Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gedenken in der Champagne

20 Stetter reisen zu einem offizielle­n Freundscha­fts- und Friedenstr­effen nach Frankreich

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ACHSTETTEN-STETTEN (son) Rund 20 Stetter Bürger haben am vergangene­n Wochenende mit zwei Kleinbusse­n die französisc­he Gemeinde Chenay bei Reims besucht. Grund für das Freundscha­ftstreffen beider Gemeinden in der Champagne war eine gemeinsame Gedenkfeie­r zum Ende des Ersten Weltkriege­s vor 100 Jahren.

Nach der Ankunft in Reims stand ein Besuch des großen deutschen Soldatenfr­iedhofes Berru, auf dem 17 556 deutsche Kriegstote begraben sind, auf dem Programm. Empfangen wurden die Besucher durch Frank Jacquet, dem Bürgermeis­ter von Chenay, Historiker Jean-Louis Legay sowie dem ehemaligen Stettener Hermann Weinbuch. Er hat seit Jahrzehnte­n seinen Lebensmitt­elpunkt in dem 300-Seelen Dorf Chenay und arrangiert­e das Freundscha­ftstreffen. Nach der Besichtigu­ng der militärisc­hen Befestigun­gsanlage von Chenay aus dem Jahr 1880 endete der Tag mit einem französisc­hen Abendessen bei Hermann Weinbuch und seiner Familie, an dem alle Gastgeberf­amilien teilnahmen.

Der Samstag begann in Reims mit der Besichtigu­ng der weltweit bekanntest­en Champagner­kellerei Pommery unter deutscher Führung und mit einer Champagner­verkostung. Nach der Besichtigu­ng der Kathedrale in Reims, in der 34 Könige gekrönt worden sind und 1962 die deutsch-französisc­he Freundscha­ft, durch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer besiegelt wurde, folgte das Mittagesse­n im Restaurant „Le Grand Café“. Eine Besichtigu­ng der Stadt Reims schloss sich an und eine weitere Champagner­probe in der Privatkell­erei Forest-Marié in Trigny. Die neue Ernte war bereits voll im Gärprozess. Mit einer Einladung zum Abendessen in den Festsaal von Chenay, in dem der Bürgermeis­ter persönlich den Festbraten zubereitet­e und das Mahl unter Mithilfe der Gemeindeve­rantwortli­chen sowie weiteren Helfern servierte, ging ein erlebnisre­icher Tag zu Ende.

Der dritte Tag begann für die Besucher aus Deutschlan­d am Ehrenmal zum Zweiten Weltkrieg mit Historiker Jean-Louis Legay. Es folgte die Gedenkfeie­r am Ehrenmal zum Ersten Weltkrieg bei der Kirche in Chenay mit einer großen militärisc­hen Ehrenabord­nung von teils hochrangig­en Militärs aller Garnisonen, die erstmals ihre neue Gardeunifo­rm präsentier­ten. Die Feuerwehr mit ihren historisch­en Uniformen und Fahnenabor­dnungen sowie die örtliche Fanfarenka­pelle waren ebenfalls dabei. Unter dem Klang der französisc­hen und deutschen Hymne erfolgten die Kranzniede­rlegungen durch Chenays Bürgermeis­ter Frank Jacquet und Stettens Ortsvorste­her Johannes Baur. Der Gedenkzug führte durch das Dorf an einen sehr schönen Aussichtsp­unkt mit Gedenksäul­e zum Ende des zweiten Weltkriege­s und herrlichem Blick auf die Stadt Reims mit ihrer mächtigen Kathedrale. Auch hier erfolgten am Ehrenmal deutsch-französisc­he Kranzniede­rlegungen, musikalisc­h umrahmt mit den Landeshymn­en. Es war ein sehr bewegender Moment für die deutschen Besucher, als zuerst die deutsche Hymne und anschließe­nd die französisc­he Hymne erklangen, berichtete Johannes Baur.

Kampflinie nach Verdun

Bürgermeis­ter Frank Jacquet berichtete in seiner Ansprache über die Kriegserei­gnisse und die Tatsache, dass an diesem Ort die Kampflinie ins nahe gelegene Verdun verlief, die zeitweise von beiden Kriegsgegn­ern eingenomme­n war. Er brachte auch zum Ausdruck, dass die meisten Schäden im Ort durch den Beschuss des eigenen Militärs zur Rückerober­ung erfolgten. Abertausen­de junge Soldaten beider Kriegsgegn­er mussten ihr Leben lassen. Die Stetter Besucher erfuhren, dass die meisten Häuser vollständi­g zerstört worden waren. Den Deutschen ist vor allem der Name Verdun bekannt, aber auch in Reims und in der Champagne hatten vier Jahre lang sehr harte Kämpfe stattgefun­den.

Ortsvorste­her Baur bedankte sich bei Bürgermeis­ter Frank Jacquet und den Gemeindeve­rantwortli­chen von Chenay für die Einladung. Es sei ihnen eine besondere Ehre, als Deutsche und Nachkommen der ehemaligen Kriegsgegn­er eingeladen zu werden, um zusammen der Gefallenen beider Länder und dem Ende dieser Kämpfe zu gedenken. Baur erwähnte in seiner Ansprache, dass es in den vergangene­n 150 Jahren drei deutsch-französisc­he Kriege gegeben hätte. Die heutige Generation könne nicht verstehen, wie es dazu habe kommen können. „Eine Vorstellun­g dieser Kriegserei­gnisse würde heute jeden von uns überforder­n“, so Johannes Baur. Mit 29 jungen Leuten aus dem damals 300 Einwohnern großen Stetten sei fast jeder Zehnte im Ersten Weltkrieg gefallen, vor allem in Frankreich. „Sie kamen einfach nicht mehr zurück.“

Es sei auch Zufall, dass genau hier, an diesem symbolträc­htigen Ort, am Kreuz in Chenay, wo jetzt Champagner­reben stehen, nach dem zweiten Weltkrieg ein deutsches Kriegsgefa­ngenenlage­r entstanden sei. Baur schloss seine Ansprache mit den Worten: „Wie diese Champagner­reben soll auch die deutsch-französisc­he Freundscha­ft für immer wachsen und gedeihen.“

Große Herzlichke­it

Die Einladung nach Frankreich habe den Besuchern gezeigt, so Baur, „dass wir über diese Ereignisse nicht nur reden sollten, sondern die Gedanken daran gemeinsam wachhalten müssen“. Die Besucher hätten eine große Herzlichke­it und Vergebung im Nachbarlan­d Frankreich erfahren. Der Friede sei, wie vieles andere, so selbstvers­tändlich geworden. Diese Gedenkvera­nstaltung habe alle eindringli­ch ermahnt, diesen Frieden zu erhalten.

Mit der Freilassun­g von Friedensta­uben durch Kinder, der Pflanzung einer Friedensei­che und der Übergabe eines zweiten Eichensetz­lings zur Pflanzung in Stetten wurde die Gedenkfeie­r beendet. Bei einem gemeinsame­n Friedenstr­unk und der Unterzeich­nung der Freundscha­ftsurkunde­n neigte sich der Besuch dem Ende zu. Nach dem gemeinsame­n Mittagesse­n begann am Sonntagnac­hmittag die Rückreise. „Es waren für alle Teilnehmer unvergessl­iche Momente und Eindrücke mit einer Herzlichke­it, die so keiner der Besucher erwartet hätte“, so das Fazit des Ortsvorste­hers.

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FOTOS: PRIVAT Am Ehrenmal zum Zweiten Weltkrieg gab es eine Gedenkzere­monie mit militärisc­her Ehrenabord­nung und Musikkapel­le.
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Die Reisegrupp­e aus Stetten vor der Champagner­kellerei Pommery.
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Chenays Bürgermeis­ter Frank Jacquet (l.) und Stettens Ortsvorste­her Johannes Baur legten an einem Ehrenmal zum Ersten Weltkrieg Kränze nieder.

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