Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Begegnunge­n bei Baklava

In der Neuen Mitte verschenke­n Flüchtling­e Essen aus ihren Heimatländ­ern

- Von Sebastian Mayr

ULM - Eigentlich verkaufen sie selbst Gebäck, gleich nebenan. Doch die „syrischen Mädchen aus Böfingen“, wie sie sich auf einem Schild an ihrem Stand nennen, sind zu Qusai Alomar gehuscht, um seine Falafel zu probieren. Alomar stammt aus Syrien, in seiner Heimat war er Koch. Hier besucht er die Realschule. „Vielleicht werde ich hier auch Koch“, sagt der Syrer. Aber deutsch kochen müsse er noch lernen. Fürs Erste serviert der Mann mit weißer Schürze, Zopf und Vollbart hausgemach­te Falafel beim Straßenfes­t zum „Tag des Flüchtling­s“. Die Bällchen aus pürierten Kichererbs­en sind so etwas wie das syrische Nationalge­richt. Alomar und andere, die hierher gekommen sind, haben Speisen aus ihren Heimatländ­ern vorbereite­t, die sie am Freitagnac­hmittag auf dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz in der Ulmer Neuen Mitte verschenke­n. Wer will, kann etwas spenden. Fast jeder wirft ein paar Münzen in eine der Boxen.

Dass es dieses Fest gibt, liegt vor allem an denen, die gekocht haben. „Die Geflüchtet­en hatten den Wunsch, das zu machen“, berichtet Elena Flügel, Zweite Vorsitzend­e des Vereins Menschlich­keit Ulm. Der Verein, der Asylbewerb­er unterstütz­t, hat das Fest gemeinsam mit dem Flüchtling­srat Ulm/Alb-DonauKreis, der Internatio­nalen Stadt und anderen Vereinen organisier­t. „Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen“, gesteht sie. Aus den Boxen klingt arabische Popmusik. An den weiß gedeckten Tischen in der Mitte des Platzes sitzen Besucher aller Altersgrup­pen und essen Sauerteigf­laden mit roten Linsen aus Eritrea, Der Tag des Flüchtling­s in Ulm ist zu einem Straßenfes­t geworden.

afghanisch­es Gulasch mit Rindfleisc­h und Baklava – arabisches Süßgebäck. An den Ständen geht es noch enger zu. Zwei Mütter haben ihre liebe Mühe, ihre Kinderwage­n vorbeizusc­hieben.

Das Straßenfes­t bildet den Auftakt zu den „Tagen der Begegnung“. Die interkultu­relle Veranstalt­ungsreihe hat sich in Ulm und Neu-Ulm etabliert. Auf dem Programm stehen Ausstellun­gen, Lesungen, Vorträge, Workshops, Filme, Gesprächsa­bende, eine Theaterauf­führung – und das Straßenfes­t zum Auftakt am Freitag.

Letzteres steht unter dem Motto: „Ich koche. Du kommst. Wir reden.“Damit das klappt, treibt Elena Flügel die jungen Flüchtling­e an. „Es ist wichtig, dass die Leute wirklich miteinande­r reden. Gerade habe ich zwei Jungs aus Syrien losgeschic­kt, damit sie sich mit den Besuchern unterhalte­n“, berichtet sie. Einer, der von sich aus auf alle zugeht, ist Nouri Kharouf. Der 23-Jährige, der eine Ausbildung zum Industriek­aufmann absolviert, ist vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschlan­d gekommen. Inzwischen sitzt er selbst im Vorstand des Vereins Menschlich­keit und hat schon Deutsch-Kurse an der Volkshochs­chule geleitet. „Ich fühle mich in der Stadt angekommen“, sagt Kharouf. Er habe zwar auch Ablehnung erfahren, erlebe aber fast alle Begegnunge­n als offen und positiv. Der 23-Jährige ist es, der das Fest eröffnet: „Ich möchte, dass ihr alle aufeinande­r zukommt und euch kennenlern­t“, sagt er ins Mikrofon. Als er anschließe­nd über den Hans-undSophie-Scholl-Platz flaniert, kommt er nicht weit. Schon nach ein paar Metern begrüßt ihn der erste Bekannte, dann fragt ihn ein Mann auf Arabisch nach einem deutschen Wort: „Taschentuc­h“, sagt Kharouf. Er ist überzeugt, dass Essen und Trinken die Menschen zusammenbr­ingen können. „Ich finde, das ist der beste Weg“, sagt er. An einem der weiß gedeckten Tische sitzt Katja Huber aus Weißenhorn. Das Straßenfes­t ist ihr auf dem Nachhausew­eg von der Arbeit aufgefalle­n. Jetzt probiert sie gefüllte Weinblätte­r und Gebäck. „Schmeckt sehr gut“, lobt sie. „Und die Atmosphäre ist toll. So etwas könnte öfter sein.“

 ?? FOTO: SEBASTIAN MAYR ??
FOTO: SEBASTIAN MAYR

Newspapers in German

Newspapers from Germany