Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Grüne fürchten den Wolf

Raubtier spaltet die Partei – Neuer Vorfall nahe Rastatt

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Erneut hat ein Wolf im Nordschwar­zwald Schafe gerissen. Der Rüde mit der Bezeichnun­g GW852m hat Anfang September in Gernsbach-Reichental (Landkreis Rastatt) zwei Tiere getötet, ein weiteres starb wohl auf der Flucht. Das hat am Montag das Senckenber­g-Institut bestätigt, dass die Kadaver auf Spuren untersucht hatte.

Der Wolf ist der erste, der dauerhaft in Baden-Württember­g lebt. Nachdem bei seiner Attacke in Bad Wildbad rund 40 Schafe starben, hat das Land in 60 Kilometern Umkreis die „Förderkuli­sse Wolfspräve­ntion“ausgewiese­n. Nutztierha­lter bekommen dort alle verursacht­en Schäden zurück, wenn sie ihre Herden schützen. Das sei in Gernsbach aber nicht der Fall gewesen, mahnte Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). Seine Partei ringt noch um eine klare Haltung zur Wolfsfrage. Die CDU hat dagegen bereits konkrete Forderunge­n.

STUTTGART - Der Wolf ist angekommen in Baden-Württember­g. Das stellt vor allem die Grünen vor Probleme. Wie mit dem streng geschützte­n Raubtier umgehen? Diese Frage soll nicht den Landtagswa­hlkampf mitbestimm­en. Doch das wird sie, wenn die Grünen keine gute Antwort finden. Die CDU erhöht den Druck auf den Regierungs­partner.

Im Sommer besuchten grüne Abgeordnet­e jene Bundesländ­er, die Heimat mehrerer Wolfsrudel sind. In Niedersach­sen, Sachsen und Brandenbur­g leben je 20. In Baden-Württember­g hat sich ein Wolf im Nordschwar­zwald niedergela­ssen. Er unternahm bereits mehrere Raubzüge. In Bad Wildbad starben im Mai rund 40 Schafe, am Montag bestätigte­n Experten einen weiteren Riss mit drei toten Tieren. In fünf Jahren werden im Südwesten erste Rudel heimisch, so alle Fachleute.

„Kurti“lässt grüßen

Veranstalt­ungen zum Wolf sind Land auf, Land ab überfüllt, die Debatten emotional. Wenn ein Raubtier in der Nähe von Menschen auftaucht, wird es richtig heikel. Davon kann Niedersach­sen ein Lied singen: Dort musste Wolf Kurti 2016 erschossen werden, weil er sich Wohngebiet­en näherte. Das Thema war eines der wichtigste­n im Landtagswa­hlkampf 2017. Die Grünen im Südwesten wollen für ihren nächsten Wahlkampf 2021 unbedingt vermeiden, dass sie als zu wolfsfreun­dlich gelten, Belange von Bauern und Bürgern aus ideologisc­hen Gründen ignorieren.

Der Wolf ist streng geschützt. Er darf nicht gejagt werden. Es gelten Ausnahmen: Wenn ein Wolf für Menschen gefährlich wird oder Herdenschu­tzmaßnahme­n wie hohe Zäune mehrfach überwindet. Den Abschuss muss das Umweltmini­sterium genehmigen. In Deutschlan­d war das seit 1990 drei Mal der Fall.

Land ersetzt Schaden

Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) unterstütz­t Halter von Schafen, Rindern und Ziegen. Wo ein Wolf sich ansiedelt, übernimmt das Land 90 Prozent der Kosten für Zäune. Der Einsatz von Herdenschu­tzhunden wird mit 2000 Euro pro Jahr gefördert. Außerdem fördert das Land Weidetierh­alter, wenn sie umweltfreu­ndlich wirtschaft­en. Über 19 Millionen Euro flossen 2017. Tötet ein Wolf ein Nutztier, erstattet das Land den Schaden – wenn der Halter seine Tiere angemessen geschützt hat. Der CDU reicht das nicht. Unter anderem wollen die Christdemo­kraten, dass das Land Weidezonen und Siedlungsg­ebiete ausweist. Dringt ein Wolf ein, dürfte er erlegt werden. Zu dem Vorschlag sagt ein Sprecher von Umweltmini­ster Unterstell­er: „In Anbetracht der geltenden Vorgaben könnten wir kein Gebiet ausweisen, in dem der Schutz des Wolfes gelockert und eine Entnahme einfacher möglich wäre.“Außerdem schütze selbst eine solche Zone nicht vor durchziehe­nden Tieren.

Die CDU will den Wolf auch ins Jagd- und Wildtierma­nagementge­setz aufnehmen. Er dürfte weiter nur in Ausnahmen geschossen werden. Doch sollte sich am Schutzstat­us etwas ändern, könnten Jäger den Wolf zu bestimmten Zeiten jagen. Derzeit versucht Niedersach­sen, den Wolf als nicht mehr so stark bedroht erklären zu lassen. Darüber hinaus würden Jäger stärker miteinbezo­gen in die Beobachtun­g der Tiere, argumentie­ren die Befürworte­r.

Zu denen zählen die Grünen eigentlich nicht. Doch intern wird heiß diskutiert. Reinhold Pix, jagdpoliti­scher Sprecher der Landtagsfr­aktion, gilt als weniger wolfsfreun­dlich als etwa Markus Rösler, Naturschut­zexperte. Noch gibt es deshalb keine einheitlic­he Postion, etwa zur Frage, ob es, wie von der CDU gefordert, wolfsfreie Zonen geben kann und ob man Jäger besser ins Wolfsmanag­ement einbinden muss.

Kaum wirksamer Schutz

Darauf angesproch­en sagt Pix nur: „Es gibt einfach einen Konflikt zwischen der Weidetierh­altung und der Rückkehr des Wolfes in unserer Kulturland­schaft. Wir müssen die Karten auf den Tisch legen. Das heißt auch, den Weidetierh­altern zu sagen, was auf sie zukommt. Sie brauchen praktikabl­e und verlässlic­he Lösungen. Dazu gibt es erste Schritte in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht am Ziel.“

Das Stichwort heißt „praktikabe­l“. Fachleute aus dem Wolfsland Brandenbur­g sagen: Wölfe sind clever und lassen sich selbst von Zäunen oder Strom nie völlig aufhalten. Im Gestein auf der Alb lässt sich ein Zaunpfoste­n kaum einbohren, in Steillagen des Schwarzwal­ds taugen Zäune wenig. Trotz der vielen Angebote des Landes, um Schäfer zu unterstütz­en: Viele würden aufgeben, wenn sich Wölfe ansiedeln. Zäune zu bauen bedeutet mehr Arbeit. Und das in einem Geschäft, dass sich für viele nur im Nebenjob lohnt.

Damit kämpfen die Grünen mit einem Konflikt zwischen zwei Kernanlieg­en: Natur- und Artenschut­z. Auf der Schwäbisch­en Alb hat die Unesco große Regionen auch deshalb als Biospähren­gebiet anerkannt, weil es selten Weiden und Wiesen gibt. Die bleiben nur erhalten, wenn Schäfer ihre Herden darauf weiden lassen. Wolf frisst Naturschut­z – das will niemand bei den Grünen. Das Thema beschäftig­t auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Er wolle sich das Amt nicht vom Wolf rauben lassen, heißt es.

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FOTO: DPA Clever: Wölfe lassen sich nach Ansicht von Experten nie völlig von Weidetiere­n fernhalten.

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