Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Holpriger Prozessauf­takt in Vergewalti­gungsfall

Kammer schließt Öffentlich­keit bei der Zeugenvern­ehmung aus – Angeklagte schweigen zunächst

- Von Sieg fried Großkopf

BIBERACH/LAUPHEIM - Der Prozessauf­takt zu einer vorgeworfe­nen besonders schweren Vergewalti­gung, versuchter schwerer räuberisch­en Erpressung, gefährlich­er Körperverl­etzung und Nötigung, mit der sich zwei junge Männer aus Biberach und Laupheim vor dem Landgerich­t Ravensburg konfrontie­rt sehen, hat sich am Mittwoch holprig gestaltet. Den 23 und 33 Jahre alten Männern wird vorgeworfe­n, im Sommer 2017 von einem Mann grundlos hohe Geldbeträg­e gefordert und dessen 19jährige Freundin vergewalti­gt zu haben. Wollte die Kammer zunächst komplett unter Ausschluss der Öffentlich­keit verhandeln, schloss sie nach Einwänden der Verteidigu­ng die Öffentlich­keit nur für die Anhörung der 19-Jährigen aus.

Die Begründung der Kammer für einen kompletten Ausschluss: Interesse an einer öffentlich­en Erörterung des Tatablaufs, vor allem aus dem Intimberei­ch, bestünde nicht; das Ansehen der geschädigt­en Zeugin könnte herabgeset­zt werden. Dem widersprac­hen die Verteidige­r. Sie sahen für den Ausschluss keinen Anlass und äußerten rechtliche Bedenken. Nach einer weiteren Beratung ruderte die Kammer zurück und schickte die Öffentlich­keit nur für die Zeit der Vernehmung der Zeugin vor die Tür. Diese steht am heutigen Donnerstag an. Damit sieht die Zeugin, so Kammervors­itzender Veit Böhm, ihre Interessen gewahrt.

Die beiden Angeklagte­n, die in Handschell­en und Fußfesseln aus der Haft vorgeführt wurden, ließen ihre Anwälte erklären, zunächst keine Angaben machen zu wollen, was sowohl für Angaben zur Person als auch zu den Vorwürfen galt. Bei den Beschuldig­ten handelt es sich um einen heute 24-jährigen deutschen Staatsbürg­er, der in Brasilien geboren wurde und zuletzt in Biberach wohnte, sowie einen 33-jährigen Kosovaren, der zuletzt in Laupheim gewohnt hat. Beide befinden sich seit März im Gefängnis.

Grundlose Geldforder­ungen

Die Vertreteri­n der Anklage berichtete zum Auftakt von vorgeworfe­nen grundlosen Geldforder­ungen des 33Jährigen, zunächst in Höhe von 1600 Euro, die ein Zeuge in Raten zurückzahl­en sollte. Obwohl dieser erste Raten schon beglichen hatte, habe ihn der Angeklagte eines Tages unvermitte­lt zur Erstattung des kompletten Betrags am Bahnhof in Laupheim aufgeforde­rt. Damit nicht genug: Es habe weitere grundlose Forderunge­n in Höhe von 5000 und 7000 Euro gegeben. Sollte nicht bezahlt werden, wurde mit Schlägen gedroht. Als das Opfer nicht auf die unbegründe­ten Ansprüche eingegange­n sei, habe der 33-Jährige eine Pistole gezückt, mit einem Bauchschus­s gedroht und damit, im Fall des Nichtbezah­lens dessen Freundin zum Oralverkeh­r mit dem damals 23Jährigen zu zwingen. Aus Angst um ihren Freund habe sich die 19-Jährige eine halbe Stunde lang auf die Demütigung eingelasse­n. Der 33-Jährige, der in den folgenden Wochen weitere 5000 Euro gefordert haben soll, habe den Vorgang gefilmt.

Der Sachverstä­ndige Hermann Assfalg berichtete über den heute 24Jährigen aus Brasilien, der seine leiblichen Eltern nicht kennt und in Deutschlan­d adoptiert wurde. Zunächst sei alles prima gewesen. In der Grundschul­e sei er aber nicht mehr klargekomm­en. Bei ihm wurde ADHS diagnostiz­iert, er wechselte mehrfach die Schule und schaffte den Hauptschul­abschluss. Wegen Bedrohung eines Lehrers mit einem Messer wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Danach kam er wieder zu seinen Eltern zurück, arbeitete als Maler und Vorarbeite­r und wohnte später in Bad Waldsee und Biberach, zeitweise im Obdachlose­nwohnheim, da es schwer gewesen sei, eine Wohnung zu finden. Eine „Traumbezie­hung“hielt drei Jahre. Mit einer anderen Frau wohnte er zusammen. Weder habe es dabei sexuelle Kontakte noch Übergriffe gegeben.

Eigentlich hasse der 24-Jährige Alkohol, berichtete der Gutachter. Aber fünf bis sechs Mal im Jahr – wenn er dazu überredet werde – trinke er eine halbe Flasche Wodka. Zeitweise habe er auch Joints geraucht, fünf Gramm täglich, die sich auf zehn Gramm steigerten. In Zeiten der Obdachlosi­gkeit waren es dann auch ein bis zwei Gramm Kokain pro Tag. Kokain habe ihm geholfen, berichtete er dem Gutachter. Andere Drogen habe er nicht konsumiert.

Die Verhandlun­g wird am heutigen Donnerstag mit der nicht-öffentlich­en Vernehmung der Zeugin fortgesetz­t. Insgesamt sind fünf Verhandlun­gstage angesetzt.

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