Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Alles im blauen Bereich

Joe Bonamassa spielt sein einziges Konzert in Bayern in der Ratiopharm-Arena

- Von Ronald Hinzpeter

NEU-ULM - Eigentlich gehört das Gitarrenso­lo auf die Rote Liste der aussterben­den Kulturtech­niken. Im Dudelradio hat es schon lange seine Existenzbe­rechtigung verloren und junge Bands legen keinen gesteigert­en Wert mehr drauf, dass in der Mitte eines Songs einer minutenlan­g zeigen darf, wie gelenkig seine Finger über das Griffbrett wetzen können. Der Gitarrenhe­ld, der in den 70er Jahren noch über das Wohl und Wehe einer Band entscheide­n konnte, ist zu einer Art Dinosaurie­r mutiert. Viele, vor allem von den Jüngeren, weinen ihm keine Träne nach, allerdings wäre es echt schade, gäbe es Joe Bonamassa nicht.

Er unterschei­det sich von solchen exotischen Technik-Hexern wie Steve Vai und Joe Satriani dadurch, dass er nicht nur singen, vernünftig­e Lieder schreiben und Soli spielen kann, die ein Normalster­blicher auch versteht. Und das in einem Genre, das umstandslo­s auf den Bauch zielt und in dem eigentlich eh schon alles gesagt wurde – aber vielleicht nicht so elegant wie von Bonamassa.

Wie elegant, das hat er nun auch in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena gezeigt. Es war im Rahmen seiner aktuellen Tournee der einzige Auftritt in Bayern. Es war allerdings wohl nicht sein bester.

Dabei kann Bonamassa eigentlich gar nicht schlecht spielen, das hat er in der Vergangenh­eit oft genug bewiesen. Er würde vermutlich selbst an einem ziemlich schlechten Tag einen Großteil seiner Kollegen an die Wand solieren. Die Läufe perlen ihm in jedem Tempo makellos und glatt aus seinen Fingern. Er gehört nicht zu den modernisti­schen Effekthasc­hern, er hat nur dem alten rostigen Vehikel namens Blues eine Art Raketenant­rieb verpasst und es auf die Überholspu­r gesetzt, wo es doch ansonsten meist gemütlich vor sich hin tuckerte.

Geschmackv­oll und virtuos

Bei Bonamassa ist alles elegant, sein Spiel genauso wie sein scharf geschnitte­ner Bühnen-Maßanzug – und das ist ein wenig das Problem, denn seine Art von Blues und Bluesrock hat nichts mit Schweiß und Anstrengun­g zu tun, ist nicht schmutzig und gelegentli­ch mal neben der Spur, sondern immer geschmackv­oll und virtuos.

Und so lauscht sein Publikum über weite Strecken des Auftritts beinahe ergriffen, wie der Gitarrengo­tt seine Kunst vorführt. Wobei der Genuss in der verkleiner­ten und auf den Rängen kaum besetzten Halle deutlich von der mäßigen Abmischung getrübt wird. Es wummert und hallt, die Gitarre versinkt fast im Klangmoras­t – aber genau wegen der sind die meist männlichen Fans in ihren besten Jahren doch gekommen. Sie wollen die Überdosis Gitarrenku­nst. Es dauert recht lange, bis der Techniker am Mischpult den Bandklang vom allergrößt­en Schall-Mulm befreit hat und das große Bonamassa-Blues-Vergnügen wirklich beginnen kann. Alles im blauen Bereich sozusagen.

Er beginnt die Zwei-StundenSho­w mit vier Songs seines wirklich sehr guten neuen Albums „Redemption“. Auf dem steigt er tiefer in die Seelenabgr­ünde hinab, drängt den Rock zugunsten von mehr Soul ein Stück zurück. Die Stücke kommen leichter daher als frühere Werke. Gut eine Stunde lang zeigt Bonamassa, was er alles so drauf hat. Dazu spielt seine siebenköpf­ige Begleitban­d – inklusive zweier Bläser und zweier Sängerinne­n – sauber und solide, mit ein paar solistisch­en Farbtupfer­n.

Aber so rechte Begeisteru­ng will nicht aufkommen, es bleibt beim freudigen Staunen, Wippen und wenigen, die auch mal frenetisch dazwischen jubeln.

Schön, aber nicht grandios

Und dann geht es tatsächlic­h endlich mal so richtig ab mit „Slow Train“und einer ganz tiefen, sehr würdevolle­n Verneigung vor B. B. King mit „Nobody Loves Me But My Mother“. Das Led-Zeppelin-Cover „Boogie With Stu“hat mit dem steif klappernde­n Original nicht viel zu tun, nicht nur, weil er auf das Mandolinen­solo verzichtet. Die Nummer klingt bei ihm, nun ja, einfach eleganter, rollender. Während er andernorts mit einer weiteren Zeppelin-Nummer („How Many More Times“) abging, muss Neu-Ulm darauf leider verzichten. Mit „Last Kiss“und einem langen Aufstieg zum Finale bei „Mountain Time“, lässt er es bewenden. Damit endet ein schöner, aber nicht unbedingt grandioser Abend mit dem populärste­n Blues/Rock-Virtuosen unserer Tage.

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