Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das Grollen in der CSU wird lauter

In der Partei hat sich viel Frust angestaut, vor allem über Seehofer und die Politik in Berlin

- Von Marco Hadem und Christoph Trost

MÜNCHEN (dpa/lby) - Kaum hat Horst Seehofer die Tür hinter sich geschlosse­n, geht es los. Kaum ist der Parteivors­itzende Richtung Berlin unterwegs, lassen in einer CSU-Vorstandss­itzung gleich mehrere Teilnehmer ihrer Wut und Enttäuschu­ng über die aktuelle Lage freien Lauf. Vor allem über Berlin. Und zum Teil auch über Seehofer selbst.

„Ich bin fassungslo­s, dass 14 Tage vor der entscheide­nden Wahl der Parteivors­itzende nicht bis zum Ende an der Sitzung teilnimmt“, schimpft CSU-Urgestein Barbara Stamm. Wer Stamm kennt, weiß, dass die Landtagspr­äsidentin zwar kein Problem mit klaren Worten hat, aber eine so offene Kritik an Seehofer ist dann doch ungewöhnli­ch. Und mehr noch: Auch Seehofers Entschuldi­gung für die vorzeitige Abreise aus der Sitzung, das Treffen der Spitzen der Großen Koalition in Berlin am Abend, lässt Stamm nicht gelten: Es sei eine Frage des Stils, bis zum Ende der Sitzung in München zu bleiben, sagt sie.

Stamm ist mit ihrer Meinung über Seehofer und Berlin nicht allein. Das zeigt nicht nur der Applaus, den die 73-Jährige nach Angaben von Sitzungste­ilnehmern erhält. Auch andere Vorstände, darunter der frühere Generalsek­retär Thomas Goppel, der ehemalige Bundesmini­ster Peter Ramsauer und Ex-Kultusmini­ster Ludwig Spaenle, finden deutliche Worte. Der Tenor ist immer gleich: Die Große Koalition im Bund sei „der“Grund, weshalb in Bayern der CSU die Wähler weglaufen. „Die unendliche Diskussion über einen Beamten in Berlin war wie eine Atombombe“, wird Spaenle zitiert – er spielt dabei auf den Streit um die Versetzung von Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen an.

Vor den Kameras demonstrie­ren Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder noch Optimismus. „Ich bin nach wie vor optimistis­ch und zuversicht­lich. Wir sind ja unter den Leuten – und das begründet diese Zuversicht“, sagt Seehofer. „Ich glaube, wenn wir jetzt richtig powern, noch mal die nächsten 14 Tage, dann werden wir gut abschneide­n.“

Die Partei steht vor einer Zäsur

Doch die lauter werdende interne Kritik zeigt, wie nervös die CSU längst ist. Nicht nur, dass der Verlust der 2013 mühsam zurückerla­ngten absoluten Mehrheit droht. Die CSU steht vor einer Zäsur, in den Umfragen liegt die Partei, die früher um Werte von 50 Prozent plus X kämpfte, aktuell nur bei rund 35 Prozent.

Söder & Co. haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es bis zum 14. Oktober wieder etwas aufwärts geht. Doch die Sorge vor neuem Berliner Störfeuer ist groß. Söder gibt deshalb als Losung aus: „Bayern in den Fokus rücken und in Berlin nix Falsches beschließe­n.“Und wenn er sagt „Wir setzen auf eine Emotion, eine Emotion des Nachdenken­s“oder „Das Nachdenken setzt ein. Das Umdenken zu Bayern, weg von Berlin, findet statt“, klingt das eher wie eine Hoffnung.

Hinter vorgehalte­ner Hand wird in der CSU längst diskutiert, wie es nach der Wahl weitergeht – wie lange Seehofer noch Parteichef bleiben kann. Auch Söder wird in der Pressekonf­erenz gefragt – und versucht demonstrat­iv zu bremsen. „Wir machen keine Personalsp­ielereien – ganz im Gegenteil“, sagt er. „Wir wollen die nächsten zwei Wochen und darüber hinaus versuchen, die Stabilität auch als CSU zu zeigen.“

Fakt ist: Vier Wochen nach der Wahl, spätestens am 12. November, muss im Landtag der neue Ministerpr­äsident gewählt werden. Das begrenzt die Zeit für mögliche Koalitions­verhandlun­gen ganz massiv. Einen Parteitag, um einen möglichen Koalitions­vertrag abzusegnen (oder auch um einen neuen Parteichef zu wählen) plant die CSU jedenfalls derzeit nicht. Aber wer führt denn eigentlich die Koalitions­verhandlun­gen, der Parteivors­itzende oder der Ministerpr­äsident? „Wir werden das schon richtig machen“, sagt Seehofer. Und nach einer kurzen Pause schiebt er dann noch hinterher: „Glaube ich jedenfalls.“

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FOTO: DPA Seine vorzeitige Abreise nach Berlin kam in München nicht gut an: CSUChef Horst Seehofer.

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