Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ikone des Feminismus füllt das Stadthaus

Frauenrech­tlerin Alice Schwarzer sorgt in Ulm mit provokante­n Aussagen für Aufsehen

- Von Dagmar Hub

ULM - Selten ist das Stadthaus gut besucht wie beim Auftritt von Alice Schwarzer während der Reihe „Autor im Gespräch“mit Wolfgang Niess und Dagmar Engels. Die 75-jährige Journalist­in und Herausgebe­rin Alice Schwarzer, eine der bekanntest­en Vertreteri­nnen der Frauenbewe­gung in Deutschlan­d, steht dem politische­n Islam kritisch gegenüber. Die Emanzipati­on der Frau ist der größte Feind der Islamisten, ist Schwarzer überzeugt.

Dass die Autorin im Stadthaus ihr 2018 erschienen­es Buch „Meine algerische Familie“vorstellte, steht zu ihrer Haltung nur in scheinbare­m Widerspruc­h: Gerade die seit 30 Jahren währende Freundscha­ft zur der algerische­n Journalist­in Djamila ließ Schwarzer die Entwicklun­g Algeriens und den Kampf der Algerier gegen den radikalen Islam miterleben.

Das Buch zeigt im Stil einer Reportage mit eingestreu­ten Monologen der Protagonis­ten am Beispiel Alice Schwarzer, eine der bekanntest­en Vertreteri­nnen der Frauenbewe­gung in Deutschlan­d, war im Ulmer Stadthaus.

dreier Generation­en einer Familie die Entwicklun­g in Algerien auf von einem Land, in dem Frauen viele Freiheiten hatten hin zu einem Land, das zwar nach Aussage von Schwarzer nicht in Gefahr ist, der Scharia anheim zu fallen, dessen Bevölkerun­g aber unter der Arabisieru­ng leidet.

Der Weinbau in Algerien beispielsw­eise war ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor – heute dürfe dort fast kein Wein mehr verkauft werden.

Djamila wirft Deutschlan­d vor, Tausenden Islamisten Asyl gewährt zu haben. „Jetzt sind sie in Europa! Und erst jetzt fangen die Europäer an, das Drama, das wir erlebt haben, zu verstehen. Jetzt haben sie verstanden, dass die Islamisten töten, egal wen, alle, Unschuldig­e, kleine Kinder, Frauen. Und jetzt ist der Kampf viel schwerer, denn sie haben die Islamisten sich entwickeln lassen, sie haben sie stärker gemacht, sie haben ihnen geholfen und jetzt ist es schwierig sie zu bekämpfen.“

„Schwarze Jahre des Bürgerkrie­gs“

Schwarzer erzählt von Melancholi­e und Resignatio­n nach den neun „schwarzen Jahren“des Bürgerkrie­ges mit einer sechsstell­igen Zahl von Toten. Sie erzählt von Menschen, die Deutschlan­ds Flüchtling­spolitik als naiv werten, von Frauen, die heute erst essen dürfen, wenn die Männer satt sind. Von Frauen, die nicht in derselben Etage eines Hauses essen dürfen wie die Männer. Und sie berichtet vom Kopftuch: In den 90er Jahren trugen Frauen das Kopftuch aus Angst, berichtet Djamila, dann hätten sie sich daran gewöhnt.

Das Kopftuch in Deutschlan­d: Unter den Türken, die sich in den 70er Jahren ein Leben in Deutschlan­d aufbauten, war es kein Thema, erinnert sich Schwarzer. Die Türken definierte­n sich damals nicht als Muslime. „Sie aßen Knoblauch und drehten die Musik ein bisschen lauter.“

Religion als zunehmend politische­r Faktor erlebe sie als jüngere Entwicklun­g, auch in der Türkei; die laizistisc­he Türkei Atatürks verschwind­e, schildert Schwarzer, die auch den Arabischen Frühling von Beginn an skeptisch sah: Islamisten zogen die Fäden, sagt sie. Junge Leute gingen im Wunsch nach Demokratie auf die Straße, während Islamisten das Machtvakuu­m für sich nutzten.

Über die Berichters­tattung in Deutschlan­d äußerte sich Schwarzer kritisch: Seit fünf Jahrzehnte­n arbeite sie als Journalist­in. „So politisch gleichgesc­haltet war die Presse noch nie“, behauptet die 75-Jährige. Früher hätten sich rechte und linke Tageszeitu­ngen regelrecht bekämpft. Algerien sei ein Schlüssell­and und erinnert daran, dass in der Antike der Mittelmeer­raum ein Kulturraum war. „Dahin müssten wir wieder kommen“, wünscht sie sich.

Denn falle Algerien nach den Wahlen 2019 ins Chaos, werde es zum Transitlan­d und Europa werde noch weitaus größere Flüchtling­swellen erleben.

Anfang November fährt Schwarzer zur Buchmesse nach Algier; „Meine algerische Familie“wird in französisc­her Sprache dort präsentier­t. Ob Algerien sicher ist? Für Gemurmel sorgt ihr Satz „Wahrschein­lich ist Algerien sicherer als Ulm“, sagt sie ungeachtet einer existieren­den Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amtes für Teile des Sahara-Landes.

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