Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Perspektiven im Gesundheitswesen
Die Branche bietet ein großes Spektrum an Berufsbildern – Die hohen Beschäftigungszahlen steigen auch im Südwesten weiter an – Gegen den dennoch eklatanten Pflegekräftemangel hilft vor allem mehr Ausbildung
In den vergangenen 30 Jahren haben Männer in Deutschland rund sieben Jahre Lebenszeit hinzugewonnen, bei den Frauen sind es fünf Jahre. Die Lebenserwartung beträgt nach der aktuellen Sterbetafel für neugeborene Jungen 78,3 und für Mädchen 83,2 Jahre. Allerdings steigt mit zunehmendem Alter das Risiko einer schweren Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit. Aktuell gibt es in Deutschland etwa 3,3 Millionen Pflegebedürftige. Aufgrund der steigenden Anzahl wächst die Nachfrage nach professioneller Pflege und Unterstützung im Alltag. Die Altenpflege ist eine stark expansive Dienstleistung. Zurzeit sind etwa 1,1 Millionen Menschen bei Pflegediensten und in Pflegeheimen beschäftigt. Rund 140 000 Auszubildende gibt es in Gesundheitsund Krankenpflege, Kinderkrankenund Altenpflege, die Hälfte in der Altenpflege. Etwa 25 000 bis 30 000 Stellen sind laut Bundesgesundheitsministerium derzeit in der Altenpflege offen.
Der künftige Personalbedarf hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, einer davon ist der Fortschritt in der Medizintechnik, etwa dem Einsatz von Pflegerobotern. Nach Ansicht des Bundesverbands Medizintechnologie bieten medizinische Innovationen große Chancen für eine Verbesserung der Patientenversorgung und Effizienzsteigerungen im Gesundheitssystem. Die baden-württembergische Medizintechnikbranche ist auf die Entwicklung und Produktion innovativer chirurgischer Instrumente, orthopädischer Lösungen und Diagnostiksystemen spezialisiert.
Die Entwicklung von medizintechnischen Geräten und die Pflege direkt am Menschen sind Aufgaben, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Aber in beiden Berufen geht es um die Gesundheit von Menschen und beide gehören zum stark wachsenden Gesundheitswesen. Keine Branche in Deutschland hat nur annähernd so viele Beschäftigte wie das Gesundheitswesen.
Drei Viertel der Beschäftigten sind Frauen
Seit dem Jahr 2000 hat deren Zahl um rund eine Million zugenommen. das sind gut 25 Prozent. Etwa jeder achte Erwerbstätige ist in der Gesundheitsbranche tätig. Die fünf größten Industriebranchen beschäftigen zusammen gerade so viele Menschen wie die Gesundheitswirtschaft allein. Im Juli 2018 hat das statistische Landesamt Baden Württemberg die aktuelle Beschäftigungszahl im Gesundheitswesen für 2016 veröffentlicht. Danach gab es rund 750 000 Beschäftigte in der Branche im Südwesten Deutschlands. Das waren 1,6 Prozent mehr als im Jahr davor. Charakteristisch sei, so das Landesamt, der hohe Beschäftigtenanteil von Frauen im Gesundheitswesen: In Baden-Württemberg liegt er bei knapp 75 Prozent. Ebenso spiele die Teilzeitbeschäftigung eine große Rolle. In der ambulanten Pflege kommt sie mit knapp 40 Prozent am häufigsten vor.
Die Gesundheitsbranche bietet eine enorme Vielfalt an Tätigkeiten, die von A wie Altenpflege bis Z wie Zahnarzt reicht. Die größte Gruppe an Beschäftigten mit 2,2 Millionen bilden die in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie sonstige Gesundheitsberufe, wie etwa Physiotherapeuten. Dann folgen Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (1,2 Millionen), Pflegekräfte (1,1 Millionen), Apotheken (225 000), Medizintechnik (210 000) und pharmazeutische Industrie (153 000).
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Herbst 2017 seine Mitgliedsunternehmen aus der Gesundheitswirtschaft nach deren Konjunkturerwartungen befragt. Fast ein Drittel der Unternehmen plant einen Stellenaufbau, nur jedes zehnte eine Reduzierung. Das stärkste Personalwachstum plant die Medizintechnik, gefolgt vom Handel mit Gesundheitsgütern. Auch Gesundheitsund Sozialdienstleister sowie die Pharmaindustrie wollen ihr Personal deutlich aufzustocken. Das Fazit der DIHK-Konjunkturumfrage: Trotz verstärkter Schwierigkeiten bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften deuten die Zeichen auf einen kräftigen Beschäftigungszuwachs hin.
Der demografische Wandel betrifft die Pflege in doppelter Weise: mit der Alterung der Bevölkerung steigt die Nachfrage nach professioneller Pflege. Zugleich sinkt das Potenzial an Arbeitskräften, aus dem der Bedarf gedeckt werden kann. Der Fachkräftemangel bleibt laut Umfrage des DIHK das Top-Risiko bei der Konjunkturentwicklung. Mittlerweile sehen ihn 61 Prozent als Gefahr für ihre Geschäftstätigkeit an. Ganz vorne mit ihrer Sorge um Personalmangel liegen Gesundheits- und soziale Dienste wie die Pflege. Drei von vier Unternehmen leiden darunter. Gegen den eklatanten Pflegekräftemangel hilft nur: mehr Ausbildung.
Erhebliche ökonomische Bedeutung für das ganze Land
Dabei hat die Gesundheitswirtschaft erhebliche ökonomische Bedeutung für Deutschland. Die Gesundheitsausgaben haben 2017 erstmals die Marke von einer Milliarde Euro pro Tag überschritten. Für das vergangene Jahr prognostiziert das Statistische Bundesamt einen Anstieg um 4,9 Prozent auf 374,2 Milliarden Euro gegenüber 2016. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein internationales Konsortium von Wissenschaftlern mit einer Prognose des Arbeitsmarktes bis 2030 beauftragt. Die Wissenschaftler erwarten aufgrund höherer Nachfrage eine Zunahme in der Pflege um 120 000 und in den Gesundheitsberufen um 180 000 Beschäftigte. Interessante und sichere Arbeitsplätze wird es hier also auch in Zukunft geben.