Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich, Weltmeiste­r? Das fühlt sich falsch an“

Wie Friedrichs­hafens Volleyball­coach Vital Heynen den Titelgewin­n mit Polen feiert

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RAVENSBURG - Die Probleme für die Mannschaft von Trainer Vital Heynen begannen erst nach dem WMTriumph. Am Vormittag nach dem überrasche­nd souveränen 3:0 (28:26, 25:20, 25:23)-Sieg Polens im Finale der Volleyball-Weltmeiste­rschaft in Turin gegen Brasilien hingen die Gewinner am Mailänder Flughafen fest. „Ein Gepäckfahr­zeug ist gegen unser Flugzeug gefahren. Jetzt warten wir auf die Ersatzmasc­hine – und in Warschau warten angeblich Tausende Fans auf uns“, berichtet Vital Heynen, im Hauptberuf Coach der Bundesliga­volleyball­er vom VfB Friedrichs­hafen. Für den Belgier Heynen, der 2014 die deutsche Nationalma­nnschaft bei der WM zu Bronze führte, ist der Titel der größte Erfolg seiner Karriere. Filippo Cataldo hat mit ihm gesprochen.

Herr Heynen, eigentlich wollten Sie diesen Montag einen Kaffee am Bodensee trinken und sich mit den Spielern Ihrer Mannschaft vom VfB Friedrichs­hafen treffen ...

Ich verspäte mich ein bisschen. Die Leute vom Verband wollen, dass ich dem polnischen Präsidente­n noch die Hand schüttle.

Sie haben den Topfavorit­en Brasilien glatt mit 3:0 besiegt. Wie geht das?

Keine Ahnung, So einfach hatte ich das nicht erwartet. Ich habe mir während des Spiels ständig die Frage gestellt, wann es wohl schwer werden würde für uns. Aber es wurde einfach nicht schwer. Meine Mannschaft hat sehr konzentrie­rt und konstant gespielt, nie die Ruhe verloren.

Polen war zwar amtierende­r Weltmeiste­r, ist aber als Außenseite­r zur WM gefahren.

Wir waren sogar weniger als das. Die Buchmacher haben uns vor dem Turnier auf Platz acht gesehen. Als ich im Frühjahr meinen Vertrag hier unterschri­eben habe, war der Plan komplett auf die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio hin ausgericht­et. Polen sah bei Weltmeiste­rschaften öfter gut aus, bei Olympia fehlt das Erfolgserl­ebnis. Ich wurde geholt, um eine Mannschaft aufzubauen, die 2020 Medaillen gewinnt. Der Titel jetzt kommt eigentlich zu früh. Aber ab und zu gewinnt man eben einen unerwartet­en großen Titel.

Blöde Frage: Weltmeiste­r – wie fühlt sich das an?

Falsch. Ich betreibe diesen Sport jetzt 30 Jahre auf profession­ellem Niveau – erst als Spieler, jetzt als Trainer. Natürlich war es immer ein Traum, so einen großen Titel zu gewinnen. Aber wenn ich mir jetzt sage: ,Vital, du bist Weltmeiste­r!’, dann hört sich das unwirklich und falsch an, fast ein bisschen dumm. Was ich aber sagen kann: Ich bin Coach der besten Mannschaft der Welt – dafür möchtte ich den Jungs danken. Andere Trainer haben große Spieler, ich habe ein großartige­s Team. Die Mannschaft ist im Turnier gewachsen, die letzten Tage waren wir die Besten. Diese Dynamik miterlebt zu haben, das bedeutet alles für mich.

Wie war die Nacht?

Ich weiß nicht, was die Spieler gemacht haben, aber ich habe ein Glas Wein getrunken, ein bisschen geredet, gelacht – und bin dann ins Bett. Vielleicht realisiere ich irgendwann, was wir geschafft haben. Davon bin ich aber noch meilenweit weg.

Sie sind am 10. Mai direkt nach dem verlorenen Bundesliga-Finalspiel gegen Berlin aus Friedrichs­hafen nach Polen zur Nationalma­nnschaft gereist, nun kommen Sie als Weltmeiste­r zurück. Und am 13. Oktober beginnt schon die Bundesliga­saison. Schon mal was von Urlaub gehört?

In Friedrichs­hafen wird es wie Urlaub werden für mich – da muss ich nur trainieren und nicht zwei Stunden am Tag mit Journalist­en reden (lacht). Ich war zwischendu­rch ein paar Tage bei meiner Familie in Belgien. Es geht immer weiter, so ist das in meinem Beruf. 2014 habe ich nach der WM auch sofort weitergema­cht. Eigentlich darf man da nicht darüber nachdenken. Wir fliegen jetzt nach Polen, lassen die Spieler hochleben und schütteln dem Präsidente­n die Hand. Dann fliege ich nach Belgien. Donnerstag oder Freitag dürfte ich am Bodensee sein. Dann gibt es auch den Kaffee am Bodensee. Ich freue mich drauf.

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FOTO: IMAGO Da ist das Ding: Vital Heynen inmitten seiner Volleyball-Weltmeiste­r.

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