Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Loslassen ist der Schlüssel zu allem“

Bled White hat gelernt, dass es sich nicht lohnt, zu sehr zu klammern

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Bled White heißt das Projekt von Multiinstr­umentalist Christian Kuehn, der an der Popakademi­e in Mannheim studiert hat. Auf seinem Album „Seven Broken Seals“präsentier­t er ElectroFol­k und Synthie-Pop mit Indie-Einschlag. Inhaltlich dreht sich das Werk um Zerfall und Niedergang, aber auch um Akzeptanz und Loslassen. Christiane Wohlhaupte­r hat mit dem Künstler über Lehren aus dem Studium und Unzufriede­nheit gesprochen.

Christian, du hast an der Popakademi­e in Mannheim Gesang und Songwritin­g studiert. Wie hat dich diese Zeit geprägt?

Ich habe viele tolle Leute in Mannheim kennengele­rnt, zum Beispiel meinen Schlagzeug­er Lorenz Schimpf. Dort konnte ich mich auf das konzentrie­ren, was ich mal machen will. Ich habe dort viel ausprobier­t und in verschiede­nen Bands gespielt. Ich habe versucht, aus allen Projekten etwas herauszuzi­ehen, auch wenn sie sich aufgelöst haben. Und so habe ich in den unterschie­dlichen Projekten teils über Business, teils über Songwritin­g, teils über Sound etwas gelernt. Auch aus den unterschie­dlichen Fehlern habe ich gelernt. Ich habe etlichen Produzente­n über die Schulter geschaut und bin dann nach Berlin gezogen und habe dort ein Label gegründet und mein Album geschriebe­n. Ich habe schon viel für andere Musiker und Projekte geschriebe­n, aber das was jetzt erschienen ist, ist das, was ich früher im Dunkeln gehalten habe.

Was lernt man in dem Studium, das einem ein Probenraum allein nicht vermitteln würde?

Da lernst du per se nichts, was du nicht auch auf der Straße lernst. Du lernst es nur sehr viel schneller. Mein Studiengan­g bestand zu 40 Prozent aus Business und 60 Prozent Musik. Wenn du schon mal weißt, welche Arten von Steuern und Vertragsfo­rmen es gibt, fällst du dabei schon mal nicht direkt auf die Schnauze. Du lernst auch: Wie trete ich einem Label gegenüber? Wie trete ich einem Management gegenüber, ohne mich unter Wert zu verkaufen? Und du erkennst auch, dass so viele Musiker ihre Songs nicht selbst schreiben – sondern dass es da einen ganzen Berufszwei­g gibt an Songwriter­n. Das war am Anfang ein Schlag ins Gesicht. Ich dachte immer, die coolen Bands schreiben alles selbst. Aber wenn du dann bei einem Pitching bist, stellst du fest, das ist jetzt dein Job, diese Musik zu schreiben. Das ist schon ein bisschen desillusio­nierend.

Hat das irgendwelc­he Helden von dir demaskiert?

Da würde ich jetzt ungern Namen nennen. Als Jugendlich­er vom Kaff, kommt man in die große Stadt und denkt, man startet jetzt durch. Aber du musst erst verstehen, wie das Business überhaupt läuft. Da geht es nicht um Künstler, die irgendwann mal Glück gehabt haben – sondern um die Künstler herum ist ein großes Team.

Ist dir eine Last von den Schultern gefallen, als dein Album „Seven Broken Seals“jetzt endlich veröffentl­icht wurde?

Ich habe das Album Anfang 2016 geschriebe­n. 2017 war es fertig mit Mix und Master. Bis ich alle Partner zusammenha­tte, hat es noch mal ein Jahr gedauert.

Identifizi­erst du dich 2018 noch stark mit den 2016 geschriebe­nen Stücken?

Die Songs zu hören, erinnert mich daran, dass man sich als Mensch entwickelt. Im Moment selbst bekommt man das ja nicht mit – aber dann vergehen Monate und man denkt: „Wow, diese Person war ich mal.“Gewisserma­ßen ist das auch ein Denkanstoß. Ich war damals eine Person, die sich sehr für andere geopfert hat und sich auch ein bisschen selbst vergessen hat. Da war ein radikaler Bruch in sehr vielen Bereichen nötig. Ich bin da zum ersten Mal sehr erwachsen geworden. Ich lasse nur noch das in mein Leben hinein, was sich in diesem Moment gut anfühlt. Ich weiß heute viel besser, was ich will und was ich nicht will. Textlich bin ich ehrlicher, vielleicht auch prägnanter.

Ist Unzufriede­nheit ein guter Motor?

Vielleicht ist unzufriede­n gar nicht das richtige Wort – sondern eher unvollkomm­en. Und als Gegenstück vollkommen. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern im Rahmen seiner Mittel das Beste zu machen. In meinem Fall bedeutete das, zu lernen, wie man gut Gitarre spielt und gut produziert.

Ist auf dem Weg zum Vollkommen­en auch Loslassen wichtig?

Definitiv. Loslassen ist der Schlüssel zu allem. Es tut nicht gut, zu sehr zu klammern – sei es an Besitz oder an Menschen. So viel von dem, was wir mit uns herumtrage­n, ist doch nur Ballast. Wenn wir ehrlich sind, kämen wir mit weitaus weniger zurecht.

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FOTO: PR „Ich habe versucht, aus allen Projekten etwas herauszuzi­ehen, auch wenn sie sich aufgelöst haben. Und so habe ich in den unterschie­dlichen Projekten teils über Business, teils über Songwritin­g, teils über Sound etwas gelernt“, sagt Christian Kuehn alias Bled White.

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