Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wir sind für alle Kinder da“
Ursula Dreiz über die Arbeit des Kinderschutzbunds in Laupheim
LAUPHEIM - 40 Jahre Kinderschutzbund in Laupheim: Das wird am kommenden Samstag gefeiert. Seit 1998 leitet Ursula Dreiz (60) den Ortsverband. Mit einem 22-köpfigen Team kümmert sie sich ehrenamtlich um kleine Bürger der Stadt. Im Gespräch mit Roland Ray berichtet sie von Sorgen und Glücksmomenten.
SZ: Frau Dreiz, heute ist Weltkindertag. In weiten Teilen der Erde sind Kinder von Hunger, Seuchen und Krieg bedroht – kein Vergleich mit den hiesigen Lebensverhältnissen. Über welche lokalen Defizite sollten wir uns trotzdem Gedanken machen?
Dreiz: Wir haben vor Jahren einmal recherchiert, dass in Laupheim rund 300 Mädchen und Jungen unter 18 Jahren auf Sozialhilfeniveau leben. Ich glaube nicht, dass es seither weniger geworden sind. Im Gegenteil, durch die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, ist die Zahl sicher noch gestiegen.
Woran merken Sie, dass Familien am Existenzminimum kratzen?
Zu uns kommen manchmal Kinder in die Hausaufgabenbetreuung und Sprachförderung, die offensichtlich wenig zu essen haben. Das merken wir an ihrem Heißhunger, wenn wir im Rahmen unserer Angebote mit ihnen kochen. Was wir regelmäßig tun. Nicht immer aber ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass Mangel herrscht. In Armut lebende Menschen melden sich häufig eben nicht bei den Ämtern, sondern verstecken ihre Bedürftigkeit, aus Scham.
Was können wir in unserem Lebensumfeld tun?
Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Not erkennbar wird. Auch die Stadt ist gefordert, zum Beispiel wenn es um bezahlbaren Wohnraum für Arbeitslose, Alleinerziehende und kinderreiche Familien geht. Angebote für diesen Personenkreis gibt es definitiv zu wenig. Wünschenswert ist auch, dass die Stadt Menschen, die es nötig haben, Vergünstigungen gewährt, etwa bei Eintrittspreisen.
Sehen Sie sich mit Vorurteilen konfrontiert, weil Sie Familien helfen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen?
Oft kriegen wir zu hören: „Ihr unterstützt ja immer nur Ausländer“. Solche Äußerungen haben mit den Flüchtlingen zugenommen.
Was entgegnen Sie?
Dass das nicht stimmt. Wir vom Kinderschutzbund sind für alle Kinder da. Ein Kind kann nichts für Krieg, Verfolgung oder die familiäre Situation. Kinder, gleich welcher Herkunft, haben ein Anrecht auf Zuwendung und Förderung.
Wie kommt der Ortsverband finanziell über die Runden? Sind Sie unverändert stark abhängig von Spenden?
Wenn wir nur die Zuschüsse zur Verfügung hätten, die wir von Stadt, Landkreis und Land erhalten, dann hätten wir schon lange aufgeben müssen. Unser Jahresetat – ohne die Kinderkrippe „Schaukelbär“– liegt bei 35 000 Euro. Mehr als 70 Prozent davon finanzieren wir mit Spenden von Bürgern, Vereinen, Firmen und Geschäftsleuten. Da sind zum Glück sehr verlässliche Partner darunter. Aber man muss doch permanent die Trommel rühren und um Unterstützung werben. Gelegentlich habe ich schlaflose Nächte, dann quält mich die Frage: Wie sollen wir dieses oder jenes Projekt bloß stemmen?
Gibt es besondere Glücksmomente bei Ihrem ehrenamtlichen Engagement?
Ja. Wir unterstützen bekanntlich die Weihnachtsgeschenkaktionen der Kolpingsfamilie und der Firma Diehl. Aus unserer Arbeit kennen wir Kinder, deren Familien sich kaum etwas leisten können. Ihren Wunschzettel reichen wir weiter, und ich fahre dann an Heiligabend die Geschenke aus. Was ich da erlebe, wenn ein Spielzeug ausgepackt wird, wenn vielleicht Karten fürs Parkbad oder ein Frisörgutschein für die Mutter beiliegen, diese strahlenden Augen, die Dankbarkeit, ein Händedruck, eine Umarmung – das ist für mich der schönste Lohn und gibt mir Kraft zum Weitermachen.
Wie sind Sie eigentlich zu Ihrem Amt beim Kinderschutzbund gekommen?
Ich bin gelernte Krankenschwester, nach einem schweren Bandscheibenvorfall wurde ich 1998 erwerbsunfähig. Damals brach eine Welt für mich zusammen. Karin Münst, meine Vorgängerin im Amt, hat mich dann für die Hausaufgabenbetreuung im Kinderstüble gewonnen – „dabei kannst du sitzen“, sagte sie. Diese Tätigkeit hat mir wieder eine Aufgabe beschert, und neuen Lebensmut. Als dann jemand für den Vorsitz im Ortsverband gesucht wurde, hieß es: „Das wär’ doch was für dich“. Ich sagte: „Wenn ihr niemand anderen findet...“– und schon war ich gewählt.
Der Kinderschutzbund in Laupheim feiert Geburtstag. Welchen Wunsch haben Sie zum Jubiläum?
Dass Kinder eine starke Lobby haben und mein Team, das mir Halt gibt, beisammen bleibt.