Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die wirtschaft­liche Einheit bleibt aus

- Von Markus Sievers, Berlin

Auf die wirtschaft­liche Einheit dürften die Menschen in Ostdeutsch­land vergeblich warten: Laut einer Studie werden die Regionen in den nächsten Jahrzehnte­n auseinande­rdriften. Wie entwickelt sich der Wohlstand in den alten und neuen Bundesländ­ern? Die Fakten zum Tag der Deutschen Einheit:

Ost-West-Prognose: Der Wohlstand in Ostdeutsch­land nimmt zwar bis 2045 weiter zu. Aber die wirtschaft­sstarken Länder im Westen werden ihren Vorsprung weiter ausbauen, zeigt die neue Erhebung des Forschungs­instituts Prognos. Damit kommen die Forscher beim Blick in die Zukunft zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Bundesregi­erung, die im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit gerade eine Bilanz für die zurücklieg­ende Zeit seit dem Fall der Mauer gezogen hat. Thüringen und Brandenbur­g, Sachsen und Mecklenbur­g-Vorpommern kommen wirtschaft­lich voran. Den Rückstand zu Bayern oder BadenWürtt­emberg können sie aber nicht verkleiner­n. Im innerdeuts­chen Vergleich fallen sie vielmehr weiter zurück. Dies sieht auch Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft so. Zwar sei das Projekt Aufbau Ost aus ökonomisch­er Sicht insgesamt erfolgreic­h verlaufen. „Trotzdem halten sich die Unterschie­de zwischen Ost und West hartnäckig. Zum Teil vergrößern sie sich auch“, betont Röhl.

Vorteile für die Spitzenrei­ter:

Grundsätzl­ich sind die Aussichten für die Bundesrepu­blik günstig. Pro Einwohner kann sie das Bruttoinla­ndsprodukt laut der Vorhersage bis 2045 um 1,4 Prozent pro Jahr steigern. Dafür sorgen im Wesentlich­en die Länder, die heute schon vorne liegen – also Bayern, Baden-Württember­g, Hamburg und Hessen. Sie alle können sich darauf einstellen, dass ihre Wirtschaft schneller wächst als die im Bund insgesamt. Im Durchschni­tt bewegt sich das bevölkerun­gsreiche Nordrhein-Westfalen. Alle anderen Bundesländ­er können dieses Tempo nicht mithalten. Vor allem Brandenbur­g und Mecklenbur­g-Vorpommern fallen mit einer prognostiz­ierten Wachstumsr­ate von 0,8 Prozent je Einwohner und Jahr zurück. Unter den Westländer­n bildet Niedersach­sen mit 1,0 Prozent das Schlusslic­ht. Nicht alles lässt sich also als OstWest-Gegensatz beschreibe­n – ein Nord-Süd-Gefälle kommt hinzu.

Faktor Demografie: Dabei sind die tatsächlic­hen Unterschie­de noch größer, als es die Pro-Kopf-Betrachtun­g ausweist. Denn in den wachstumss­chwächeren Regionen schrumpft auch die Bevölkerun­g. Dort werden weniger Kinder geboren. Und es wandern viele junge Leute ab. So erwarten die Prognos-Forscher, dass Sachsen-Anhalt bis 2045 jeden fünften Einwohner verliert.

Prognose: Vorige Woche hat die Bundesregi­erung mit ihrem Bericht zum 28. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ein freundlich­eres Bild gezeichnet. Bei den Fakten stimmen die Betrachtun­gen aber weitgehend überein. Demnach hat sich der Osten bei wichtigen Kennziffer­n wie der Beschäftig­ung deutlich angenähert. Die Arbeitslos­enquote liegt nur noch gut zwei Prozentpun­kte höher als im Westen, während der Abstand Anfang der 2000er Jahre noch über zehn Prozentpun­kte betrug.

Wirtschaft­sförderung: Mittlerwei­le zeichnet sich ab, dass die Angleichun­g nicht von alleine weitergehe­n wird. Vielmehr haben die Ostländer lange von der starken Wirtschaft­sförderung profitiert, die sich mit Auslaufen des Solidarpak­ts II im Jahr 2020 dem Normalmaß annähert.

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