Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gänstorbrü­cke muss neu gebaut werden

Gutachten sind eindeutig - Neues Bauwerk soll vor Abriss der Adenauerbr­ücke stehen

- Von Sebastian Mayr

ULM/NEU-ULM - Seit Ende Juni ist die marode Gänstorbrü­cke über die Donau aus Sicherheit­sgründen gesperrt. Jetzt ist klar: Das 96 Meter lange Bauwerk muss abgerissen und neu gebaut werden. Das ist das Ergebnis der Gutachten, die die Städte Ulm und Neu-Ulm in Auftrag gegeben haben.

„Wir können stundenlan­g rechnen, aber wir können die Brücke nicht mehr gesund rechnen“, sagte der Brückenexp­erte Gerhard Fraidel in der Sitzung des Ulmer Bauausschu­sses am Dienstag.

Fraidel leitet die Abteilung Verkehrsin­frastruktu­r der Stadt Ulm. Die weiteren Schritte wollen die Stadträte aus Ulm und Neu-Ulm in einer gemeinsame­n Sitzung am Montag, 19. November, besprechen. Der Neubau soll so schnell wie möglich umgesetzt werden. Denn auch die Adenauerbr­ücke, auf der die B 28 über die Donau geführt wird, soll in den nächsten Jahren neu gebaut werden.

Fraidel und seine Kollegen haben die Ergebnisse des Gutachtens dem baden-württember­gischen Verkehrsmi­nisterium und dem bayerische­n Ministeriu­m für Wohnen, Bau und Verkehr vorgestell­t. Beide haben dem Neubau zugestimmt, sie verzichten auf eine Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung, die sonst üblich ist. Denn: Die Brücke ist fast 70 Jahre alt und damit nicht weit von der angestrebt­en Lebensdaue­r von 80 Jahren entfernt. Und einige Schäden am Bauwerk gelten als irreparabe­l.

Die Fahrbahn an sich ist in relativ gutem Zustand, allerdings sind viele Salze in den Belag eingedrung­en. Dieser Schaden könnte behoben werden, so Fraidel.

Anders sieht es bei den Verspannun­gen und den Verankerun­gen aus, die die Brücke halten. Die Spannglied­er sind in großen Teilen nicht oder nur teilweise verpresst, dort ist Wasser eingedrung­en.

Blutwasser im Beton

Bereits beim Bau ist Zementmilc­h, auch Blutwasser genannt, in den Beton gelangt. Diese saure Flüssigkei­t hat das Metall angegriffe­n. Auch in die Fugen ist Wasser eingedrung­en. An manchen Stellen betrage die Spannkraft bloß noch 70 Prozent, berichtete Fraidel.

Auch bei der Verankerun­g ist viel Spannkraft verloren gegangen, bis zu 20 Prozent. Auch hier gibt es Probleme mit mangelhaft verpresste­n Spannglied­ern und Blutwasser. Zudem fehlt an einigen Stellen Beton. „Das ist ein Schaden, der ist nicht reparabel“, sagte Fraidel zu den Mängeln an Verspannun­gen und Verankerun­g. Trotz alledem: Die Gänstorbrü­cke bleibt befahrbar – mit einer Spur pro Richtung. Eine Monitoring-Anlage soll Veränderun­gen registrier­en und Warnungen aussenden, wenn sich der Zustand verschlech­tert. „Es ist immer noch ein Restrisiko dabei“, gestand Fraidel. Denn man könne nicht alle Teile der Brücke überwachen. Doch einen Einsturz wie beim Unglück in der italienisc­hen Hafenstadt Genua werde es in keinem Fall geben: Die Brücke sei anders gebaut und würde allenfalls ein Stück absacken.

Die Monitoring-Anlage kostet rund 420 000 Euro – weil die Ulmer Verwaltung sie frühzeitig bestellte. Wenige Wochen nachdem sie das Überwachun­gssystem in Auftrag gab, stürzte die Autobahnbr­ücke in Genua ein. Seitdem, berichtete Fraidel, sei der Preis für die Monitoring­Anlage auf das Dreifache gestiegen.

Zusätzlich zur Überwachun­g des Bauwerks wird es einen Stresstest geben. Für die Nacht auf Sonntag, 18. November, haben sich die Städte dafür drei Kranfahrze­uge von der Firma Liebherr geliehen. Das schwerste wiegt 48 Tonnen. Die Kräne werden über die Brücke fahren und unter anderem eine Vollbremsu­ng testen. Nach diesen Versuchen fällt die Entscheidu­ng, ob es weitere Einschränk­ungen für den Verkehr geben muss.

Wann die Gänstorbrü­cke neu errichtet wird, ist noch unklar. Derzeit geht die Ulmer Verwaltung davon aus, dass ab 2024 gebaut werden kann.

Die Planungen dafür dürften lange dauern, weil viele Voraussetz­ungen berücksich­tigt werden müssen – etwa, weil die Brücke im Hochwasser­gebiet liegt und weil das Aussehen des prägnanten Bauwerks in einem Architektu­rwettbewer­b festgelegt werden soll.

Klar ist schon jetzt: Das Projekt wird kostspieli­g. „Wir reden von einem 20-Millionen-Euro-Bau“, sagte Michael Jung, Leiter der Ulmer Hauptabtei­lung Verkehrspl­anung und Straßenbau, Grünfläche­n, Vermessung in der Sitzung. Die beiden Städte müssen je die Hälfte der Kosten tragen.

Weitere Informatio­nen im November

Auch die Adenauerbr­ücke über die Donau muss neu gebaut werden. Zuerst müssen aber noch Details mit dem Bund geklärt werden, der die Kosten übernimmt. „Die Gänstorbrü­cke soll fertig sein, bevor wir mit der Adenauerbr­ücke beginnen“, sagte Baubürgerm­eister Tim von Winning im Bauausschu­ss. Dem Vernehmen nach soll es im November weitere Informatio­nen zur Adenauerbr­ücke geben.

 ?? FOTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Seit drei Monaten ist die Gänstorbrü­cke über die Donau halbseitig für den Verkehr gesperrt. Das wird wohl noch mehrere Jahre lang so bleiben – bis das Bauwerk, das die Städte Ulm und Neu-Ulm verbindet, abgerissen und neu gebaut wird.
FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Seit drei Monaten ist die Gänstorbrü­cke über die Donau halbseitig für den Verkehr gesperrt. Das wird wohl noch mehrere Jahre lang so bleiben – bis das Bauwerk, das die Städte Ulm und Neu-Ulm verbindet, abgerissen und neu gebaut wird.

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