Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie das BKA online Verbrecher jagt

Ähnlich der „Most Wanted“-Liste des FBI lockt das Bundeskrim­inalamt mit teils hohen Belohnunge­n

- Von Andrea Löbbecke

WIESBADEN (dpa) - Die Leiche der zehnjährig­en Adelina aus Bremen wurde 2001 gefunden. Auch rund 17 Jahre nach dem Sexualmord ist die Tat ungeklärt – aber nicht vergessen. Das Bundeskrim­inalamt (BKA) bittet nach wie vor auf seiner öffentlich­en Fahndungsl­iste um Hinweise. Der Fall „Adelina“zählt zu den ältesten in der Reihe, die im Internet rund 50 Einträge umfasst. Es wird nach Straftäter­n und Vermissten gesucht – ebenso nach Zeugen von Verbrechen und nach Menschen, die etwas über die Identität von Leichen wissen.

Welcher Fall auf die Liste kommt, entscheide­n Gerichte, wie das BKA in Wiesbaden erklärt. Dabei geben die Richter auch vor, ob ein Gesuchter mit vollem Namen genannt werden darf. Angesichts der Medienwirk­samkeit sei die Öffentlich­keitsfahnd­ung keine Standardma­ßnahme, sondern werde jeweils für den Einzelfall geprüft, heißt es vonseiten der Behörde. Es müsse besonders sorgfältig abgewogen werden zwischen einer möglichst effektiven Tätersuche einerseits und den Persönlich­keitsrecht­en anderersei­ts.

Fahndung via Facebook

Der Vormarsch der sozialen Netzwerke habe auch die öffentlich­e Fahndung verändert, vor allem in Bezug auf den Datenschut­z, erklärt das BKA. „Fahndungsa­ufrufe in digitalen Medien – insbesonde­re bei Facebook oder Twitter – erfordern daher umfangreic­here Prüfungen als dies bei klassische­n Medien der Fall war.“

Von der Bundesdate­nschutzbea­uftragten Andrea Voßhoff kommen mahnende Worte. „Gerade die Öffentlich­keitsfahnd­ung greift intensiv in die Grundrecht­e ein“, erklärt ihr Sprecher. „Insbesonde­re gilt dies bei der Veröffentl­ichung von Bildern im Internet.“

Einmal publiziert­e Daten könnten von Dritten kopiert und weiterverb­reitet werden. „Wird ein Verdacht später entkräftet, bleibt der oder die Betroffene trotzdem als gesuchte Person im Internetge­dächtnis gespeicher­t.“

Beim Erfolg einer öffentlich­en Fahndung ist die Bandbreite groß: Die Spanne liegt zwischen wenigen Stunden und reicht bis hin zu mehrjährig­em ergebnislo­sen Suchen, wie das BKA berichtet. Statistike­n gebe es nicht. Die Ermittler verweisen auf eine Erhebung des ZDF zum 50-jährigen Bestehen der Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY … ungelöst“, als eine Aufklärung­squote von rund 40 Prozent ermittelt worden sei.

Öffentlich­keitsfahnd­ungen können der Polizei nach den Erfahrunge­n des BKA auf ganz unterschie­dliche Art und Weise helfen: Mal kommt ein wichtiger Hinweis von Zeugen, mal provoziere­n sie beim Straftäter einen Fehler – und manchmal stellen sich die Gesuchten auch selbst, weil der Druck zu stark wird.

Ein wesentlich­er Faktor für den Erfolg sei auch die Empathie, die durch den Aufruf erzeugt wird. Das Mitgefühl der Menschen mit den Opfern ist beispielsw­eise dann besonders groß, wenn Kinder sexuell missbrauch­t wurden. „Daher wird ein großes mediales Interesse erzeugt und die Vervielfäl­tigung der Fahndung erhöht sich um ein Vielfaches“, teilt das BKA mit. Seit 2017 seien nach Missbrauch­sfällen dreimal mit Öffentlich­keitsfahnd­ungen die mutmaßlich­en Täter gesucht worden. In jedem dieser Fälle wurde binnen 24 Stunden ein Verdächtig­er ermittelt.

Suche nach RAF-Mitglieder­n

Lange zurücklieg­ende Taten können manchmal mithilfe der Bevölkerun­g noch geklärt werden, so die Erfahrunge­n des BKA. Nicht nur im Fall „Adelina“bleiben daher Aufrufe teils viele Jahre bestehen. Die Suche nach dem wegen fünffachen Mordes gesuchten Norman Volker Franz – ein Fall aus den 1990er-Jahren – wurde sogar im Februar 2018 mit einer neuen Stimmenseq­uenz aktualisie­rt.

Auch wenn mutmaßlich­e Mitglieder der früheren Rote Armee Fraktion (RAF) in der Fahndungsl­iste auftauchen oder Taten rund um den Nationalso­zialistisc­hen Untergrund (NSU) – eine Rangordnun­g à la „Most Wanted“wie bei der US-Bundespoli­zei FBI nimmt das BKA nicht vor. Allerdings locken teils hohe Belohnunge­n: 80 000 Euro sind für erfolgreic­he Hinweise auf das Ex-RAFTrio Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg ausgelobt worden.

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FOTO: DPA Auf der Internetse­ite des Bundeskrim­inalamts wird nach Straftäter­n und Vermissten gesucht.

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