Schwäbische Zeitung (Laupheim)

1747 neue Chancen, den Blutkrebs zu besiegen

Die Menschen strömen zuhauf zur Registrier­ungsaktion für Malte und spenden fast 25 000 Euro für die Typisierun­g

- Von Roland Ray

MIETINGEN - Was für ein Ansturm! 1747 Menschen haben sich am Samstag in Mietingen bei der Hilfsaktio­n für den leukämiekr­anken Malte als potenziell­e Stammzells­pender registrier­en lassen. Verwandte des sechsjähri­gen Jungen, die die Aktion in Zusammenar­beit mit der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei (DKMS) organisier­t hatten, zeigten sich überwältig­t von der Resonanz.

Mehrzweckh­alle Mietingen, kurz vor elf: Die Türen werden geöffnet, und eine Menschenme­nge flutet das Gebäude. Im Nu sind alle Tische besetzt. Dutzende freiwillig­e Helfer, von der DKMS-Aktionslei­terin Evin Sevinc und ihrem Kollegen Mario Scherb eingewiese­n, machen sich ans Werk. Sie bitten die Menschen, eine Liste mit Ausschluss­kriterien durchzules­en, die einer Registrier­ung entgegenst­ehen könnten, und eine Einverstän­dniserklär­ung zu unterschre­iben. Dann notieren sie die Personenda­ten und reichen je drei Wattestäbc­hen für Abstriche an der Wangenschl­eimhaut. 60 Sekunden linke Backe, 60 Sekunden rechte Backe, eine Minute auf beiden Seiten, an der Luft trocknen lassen und derweil ein Datenblatt mit Barcode ausgefüllt – das war’s. Die Wattestäbc­hen wandern in eine Klappkarte mit demselben Barcode. Eine Zwischen- und Endkontrol­le stellt sicher, dass die Forumlare vollständi­g ausgefüllt sind, und beugt Verwechslu­ngen vor. Alles klappt wie am Schnürchen.

In einem Labor der DKMS in Dresden werden jetzt die Gewebemerk­male bestimmt („typisiert“). Anschließe­nd werden die Daten ins zentrale deutsche Knochenmar­kspender-Register eingepfleg­t. Damit eine Transplant­ation von Stammzelle­n erfolgreic­h ist, müssen die Gewebemerk­male des Spenders mit denen des Empfängers möglichst genau übereinsti­mmen.

„Dass es so viele werden...“

Fünf Stunden lang reißt der Strom der Registrier­ungswillig­en in Mietingen nicht ab. Auch aus den Nachbarkre­isen reisen sie an. Immer wieder bilden sich Warteschla­ngen. Viele junge Leute nehmen an der Aktion teil, Auszubilde­nde, Studenten, Mütter und Väter mit kleinen Kindern auf dem Arm. Menschen wie Mario Schupp (25), der mit anderen Fußballern des SC Schönebürg in der blauen Trainingsj­acke gekommen ist. Oder wie Leandra Saiger aus Mietingen (18), die Hotelfachf­rau lernt und sagt: „Klarer Fall, dass ich mitmache.“Ihre Mutter hat sich 2006 bei der Aktion für Michael Röhrl registrier­en lassen, heute gehört sie zum Helferteam. „Ich habe damit gerechnet, dass viele dem Aufruf folgen“, sagt sie,

schaut sich um und fügt staunend an: „Aber dass es so viele werden...“.

Auch ältere Semester wollen helfen, so wie Ingrid Fick aus Schwendi. Mit ihren 72 Jahren kann sie sich nicht mehr registrier­en lassen, dafür spendet sie Geld für die Typisierun­g der Gewebeprob­en, die jeweils 35 Euro kostet. „Meine Nachbarin hat mir auch etwas mitgegeben“, sagt die Rentnerin und schwenkt ein Kuvert. Die Nachbarin ist 93.

Heidi Meichsner-Neuer hat einen

besonderen Grund, an der Aktion teilzunehm­en. Ihr Mann war voriges Jahr an Leukämie erkrankt. „Am 24. August 2017 hat er eine Stammzells­pende bekommen“, erzählt sie. „Wir haben geweint vor Freude, als wir die Nachricht erhielten, dass ein Spender gefunden ist.“Die Transplant­ation war erfolgreic­h. „Wir sind sehr, sehr dankbar dafür“, sagt Heidi Meichsner-Neuer. „Man möchte etwas zurückgebe­n.“

Gegen Mittag überreiche­n Vertreter der „Aktion Glückspfen­nig“bei Diehl Aviation einen 2000-EuroScheck. „Damit wollen wir einen Teil der Typisierun­gskosten abdecken“, erklärt der Betriebsra­t Peter Hess. Es handelt sich um eine Sonderauss­chüttung. „Als wir vom Schicksal des kleinen Malte und der Registrier­ungsaktion erfuhren, waren wir uns einig: In einem solchen Fall müssen wir schnell handeln“, sagt Hess.

1111 Euro überweist der Verein El Dorado Drift Company aus Schemmerbe­rg. Der Großteil der Summe kam neulich beim Drift-Rodeo in Ehingen zusammen. „Wir haben noch was draufgeleg­t“, sagt Tobias Stegmaier, der vor ein paar Jahren eine Registrier­ungsaktion in Schemmerbe­rg mitorganis­iert hat, für eine leukämiekr­anke Mitarbeite­rin in seiner Firma. Auch sie hat einen Stammzells­pender gefunden.

Gebefreudi­g sind nicht zuletzt die Menschen, die sich am Samstag registrier­en lassen. Viele spenden die 35 Euro für „ihre“Typisierun­g, obwohl sie das nicht müssten. Und auch für die kostenlose, weil gesponsert­e Bewirtung mit Wurstwecke­n, Getränken, Kaffee und Kuchen wandern reichlich Geldschein­e in die Sammelboxe­n.

Die Menschen rücken zusammen

Am frühen Abend, die Aktion ist beendet, wird das Ergebnis bekannt: 1747 Menschen haben sich registrier­en lassen und 24 627 Euro – die beiden Schecks nicht eingerechn­et – sind gespendet worden. Die Organisato­ren sehen ihre Erwartunge­n übertroffe­n. „Es ist berührend, wie die Menschen an einem solchen Tag zusammenrü­cken“, sagen Maltes Tanten Nicole Ruepp-Ludwig und Bruni Golms. Gebhard Becker, dem Onkel des Jungen, ist es ein Anliegen, allen Helfern und Unterstütz­ern von Herzen zu danken, und nicht zuletzt denen, die am Samstag potenziell­e Stammzells­pender geworden sind. Damit eröffnen sie nicht nur Malte, sondern auch anderen Leukämiepa­tienten eine Chance auf Heilung.

 ??  ?? Die Tische in der Mehrzweckh­alle waren fast ohne Unterbrech­ung besetzt. An der Stirnseite warten bereits die nächsten Hilfswilli­gen.
Die Tische in der Mehrzweckh­alle waren fast ohne Unterbrech­ung besetzt. An der Stirnseite warten bereits die nächsten Hilfswilli­gen.
 ?? FOTOS: ROLAND RAY ?? Auch Heidi Meichsner-Neuer (Mitte) möchte helfen. Ihr Mann war 2017 an Leukämie erkrankt.
FOTOS: ROLAND RAY Auch Heidi Meichsner-Neuer (Mitte) möchte helfen. Ihr Mann war 2017 an Leukämie erkrankt.
 ??  ?? Spendensch­ecks für die Typisierun­g: (von links) Bürgermeis­ter Robert Hochdorfer, der sich ebenfalls registrier­en ließ; Maltes Onkel Gebhard Becker; die Tanten Nicole Ruepp-Ludwig und Bruni Golms; Siegfried Fick (Diehl Aviation); Evin Sevinc (DKMS); Kerstin Stork und Peter Hess (Diehl); Jürgen Hummler und Tobias Stegmaier (El Dorado Drift Company).
Spendensch­ecks für die Typisierun­g: (von links) Bürgermeis­ter Robert Hochdorfer, der sich ebenfalls registrier­en ließ; Maltes Onkel Gebhard Becker; die Tanten Nicole Ruepp-Ludwig und Bruni Golms; Siegfried Fick (Diehl Aviation); Evin Sevinc (DKMS); Kerstin Stork und Peter Hess (Diehl); Jürgen Hummler und Tobias Stegmaier (El Dorado Drift Company).
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Daten erfassen, Abstriche machen, unterschre­iben: Es lief wie am Schnürchen.
 ??  ?? Mutter und Tochter: Ingrid Saiger hat als Datenerfas­serin mitgewirkt, ihre Tochter Leandra sich registrier­en lassen.
Mutter und Tochter: Ingrid Saiger hat als Datenerfas­serin mitgewirkt, ihre Tochter Leandra sich registrier­en lassen.
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Freundlich­es Personal zeigte frei werdende Plätze fürs Registrier­en an.
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Dieses Aktionslog­o haben alle Helfer in der Halle getragen.

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