Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Staatsanwalt stellt Verfahren gegen Ärztin ein
Asylbewerberin wurde im Jahr 2017 in der Notfallpraxis nicht behandelt - Der Fall bleibt ohne gerichtliche Folgen
SIGMARINGEN (fxh) - Das Verfahren gegen die Notfallpraxis Sigmaringen wegen unterlassener Hilfeleistung ist eingestellt worden. Dies hat die Staatsanwaltschaft Hechingen dem Ehepaar Fuchs/Sesterhenn mitgeteilt. In dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es: Der beschuldigten Ärztin könne nicht mit der notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden, dass sie die Hilfeleistung in strafrechtlicher Weise unterlassen habe. „Wir akzeptieren diese Entscheidung, aber die Argumentation der Staatsanwaltschaft überzeugt uns nicht“, sagt Susanne Fuchs, die bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet hatte. Damit ist das Verfahren abgeschlossen, die diensthabende Ärztin muss nicht mit einer Anklage rechnen.
Einer Bewohnerin der Erstaufnahmestelle Sigmaringen war in der Notfallpraxis beim Krankenhaus die Behandlung verweigert worden, obwohl sie sich vor Schmerzen krümmte. Die diensthabende Ärztin begründete die Abweisung mit Sprachbarrieren. Am Empfang der Notfallpraxis sei der schmerzgeplagten Patientin von zwei diensthabenden Frauen der Einlass und die Aufnahme sowie jegliche medizinische Untersuchung und Behandlung verweigert worden. Bei einer Untersuchung im Krankenhaus stellte sich später heraus, dass ein Nierenstein den Harnleiter versperrte. Die Frau musste operiert werden.
Ehepaar übernahm Patenschaft
Die Urheber der Anzeige übernahmen für das Ehepaar eine Patenschaft, sie unterstützten sie in Alltagsfragen und halfen ihnen beim Erlernen der deutschen Sprache. Sie halten bis heute Kontakt zu dem Ehepaar, das mittlerweile in Nürtingen (Kreis Esslingen) lebt. In der von Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Beiter unterzeichneten Begründung zur Einstellung des Verfahrens heißt es weiter, dass eine „ärztliche Versorgung nicht definitiv abgelehnt wurde“. Die Staatsanwälte kommen zu diesem Ergebnis, weil die Ärztin die Behandlung unter der Prämisse ablehnte, dass sie einen Dolmetscher benötige. Bestehe wegen Sprachbarrieren das Risiko einer Fehlbehandlung, sei die Hinzuziehung eines Dolmetschers notwendig, verweisen die Ermittlungsbehörden auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2015.
Sowohl die behandelnde Ärztin als auch eine Krankenschwester sagten gegenüber den Ermittlern aus, dass die Patientin behandelt werden sollte. Durch Anrufe in der LEA und im Krankenhaus sei vergebens versucht worden, einen Dolmetscher zu organisieren. Abschließend kommt die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis, dass sich die Beschuldigte nicht grundsätzlich geweigert habe, die Patientin zu behandeln.
Diese Sichtweise spiegle nicht die Dramatik des vorliegenden Falles wider, so die Reaktion von Susanne Fuchs. Sie hat den Eindruck, dass der Fall vom Tisch gewischt wird. „Man kann dem Staatsanwalt nur wünschen, dass er im Ausland nicht so etwas Ähnliches erlebt“, ergänzt Alfred Sesterhenn. Das Ehepaar hätte erwartet, dass die Geschehnisse vom April 2017 juristisch aufgearbeitet werden, um die Gefahr einer Wiederholung zu reduzieren.