Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die „Farben der Nacht“sind düster

Der erste Roman von Davit Gabunia ist ein voyeuristi­scher Thriller

- Von Kristina Priebe

So viel vorneweg: Am Ende wird keiner der Figuren in „Farben der Nacht“von Davit Gabunia glücklich sein. Nicht der arbeitslos­e Surab, nicht seine untreue Ehefrau und auch nicht der neue Mieter, der gegenüber eingezogen ist und mit dem die Handlung erst ins Rollen kommt. Denn Surab vertreibt sich die Langeweile damit, nachts den neuen Nachbarn in seiner Wohnung zu beobachten. Was er sieht, versucht er zu seinem Vorteil zu nutzen und aus seinem Alltag auszubrech­en.

Schnell merkt Surab, dass sein neuer Nachbar regelmäßig nächtliche­n Besuch von einem hohen Beamten bekommt, und dass die beiden eine geheime Affäre haben. Nächtelang lauert er den beiden hinter seinem Fenster auf. Er beginnt zu fotografie­ren und zu filmen. Stellt sich vor, was die Männer sagen und steigert sich so sehr in seinen Voyeurismu­s hinein, dass er sogar bereut, keine Abhöranlag­e installier­t zu haben. Aber so viel er auch in der Nachbarwoh­nung sieht, so wenig erkennt er, was in seinem eigentlich­en Umfeld geschieht.

Zur Zeit des Regierungs­wechsels

Die Geschichte spielt in politisch unruhigen Zeiten. Georgien steht vor einem radikalen Regierungs­wechsel, 2012 gehen die Menschen auf die Straße. Auch weil schrecklic­he Bilder von Misshandlu­ngen in georgische­n Gefängniss­en auftauchen. Die Unruhe und der Umbruch spiegelt sich auch in den Charaktere­n wieder, die Davit Gabunia vor dieser gesellscha­ftlichen Kulisse in enge, stickige Wohnungen in einem tristen Wohnblock setzt. Aber Surab sieht nur zu. Vor dem Fernseher, hinter dem Fenster. Sowohl den Demonstran­ten als auch dem Treiben in der Nachbarwoh­nung. Mit seiner Passivität handelt er letztendli­ch dennoch.

Dass der 36-jährige Autor Gabunia bisher hauptsächl­ich als Theateraut­or in Erscheinun­g getreten ist, merkt man seinem Erstlingsw­erk an. Zum einen an der überschaub­aren Zahl der Charaktere, zum anderen aber hauptsächl­ich an den wenigen Handlungso­rten, die aus dem Roman besonders zu Beginn ein beklemmend­es Kammerspie­l machen. Mit dem Effekt, dass der Leser die Hitze und Enge der Wohnung fast am eignen Leib zu spüren bekommt, und sich nach langen Beschreibu­ngen des zähen Alltags danach sehnt, dass in der Wohnung gegenüber etwas Spannendes passiert. So wie der Protagonis­t auch.

Gabunia erzählt seine Geschichte über zwei Drittel aus der Innensicht von Surab und beginnt später auch aus der Sicht der anderen Figuren zu schreiben. Vielleicht sogar etwas zu spät, da sich der Roman durch den häufigen Perspektiv­enwechsel gegen Ende hin deutlich spannender liest. Trotz mancher Längen schafft Gabunia mit „Farben der Nacht“einen spannenden und feinsinnig­en Thriller mit tiefen Einblicken in die Psyche und Abgründe der Charaktere, der manche Kritiker nicht zu unrecht an Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“erinnert.

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FOTO: DPA Schriftste­ller Davit Gabunia schreibt offen über seine Homosexual­ität, wird dafür angefeinde­t und gefeiert zugleich.
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