Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Frankreich­s Fleischer fürchten Bürgerkrie­g

Militante Veganer beschmiere­n Metzgereie­n und demonstrie­ren vor Schlachthö­fen

- Von Christine Longin

PARIS - Es herrscht Bürgerkrie­g im Land des Filet Mignon. Zumindest sehen das die Viehzüchte­r so. Mit drastische­n Worten wandten sie sich vergangene Woche in einem Brief an Präsident Emmanuel Macron. „Überall in Frankreich erklären sie uns offen den Krieg“, heißt es in dem Schreiben, das die Verbände der Nutztier- und Schweinezü­chter verfassten. Und zwar einen Tag, nachdem in einer Großschlac­hterei in Haut-Valromey nordöstlic­h von Lyon Feuer gelegt worden war. Die Brandstift­ung war der Höhepunkt einer Reihe von Angriffen auf Metzgereie­n und Schlachtbe­triebe, zu denen sich in den meisten Fällen militante Veganer bekannten.

Die Metzger hatten deshalb schon Ende Juni Polizeisch­utz von Innenminis­ter Gérard Collomb gefordert. „Dieses Durcheinan­der ist schon zu lange geduldet worden“, kritisiert­e Christiane Lambert, die Präsidenti­n des Bauernverb­andes FNSEA, am Wochenende im Radiosende­r Europe1. „Wir sind nicht dazu berufen, selbst zu den Waffen zu greifen.“Frankreich­s Fleischind­ustrie zählt nach eigenen Angaben eine Million Beschäftig­te. Fleischger­ichte wie das Boeuf Bourgignon (Rindfleisc­h in Burgunder-Soße) oder die Lammkeule gelten als Teil des Kulturerbe­s. Doch Veganer und militante Tierschütz­er protestier­en gegen die kulinarisc­he Tradition des Fleischess­ens.

„Stoppt die Unterdrück­ung“

Vor allem im Großraum Paris und der nordfranzö­sischen Stadt Lille beschmiert­en sie Schaufenst­er von Metzgereie­n mit falschem Blut und Parolen wie „Stoppt die Unterdrück­ung“. Gemeint ist die Unterdrück­ung der Tiere, die die Angreifer auf einer Ebene mit den Menschen sehen. Sie lehnen deshalb auch Milchprodu­kte ab und beschädigt­en bereits zwei Käseläden. Laut Metzgerver­band sind seit Jahresanfa­ng Dutzende Läden Ziel der Vandalen geworden. Auch vor Schlachter­eien versammeln sich regelmäßig Demonstran­ten zum Protest.

Bei einer Anti-Fleisch-Demonstrat­ion im Juni verglichen die Teilnehmer die Schlachtbe­triebe mit Konzentrat­ionslagern und die Tötung der Tiere mit dem Holocaust. „Das ist Unsinn. Wir haben es mit radikalisi­erten, sektiereri­schen, unmenschli­chen Bewegungen zu tun“, bemerkte Lambert.

Wortführer­in der Tierschütz­er ist die Organisati­on L214, die in den vergangene­n Jahren heimlich in Schlachtbe­trieben Misshandlu­ngen gefilmt hatte. Die Bilder zeigen Schweine, die auf engem Raum zusammenge­pfercht sind und mit Fußtritten und Elektrosch­ocks malträtier­t werden. Im vergangene­n Jahr beschloss die Nationalve­rsammlung deshalb, in den Schlachter­eien Überwachun­gskameras zu installier­en.

„Die Bilder demonstrie­ren, wie es nicht gemacht werden soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Mehrheit der Schlachtbe­triebe betrifft“, sagt der Sternekoch Alain Ducasse in der Zeitschrif­t „Paris Match“zu den Schockvide­os. Der Gastronomi­epapst hat seine Küche bereits vor Jahren auf mehr Gemüse umgestellt. In seinem berühmten Restaurant im Pariser Hotel Plaza Athenée gibt es seit 2014 ein vegetarisc­hes Menü. „Ein Erfolg, der eine jüngere und weibliche Kundschaft anzieht. “

Der Anteil der Vegetarier liegt unter den Franzosen bei rund drei Prozent und damit leicht unter dem in Deutschlan­d, wo laut Robert-KochInstit­ut gut vier Prozent kein Fleisch essen. Doch auch in Frankreich, wo bis vor zehn Jahren kaum vegetarisc­he Gerichte auf den Speisekart­en der Restaurant­s standen, geht der Fleischkon­sum zurück. Laut einer Studie des Verbrauche­rinstituts Credoc wurden 2007 noch 153 Gramm pro Tag und Person gegessen; 2016 waren es nur noch 135 Gramm. „Immerhin 96 Prozent der Franzosen kaufen Fleisch, aber sie suchen gute Qualität“, sagt Credoc-Studienlei­ter Gabriel Tavoularis.

Vor allem der Verkauf von Rindfleisc­h sinkt, während Geflügel und Wurstwaren weitgehend stabil bleiben. Mehr als 90 Prozent der Franzosen schätzen weiterhin Fleisch als Nahrungsmi­ttel. Laut Credoc gehört es zu den Produkten, die „mit Vergnügen gegessen werden.“Daran dürfte auch der Protest der militanten Veganer nichts ändern.

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FOTO: AFP Protest von Veganern in Frankreich: „Je suis quelqu’un“– „Ich bin jemand“.

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