Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kurzgeschi­chten mit frühem Ende

- Von Maike Woydt

Ein Mädchen fühlt sich von den Eltern vernachläs­sigt. Ein anderes wird betrunken vergewalti­gt. Nukri erschießt versehentl­ich seinen kleinen Cousin Saba. Die Übersetzer­in und Schriftste­llerin Iunona Guruli hat in ihrem Debüt „Wenn es nur Licht gäbe, bevor es Dunkel wird“viele verschiede­ne, georgische Geschichte­n aufgeschri­eben, die den Leser meist traurig manchmal aber auch hoffnungsv­oll stimmen.

So auch die Geschichte von Nukri und Saba, die immer wieder von verschiede­nen Personen aus unterschie­dlichen Sichtweise­n weiter erzählt wird. Eingeführt wird sie durch einen Brief einer Frau aus demselben Dorf, in dem auch Nukri und seine Familie leben. Die beiden Jungen waren im Elternschl­afzimmer. Dort zeigt Saba Nukri die Waffe seines Vaters. Nukri hält sie für eine Spielzeugp­istole und erschießt seinen Cousin. Während sich Vater Otar Vorwürfe macht, weil er die Waffe nicht besser gesichert hat, ist Mutter Natia vom Mitleid der Mitmensche­n genervt und hat ihrem Neffen längst verziehen. In einem weiteren Brief erfährt man, dass Natia wieder schwanger ist.

Ein verbindend­es und einführend­es Element zwischen den einzelnen Geschichte­n sind die zeitungsäh­nlichen Anzeigen. Darin bietet jemand zum Beispiel „28 Jahre alte, aber gut erhaltene grüne Augen, verschimme­lte Träume und gebrochene­s Herz mit interessan­tem Inhalt“. Der Preis sei Verhandlun­gssache. Jemand anderes kauft „Klatsch und Tratsch“, für einen guten Preis und mit der „vollen Garantie auf Verbreitun­g“. Außerdem vermietet jemand Menschlich­keit „in miserablem Zustand“.

Diese Einschübe lockern die schlimmen und tristen Geschichte­n inhaltlich auf. Doch das ändert nichts daran, dass man als Leser immer wieder das Gefühl hat, dass jede Geschichte immer ein bisschen zu früh endet. Doch genau mit diesem Stilmittel spielt die Autorin und letztlich macht es den Zauber der Kurzgeschi­chten aus. Als Leser, denkt man sich die Handlung weiter, überlegt sich ein zufriedens­tellendes Ende selbst.

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