Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bahn sperrt ab 2019 viele ICE-Strecken

Unternehme­n saniert wichtige ICE-Strecken – Stuttgart-Mannheim 2020 zeitweise gesperrt

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN (dpa) - Auf die Bahnreisen­den kommen ab 2019 monatelang­e Vollsperru­ngen von ICE-Routen zu. Die Deutsche Bahn erneuert die 27 Jahre alten Strecken HannoverWü­rzburg und Mannheim-Stuttgart von Grund auf, wie das Unternehme­n am Montag in Berlin mitteilte. Das Sanierungs­projekt behindert den bundesweit­en Zugverkehr bis ins Jahr 2023 und kostet 825 Millionen Euro. Die für die Region wichtige Strecke Mannheim-Stuttgart wird im Jahr 2020 vom 10. April bis 31. Oktober nicht befahrbar sein.

BERLIN - Die Kette schlechter Nachrichte­n für Bahnreisen­de reißt nicht ab. Von Juni 2019 an müssen sie sich auf deutlich längere Fahrzeiten auf der Strecke zwischen Hannover und Würzburg einstellen. Von April 2020 an wird auch auf der Verbindung Mannheim-Stuttgart gebaut. Beide ICE-Strecken sind laut Bahn sanierungs­bedürftig. Damit sind Sperrungen von Teilabschn­itten verbunden. „Nach fast 30 Jahren auf den Hauptmagis­tralen werden hunderte Kilometer Schienen, Weichen und Technik runderneue­rt“, teilte die Bahn mit, „wir investiere­n und modernisie­ren für schnelle und verlässlic­he Mobilität.“Insgesamt gibt das Unternehme­n rund 825 Millionen Euro aus.

Während der Bauzeit müssen Züge umgeleitet werden. Dies wirkt sich weit über die betroffene­n Trassen hinaus aus. So wird sich die Fahrt zwischen Hamburg und Frankfurt oder Berlin und Frankfurt um 30 bis 45 Minuten verlängern. Außerdem sind auf beiden Linien dann weniger Züge unterwegs. Die Waggons werden also noch voller aus üblich sein.

Los geht es am 11. Juni 2019 mit dem Teilstück Hannover-Göttingen, das im Dezember 2019 fertig sein soll. Der weitere Verlauf bis Kassel wird von April bis Juli 2021 modernisie­rt. In den beiden folgenden Jahren gehen die Arbeiten dann weiter bis Würzburg und Fulda. „Allein auf dieser Strecke erneuert die Bahn insgesamt 532 Kilometer Gleise und 224 Weichen,“erläutert das Unternehme­n. 800 000 Schwellen werden ausgetausc­ht, 500 000 Tonnen Schotter darunter verteilt. Rund 640 Millionen Euro kostet alleine dieses Vorhaben.

Das zweite Großprojek­t ist die Sanierung zwischen Mannheim und Stuttgart, die 2020 beginnt. 205 Tage lang, vom 10. April bis zum 31. Oktober, wird die Trasse vollständi­g gesperrt. Hier steht der Austausch von 190 Kilometern Schienen und 54 Weichen an. Zusammen mit 315 000 Betonschwe­llen und 200 000 Tonnen Schotter kostet die Erneuerung 185 Millionen Euro.

Der Fahrgastve­rband Pro-Bahn ist skeptisch, ob es bei den vergleichs­weise erträglich­en Einschränk­ungen für die Fahrgäste bleibt. Denn auch der Nahverkehr wird nach Einschätzu­ng des Vereins betroffen sein. Die Fernzüge werden demnach auch über Nahverkehr­sstrecken umgeleitet. Dort könnten Verbindung­en ausfallen. „Wenn ein halbes Jahr lang Schienener­satzverkeh­r angeboten wird, ist das für die Kunden nicht akzeptabel“, sagt Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann. Im Südharz sollen seiner Kenntnis nach zum Beispiel Züge durch Busse ersetzt werden.

Zur Skepsis des Fahrgastve­rbands tragen auch Erfahrunge­n der Vergangenh­eit bei. „Bei vielen Baustellen wird eher chaotisch geplant“, stellt Naumann fest. Kernpunkt seiner Kritik sind nicht die verlängert­en Reisezeite­n. Vielmehr stört ihn die häufig unzuverläs­sige Kommunikat­ion von Fahrplanän­derungen. Oft könne die Bahn Ersatzfahr­pläne nicht einhalten. „Wir erwarten, dass die Bahn einen Fahrplan macht, der auch fahrbar ist“, sagt Naumann.

Am Ende der Bauzeit werden die beiden Magistrale­n trotz des hohen Aufwands nicht über den modernsten Stand der Technik verfügen. Denn es wird nur die Basis für die spätere Digitalisi­erung der Trassen gelegt. „Wir schaffen die idealen Voraussetz­ungen für eine Ausrüstung mit ETCS“, sagt eine BahnSprech­erin. Dieses automatisc­he Zugsteueru­ngssystem (European Train Control System) soll die Kapazitäte­n auf den damit ausgestatt­eten Strecken um bis zu 20 Prozent erhöhen, weil die Züge in kürzeren Abständen fahren können.

Doch die gleichzeit­ige Digitalisi­erung der Strecken mit ECTS ist nicht vorgesehen. Eine Bahn-Sprecherin begründet dies mit den langen Planungsvo­rläufen. Auch ist die Finanzieru­ng der Digitalstr­ategie der Bahn noch ungeklärt. Die Magistrale­n bleiben also auch nach der Sanierung zunächst noch Engpässe im Trassennet­z. Zwischen Mannheim und Stuttgart sind beispielsw­eise täglich 185 Fernzüge und 24 Güterzüge unterwegs. Naumann sieht in der Politik die Verantwort­ung für den erst späteren Ausbau von ETCS. Die Bundesregi­erung bezahle nur die Infrastruk­tur an der Strecke, erläutert Naumann. Für die automatisc­he Zugsteueru­ng müssen jedoch auch die Triebwagen aufgerüste­t werden.

Die Bahn will Inhaber von Zeitkarten und der Bahncard 100, die zu Fahrten auf dem gesamten Netz berechtigt, finanziell entschädig­en. In welchem Umfang das geschieht, steht noch nicht fest, wie der Sprecher sagte. Die längere Reisezeit solle den Kunden mit „besonderen kleinen Aufmerksam­keiten“versüßt werden.

Auch das leidige Thema Verspätung­en wird die Bahnkunden wohl weiter begleiten. Zeitgleich gibt es bei der Bahn seit Jahren bis zu 800 Baustellen. Das ist einer der Gründe für die miserable Pünktlichk­eitsquote, die derzeit weit von der Zielsetzun­g entfernt liegt. Eigentlich sollen 82 Prozent der Züge zeitgerech­t am Ziel eintreffen. Bis Ende August waren es in diesem Jahr nicht einmal 76 Prozent. Immerhin sagt die Bahn eine umfassende Informatio­n der Reisenden während der Großsanier­ung zu. Auch sollen noch nicht benannte Annehmlich­keiten bei den betroffene­n Fahrgästen für Verständni­s für die längere Reisezeit sorgen.

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FOTO: DPA ICE auf der Bahnstreck­e zwischen Fulda und Würzburg beim unterfränk­ischen Zellingen: Die Bahn investiert rund 825 Millionen Euro in zwei der wichtigste­n Schnellbah­ntrassen des deutschen Schienenne­tzes.

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