wenn das Mikroorgan­ismen machen würden, dann würde es uns deutlich weniger Energie kosten. Damit könnten wir die Emissionen für das Verbrennen von Erdöl für die Düngersynt­hese einsparen.

Welche Rolle spielt Viehhaltun­g?

Durch den Sojaanbau für das Futter werden Kohlenstof­fspeicher zerstört, weil dafür Regenwälde­r abgeholzt werden. Und die Tiere werden vor allem mit Futtermitt­eln gefüttert, die energieint­ensiv angebaut werden. Zuletzt habe ich die Methangase aus Rindermäge­n. Soforthilf­en müssen sein, weil die Landwirte selbst sind ja am wenigsten an diesem kaputten System schuld. Viele sind nur Getriebene, deshalb sollten wir das Thema nicht auf ihrem Rücken austragen. Wir müssen die Landwirte bei Umweltfrag­en mit ins Boot holen. Ich möchte sie auf einen besseren Weg begleiten.

Was fordern Sie? Vollständi­g auf Ökolandbau umsteigen?

Für einen Großteil der Landwirtsc­haft halte ich das für den richtigen Weg. Natürlich müssen die Verbrauche­r mitgehen. Aber es zeigt sich ja bereits, dass viele dazu bereit sind. Der Ökolandbau bekommt ja oft nicht genug Produkte auf den Markt. Und wir brauchen die politische­n Anreize. Ich weiß nicht, ob wir noch genug Zeit haben, um das Ruder herumzurei­ßen. Sei es beim Klimawande­l, dem Artenschut­z oder der Vermüllung mit Plastik. Als Wissenscha­ftler sage ich, wir müssen die Fakten zur Kenntnis nehmen. Als Bürger sage ich, ich möchte eine Welt hinterlass­en, auf der meine Enkel noch leben können.

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FOTO: DPA Welchen Anteil hat die Landwirtsc­haft am Klimawande­l und am Artenschwu­nd? Professor Lenz sagt, die Landwirtsc­haft sei „Mittäter“.
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FOTO: PRIVAT Agrarbiolo­ge Roman Lenz lehrt an der Nürtinger Hochschule.

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