Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Alles im blauen Bereich
Joe Bonamassa spielt sein einziges Konzert in Bayern in der Ratiopharm-Arena
NEU-ULM - Eigentlich gehört das Gitarrensolo auf die Rote Liste der aussterbenden Kulturtechniken. Im Dudelradio hat es schon lange seine Existenzberechtigung verloren und junge Bands legen keinen gesteigerten Wert mehr drauf, dass in der Mitte eines Songs einer minutenlang zeigen darf, wie gelenkig seine Finger über das Griffbrett wetzen können. Der Gitarrenheld, der in den 70er Jahren noch über das Wohl und Wehe einer Band entscheiden konnte, ist zu einer Art Dinosaurier mutiert. Viele, vor allem von den Jüngeren, weinen ihm keine Träne nach, allerdings wäre es echt schade, gäbe es Joe Bonamassa nicht.
Er unterscheidet sich von solchen exotischen Technik-Hexern wie Steve Vai und Joe Satriani dadurch, dass er nicht nur singen, vernünftige Lieder schreiben und Soli spielen kann, die ein Normalsterblicher auch versteht. Und das in einem Genre, das umstandslos auf den Bauch zielt und in dem eigentlich eh schon alles gesagt wurde – aber vielleicht nicht so elegant wie von Bonamassa.
Wie elegant, das hat er nun auch in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena gezeigt. Es war im Rahmen seiner aktuellen Tournee der einzige Auftritt in Bayern. Es war allerdings wohl nicht sein bester.
Dabei kann Bonamassa eigentlich gar nicht schlecht spielen, das hat er in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Er würde vermutlich selbst an einem ziemlich schlechten Tag einen Großteil seiner Kollegen an die Wand solieren. Die Läufe perlen ihm in jedem Tempo makellos und glatt aus seinen Fingern. Er gehört nicht zu den modernistischen Effekthaschern, er hat nur dem alten rostigen Vehikel namens Blues eine Art Raketenantrieb verpasst und es auf die Überholspur gesetzt, wo es doch ansonsten meist gemütlich vor sich hin tuckerte.
Geschmackvoll und virtuos
Bei Bonamassa ist alles elegant, sein Spiel genauso wie sein scharf geschnittener Bühnen-Maßanzug – und das ist ein wenig das Problem, denn seine Art von Blues und Bluesrock hat nichts mit Schweiß und Anstrengung zu tun, ist nicht schmutzig und gelegentlich mal neben der Spur, sondern immer geschmackvoll und virtuos.
Und so lauscht sein Publikum über weite Strecken des Auftritts beinahe ergriffen, wie der Gitarrengott seine Kunst vorführt. Wobei der Genuss in der verkleinerten und auf den Rängen kaum besetzten Halle deutlich von der mäßigen Abmischung getrübt wird. Es wummert und hallt, die Gitarre versinkt fast im Klangmorast – aber genau wegen der sind die meist männlichen Fans in ihren besten Jahren doch gekommen. Sie wollen die Überdosis Gitarrenkunst. Es dauert recht lange, bis der Techniker am Mischpult den Bandklang vom allergrößten Schall-Mulm befreit hat und das große Bonamassa-Blues-Vergnügen wirklich beginnen kann. Alles im blauen Bereich sozusagen.
Er beginnt die Zwei-StundenShow mit vier Songs seines wirklich sehr guten neuen Albums „Redemption“. Auf dem steigt er tiefer in die Seelenabgründe hinab, drängt den Rock zugunsten von mehr Soul ein Stück zurück. Die Stücke kommen leichter daher als frühere Werke. Gut eine Stunde lang zeigt Bonamassa, was er alles so drauf hat. Dazu spielt seine siebenköpfige Begleitband – inklusive zweier Bläser und zweier Sängerinnen – sauber und solide, mit ein paar solistischen Farbtupfern.
Aber so rechte Begeisterung will nicht aufkommen, es bleibt beim freudigen Staunen, Wippen und wenigen, die auch mal frenetisch dazwischen jubeln.
Schön, aber nicht grandios
Und dann geht es tatsächlich endlich mal so richtig ab mit „Slow Train“und einer ganz tiefen, sehr würdevollen Verneigung vor B. B. King mit „Nobody Loves Me But My Mother“. Das Led-Zeppelin-Cover „Boogie With Stu“hat mit dem steif klappernden Original nicht viel zu tun, nicht nur, weil er auf das Mandolinensolo verzichtet. Die Nummer klingt bei ihm, nun ja, einfach eleganter, rollender. Während er andernorts mit einer weiteren Zeppelin-Nummer („How Many More Times“) abging, muss Neu-Ulm darauf leider verzichten. Mit „Last Kiss“und einem langen Aufstieg zum Finale bei „Mountain Time“, lässt er es bewenden. Damit endet ein schöner, aber nicht unbedingt grandioser Abend mit dem populärsten Blues/Rock-Virtuosen unserer Tage.