Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Land droht Sigmaringen mit Rechtsstreit
Kreis soll getrennte Biomüllerfassung einführen – Kreisräte beraten nächste Woche
SIGMARINGEN (sz/aja) - Allen Argumenten der Verwaltung zum Trotz sieht es jetzt so aus, als müsse der Kreis Sigmaringen nun doch die Biotonne einführen oder sich zumindest Gedanken über ein alternatives Sammelsystem machen. Das teilt das Landratsamt Sigmaringen am Donnerstag in einer Pressemitteilung mit. Das Land erkennt die Müllverwertung des Kreises nicht an und erwägt eine Klage: In einem Schreiben des Umweltministeriums sei laut Kreisverwaltung deutlich geworden, dass rechtliche Mittel zur Durchsetzung der Pflicht zur getrennten Biomüllsammlung gegen den Landkreis erwogen werden.
Bereits seit dem 1. Januar 2015 enthält das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Pflicht, Bioabfälle getrennt zu sammeln. Aufgrund der überaus ländlichen Siedlungsstruktur im Landkreis Sigmaringen und der hohen Kompostierleistung der Bevölkerung ging der Landkreis bislang von einer Sonderstellung aus und lehnte die Einführung einer Biotonne ab. Der Kreis argumentierte, dass ein Holsystem weder ökologisch noch finanziell sinnvoll sei. Vorausgegangen waren umfangreiche Untersuchungen. Die Landkreisverwaltung schlägt dem Kreistag nun einen Grundsatzbeschluss zur Getrenntsammlung von Bioabfällen vor. Die Kreisräte beraten am 22. Oktober darüber.
Analyse zugunsten des Kreises
„Eine Sortieranalyse im Mai 2013 hat gezeigt, dass wir mit 6,6 Kilogramm pro Einwohner und Jahr deutlich weniger Biomüll im Restmüll haben als viele Gebiete, die bereits eine getrennte Biomüllsammlung eingeführt haben“, wird Bernhard Obert, Dezernent für Umwelt und Bau des Landratsamtes, zitiert. „Eine weitere Untersuchung des Restmülls im Frühjahr 2017 hat mit sieben bis 15 Kilo Biomüll pro Einwohner und Jahr im Restmüll zwar höhere, aber im Vergleich mit anderen Kommunen nach wie vor deutlich niedrigere Werte aufgezeigt.“Der Kreis liege damit weit unter dem Landesdurchschnitt.
Ausschlaggebend sei die sehr ländliche Struktur des Landkreises, in dem viele Menschen selbst kompostieren. Zudem müsse im Landkreis Sigmaringen – anders als in anderen Landkreisen – bereits seit vielen Jahren die Gebühr für den Restmüll gewichtsabhängig bezahlt werden. „Auch weil wir den Restmüll und den darin enthaltenen Biomüll im Heizkraftwerk in Ulm für die Strom- und Wärmeproduktion hochwertig verwerten, war die Einführung einer Biotonne ökologisch nicht sinnvoll“, blickt Obert zurück. Eine Biotonne hätte sich bei den Müllgebühren ebenfalls deutlich bemerkbar gemacht – sind die Entsorgungswege im ländlichen Landkreis doch weit.
Das Umweltministerium teile diese Auffassung des Landkreises jedoch nicht. Vielmehr habe das Ministerium erstmals schriftlich seine Position dargelegt. In diesem Schreiben verweise das Ministerium auf die niedrigen Müllgebühren im Landkreis (114 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt gegenüber 150 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt im Landesschnitt) und hält daher die Einführung einer separaten Bioabfallerfassung für wirtschaftlich zumutbar. Die im Müllheizkraftwerk durchgeführte hochwertige thermische Verwertung wurde nicht als eine gleichwertige Verwertungsmaßnahme anerkannt. Das Ministerium zeige jedoch auch auf, dass es keine rechtlichen Vorgaben zur Art und Umsetzung des Sammelsystems macht. „Die Einführung einer Biotonne stellt keine Grundvoraussetzung für eine separate Bioabfallerfassung dar“, argumentiert das Ministerium.
„Wir sollten aktiv unseren Gestaltungsspielraum nutzen und uns nicht auf einen aufwendigen Rechtsstreit einlassen“, wird Landrätin Stefanie Bürkle in der Pressemitteilung zitiert. „Das Wie, ob Bring- oder Holsystem, sollten wir in Ruhe im nächsten Jahr im Kreistag miteinander beraten.“
Die Auswahl und Ausschreibung eines konkreten Sammelsystems würde, so schätzt die Verwaltung, mindestens ein Jahr dauern. Noch mindestens ein weiteres Jahr würde vergehen, bis die Getrenntsammlung tatsächlich eingeführt wäre.