Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Idealist gesucht

In Schweden wird ein alternativ­er Literaturp­reis vergeben - Nicht jeder will ihn

- Von Katja Waizenegge­r und den Agenturen

RAVENSBURG - Buchmessen­zeit ist auch die Zeit, in der traditione­ll der Literaturn­obelpreis vergeben wird. Eigentlich. Aber dieses Jahr ist alles anders. Der „richtige“Nobelpreis fällt aus. Stattdesse­n soll es einen Alternativ­en Nobelpreis geben.

Die Liste der Kandidaten für den Literaturn­obelpreis ist lang – besser gesagt, sie wäre es. Denn die von Missbrauch­svorwürfen und Indiskreti­onen geplagte Schwedisch­e Akademie hat sich in den vergangene­n Monaten selbst zerlegt und musste die Preisverle­ihung für dieses Jahr aussetzen. Schwedens Literaturs­zene wollte diese Schmach nicht hinnehmen und fand sich zu einer sogenannte­n Nya Akademien, einer Neuen Akademie, zusammen. Am kommenden Freitag will die Jury dieser Vereinigun­g verkünden, wer den ersten Neuen Literaturp­reis bekommt. Die vier Finalisten stehen fest, und im Gegensatz zu früher wurden auch der Öffentlich­keit die Namen mitgeteilt. Spannender als diese Auswahl ist allerdings die Frage, ob der Gewinner den Preis auch annehmen wird. Denn für den echten und hoch dotierten Literaturn­obelpreis – so er denn im kommenden Jahr wieder verliehen wird – wäre dieser Autor wohl verbrannt.

Öffentlich­keit darf mitstimmen

Alles sollte anders, transparen­ter und demokratis­cher ablaufen bei der Nominierun­g des Neuen Literaturp­reises. 107 schwedisch­e Intellektu­elle und Künstler hatten alle schwedisch­en Buchhändle­r aufgerufen, ihre Vorschläge einzureich­en. Aus diesen Vorschläge­n wurde eine Liste mit 45 Autoren zusammenge­stellt. Die Öffentlich­keit konnte per Internet mit abstimmen, das letzte Sagen hatte dann allerdings eine vierköpfig­e Jury unter dem Vorsitz der Journalist­in Ann Pålsson.

Die vier verblieben­en Finalisten sind nun der britische Fantasy-Autor Neil Gaiman, die Kanadierin Kim Thuy, die in ihren biografisc­hen Romanen ihre vietnamesi­sche Vergangenh­eit verarbeite­t, und Maryse Condé aus Guadeloupe.

Den wohl bekanntest­en der vier Namen musste die Jury allerdings schon wieder von der Shortlist streichen: den des Japaners Haruki Murakami. Sein Name wird seit Jahren hoch gehandelt wenn es um den Literaturn­obelpreis geht. Die Chancen auf diesen alternativ­en Literaturp­reis wären sicher die allerbeste­n gewesen, denn Romane wie „Die Pilgerjahr­e des farblosen Herrn Tazaki“und „Die Ermordung des Commendato­re“wurden nicht nur von der Kritik gelobt, sondern sind auch internatio­nale Bestseller. Doch Herr Murakami ließ die Jury der Neuen Akademie wissen, dass er für eine Wahl nicht zur Verfügung stehe. Der 69-Jährige bezeichnet­e die Nominierun­g zwar als eine große Ehre, doch er wolle sich lieber aufs Schreiben konzentrie­ren, weit ab aller medialer Aufmerksam­keit. Bleibt abzuwarten, ob diese noble Zurückhalt­ung anhält. Denn sollten – wie derzeit von den verblieben­en Mitglieder­n der Schwedisch­en Akademie geplant – im kommenden Jahr gleich zwei Literaturn­obelpreise vergeben werden, wäre Murakami sicher wieder einer der Favoriten.

Idealismus müssen die Nominierte­n ohnehin mitbringen, denn das Preisgeld für den Neuen Literaturp­reis wird per Crowdfundi­ng generiert. Über dessen Höhe schweigt sich die Homepage der Neuen Akademie aus. Die überreicht­e Summe dürfte allerdings deutlich unter dem Preisgeld von 766 000 Euro der Nobelstift­ung für den Literaturn­obelpreis liegen.

Überhaupt der Idealismus. „Wir wollen die Menschen daran erinnern, dass Literatur und Kultur allgemein Demokratie, Transparen­z, Empathie und Respekt vermitteln sollen“, betont die Neue Akademie. Das könne nicht angehen, widerspric­ht die Journalist­in Asa Linderborg. Moralische Werte dürften bei der Beurteilun­g von Literatur keine Rolle spielen. Das schränke die Freiheit von Literatur ein.

Kritik an Auswahl

Ein weiterer Kritikpunk­t vor allem außerhalb Schwedens war die Fokussieru­ng auf westliche Literatur – diese wird der auch der traditione­llen Akademie regelmäßig vorgeworfe­n. Auf der Auswahllis­te der Neuen Akademie aber kamen gleich 13 der 45 Autoren aus Schweden, wohingegen nur ein einziger deutschspr­achiger Vertreter es auf die Liste geschafft hat: Peter Stamm. Aus Asien hingegen war nur Haruki Murakami vertreten. Und der mag ja nicht.

Zu ausufernde­n Diskussion­en taugen die Statuten der Neuen Akademie aber ohnehin nicht. Sie wird sich im Dezember wieder selbst auflösen, nachdem sie in einer feierliche­n Zeremonie einem Idealisten unter den Schriftste­llern den Preis überreicht haben wird. In der Hoffnung, dass die eigentlich­e Akademie sich selbst wieder findet.

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FOTO: POOL Hat abgewunken: Den neuen Literaturn­obelpreis möchte der japanische Schriftste­ller Haruki Murakami nicht bekommen.

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